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Frauenbeirat der Stadt Maintal protestiert Missbilligung angeblich frauenfeindlicher Satiren
Graukopf-Lesungen kamen gut an Freunde von Satiren waren entzückt
Wie man "Graukopf" wird Beschreibung des Überganges zwischen Lebensphasen
Wer schreibt denn da? Kleine Aufklärung über und durch den Autor
Recht haben und Recht bekommen Generationenübergreifende Verständnisprobleme
Die Welt der Urteile, Vorurteile und der Behauptungen Verbreitetes Beurteilungsschema im hohen Alter
Augenhöhe oder Knechtschaft Partnerschaft unter Gesichtspunkten des falschen Gehorsams
Im Jammertal Umgang mit Schmerzen, Selbstmitleid und Partnerschaft
Donnerstags im ALDI und im REAL Funktionaler Freigang - Einkaufssatire
Die Macht des Haushaltsvorstands Rollenverständnisse im fortgeschrittenen Alter
Musik der Generationen Verständnisprobleme mit unterschiedlichen Musikrichtungen
Der Entertainer Stimmungsmacher und Stimmungsbremsen
In der Weihnachtsbäckerei Süße Leidenschaft oder Selbsttherapie?
Sex im Alter Die Erinnerungen nähren Phantasie und Wünsche
Stillen - bis die Brust schmerzt Eltern/Kind-Verhältnis mit Enkelaufzucht-Syndrom
Sprösslinge und Enkel sind so furchtbar IN Umgeben von Mode-Invaliden
Die Glotze George Orwell lässt grüßen
Klimakterium bei Vollmond Die Hitze der Nacht weicht der Glut des Tages
Weggabelungen ins Alter Quo vadis Lebensstil?
Mensch und Verein Quo vadis Vereinsmensch?
Demographische Depression Alt gegen Jung oder Verleben gegen Vererben
Abturnender Witwenflirt Störende Vergleiche mit dem Vorgänger
Die Erfahrung des Weltkrieges prägt Kritische Gespräche der Generationen
Würde im Alter oder Altern mit Würde Würde ist nicht in andere Bereiche übertragbar
Wenn der Haussegen schief hängt Schuld sind immer die Anderen
Zeitlos stilvoll - nicht jedermanns Sache Wenn man sich von alten Möbeln trennen muss
Scheißfreundliche Trickdiebe Wer kennt noch nicht den Zetteltrick?
Mit Medikamenten zum  (fast) ewigen Leben Tabletten, Salben, Tropfen - ein Medikamentencocktail
Verhängnisvolle Matronen Oder - "der ferngesteuerte Graukopf"
Lyrisches über die Zeit Umgang mit der Zeit
Kernspindtomographie gegen Flatulenzen? Unsensibler Umgang mit dem Gesundheitssystem
Selbstverwirklichung Eine Abart des Egoismus
Ermessensfragen Männlicher Kennerblick und weibliche Gesamtkunstwerke
Das Testament Wer was nicht bekommen soll
Legendenbildung als Gewissensbalsam Trauerrituale und echte Trauer
Familien-Soap mit Laiendarsteller Von Stimmmodulationen und Täuschungsmanövern
Verklärende Geschichtchen Wie wird man ein edler Mensch?
One Night Stand mit Jingle Bells Zornige Einsamkeit im christlichen Umfeld
Rollenspiel "Probesterben mit Wiederauferstehung" Wenn ein Hypochonder keinen Oscar bekommt
Klatsch und Tratsch Von der Umlaufgeschwindigkeit von Gerüchten
Dehydrieren kontra Harndrang Vom weniger "Müssen müssen"

 

Eindrücke von der Graukopf-Lesung am 24. Juni 2009

 

 


Frauenbeirat der Stadt Maintal verurteilt zwei Satiren als extrem frauenfeindlich

 

Meine Satiren erscheinen auch in der Maintaler Seniorenzeitung 60 AUFWÄRTS und erfreuen dort viele Senioren und Seniorinnen, weil sie mitten aus dem Leben gegriffen sind. Allgemein werden die Satiren als Bereicherung angesehen. Frau Jeanette Kovacevic aus Maintal schrieb am 4.9.09 einen Leserbrief mit folgendem Inhalt:

 

 

Liebe Redaktion der Seniorenzeitung "60 AUFWÄRTS",

 

ich bin zwar noch keine 60, trotzdem erlaube ich mir, Ihnen ein großes Lob auszusprechen!

Hin und wieder lese ich Ihre eigentlich für alle Bürger und Altersgruppen sehr informative und vielseitige Zeitung. 

Ich persönlich finde die "humorvolle Umgangssprache" mit oft weniger lustigen Lebensphasen einfach genial!

Gerade der Beitrag "Klimakterium und auch noch Vollmond" ist super gelungen! Ich musste schallend lachen, und doch ist alles korrekt beschrieben... . Kompliment! Weiter so!

 

MfG

J. Kovacevic

 

 

Ganz anders sieht das der Frauenbeirat der Stadt Maintal, der sich lobenswerterweise um viele Frauen verdient macht und einsetzt, die in Not und Bedrängnis sind. Sie beschwerten sich beim Bürgermeister und beim Ersten Stadtrat über zwei angeblich "frauenfeindliche" Artikel. 

 

Hier ein Auszug aus dem Schreiben:

 

 

 

...Ferner ist uns aufgefallen, dass Spaßartikel auf Kosten von Frauen Bestandteil einzelner Artikel sind. Wird sich in der vorletzten Ausgabe über Witwen amüsiert, so befasst sich der Artikel der aktuellen Ausgabe mit Frauen im Klimakterium. 

 

Es ist mehr als billig, was da den Leserinnen und Lesern zum Besten geboten wir. Durch einen Artikel wie diesen wird ein Frauenbild vermittelt, gegen das wir uns auf schärfste zur Wehr setzen. Beschämend finden wir, dass die durch die Stadt Maintal finanzierte Zeitschrift sich so an die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger unserer Stadt richtet, Was sollen die Leserinnen bloß denken, wenn sie diese Artikel lesen?

 

Darf es sein, dass sich Einzelne öffentlich über eine Gruppe in unserer Gesellschaft derart lustig machen dürfen - und das wird dann auch noch mit Steuergeldern finanziert?

Wenn der Schreiber dieser Artikel Probleme mit älteren Frauen hat, dann muss er individuell mit sich ins Reine kommen. Es ist unwürdig gegenüber einer ganzen Generation Frauen, sich auf solche Art über sie lustig machen zu dürfen.

 

 

 

Der Frauenbeirat fordert anschließend den Magistrat auf, dafür zu sorgen, dass zukünftig derartige Artikel nicht mehr erscheinen.

 

Unterzeichnet wurde das Elaborat von Roswitha Gnoth, Christina Biermann-Müller und Monika Vogel.

 

Der Seniorenbeirat als Herausgeber der Seniorenzeitung 60 AUFWÄRTS missbilligte das Schreiben als überzogen, ließ es jedoch als freie Meinungsäußerung gelten. 

 

Sie sehen, werte Leser, wie falsch Satiren interpretiert werden. Leider stellt sich der Frauenbeirat insgesamt mit dieser Aktion in ein falsches Licht. Viele der Aktivistinnen stehen mitten im Leben und sind sicher auch humorvoll und intelligent genug, zu verstehen was sie lesen. Es mag Emanzen der ersten Stunde geben, die darin Munition im ewigen Kampf gegen die verruchte Männerwelt sehen und dies in ohnmächtigem Zorn äußern. Die übrigen Frauen sollten sich davon jedoch nicht mitreißen lassen. 

 

Ein Hinweis an den harten Kern derart aggressiver Frauenarbeit sei noch gestattet: 

Noch besteht unsere Gesellschaft aus einem Überschuss an Frauen und sie sind deshalb verstärkt thematisch präsent. In Partnerschaften leiden mindestens ebenso viele Männer wie Frauen unter bestimmten Situationen. Man muss diese Situationen so ansprechen können, dass sie nicht zu Herabwürdigungen führen.

Eigentlich müsste man in manchen Situationen auch bedrängte Männer schützen.

 

Einen Männerbeirat findet man in Maintal allerdings vergebens.

 

 

 

 

 

Vor dem Lesen dieser Satiren wird gewarnt!

Bei Frauenaktivistinnen und humorlosen Menschen können Nebenwirkungen auftreten, die womöglich irreparabel sind.

Beschwerden richten Sie bitte direkt an mich - "da werden Sie geholfen..."


 

 

Zur Orientierung

 

Die obigen Links führen Sie in verschiedene Themenbereiche, die verdeutlichen sollen, wie die Generation vor den eigentlichen Senioren denkt und empfindet. Den Senioren im hohen Alter sollen damit auch von anderer Seite  als von den Angehörigen einmal  Eindrücke geschildert werden, die sie den nächsten Verwandten oft nicht abnehmen oder selbst einfach nicht wahrhaben wollen.

 

Das soll keine Schelte sein sondern die kritische Sicht eines Graukopfes mit einschlägigen Erfahrungen, die zum Nachdenken anregen soll. Gleichzeitig soll es all denen eine Hilfe sein, die womöglich an die Einmaligkeit ihres eigenen Problemkreises glauben.

 

Der demografische Wandel ist in aller Munde und unsere Politiker zerbrechen sich bereits die Köpfe darüber, wie sie mit den Senioren fertig werden. Angeblich sollen die Senioren das Problem der Zukunft sein. Bis zu ihrem Ruhestand lösten sie allerdings ihre eigenen Probleme und bereits viele Probleme für die heutige Generation. 

 

Nun werden sie angeblich selbst zum Problem - dumme Sache!

 

Senioren haben allen Grund, auf jüngere Menschen zu zu gehen, sie behutsam in ihre zukünftige Welt herüberzuführen und ihnen dabei klar zu machen, dass sie mit allen Entscheidungen, die sie jetzt gegen die Senioren treffen, auch an ihrer eigenen Zukunft arbeiten - dem Leben im Alter. Das Alter kommt ohnehin schneller, als man denkt!

 

 

Alt  sein will niemand - alt werden will jeder...

 

Das Raffinierte daran ist, dass man stufenweise oder gleitend aufs Altenteil driftet und stets als Jüngster in der Gesellschaft ankommt, der man zukünftig angehört. 

 

Flott und mit Power mischt man sich unter die Generation der eigenen nahen Zukunft und macht seine Späße über neue Eindrücke einer neuen Welt. Ehe man es sich versieht wird man vom Sog erfasst und es ist verdammt schwer, dem immer schneller werdenden Prozess gegenzusteuern. Hier hilft eine Art Benchmarking, mit der man den unfreiwilligen Integrationsprozess erlebt.

 

Auf der anderen Seite ist es verlockend, noch eine ganze Zeit lang zu leben, wo doch der Ruhestand völlig neue Möglichkeiten bietet. Also stellt man sich der gegenläufigen Entwicklung zwischen verändertem Erlebensdurst und neuem Kräftemanagement, das zum Haushalten zwingt.

 

Die Umorientierung verläuft in der Regel überall gleich ab. Einer der Gründe dafür ist, dass man immer weniger Kraft einsetzt, sich dagegen zu stemmen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie man "Graukopf" wird

 

Es wäre zu einfach, Grauköpfe nur an ihrer Haarfarbe erkennen zu wollen. Wir haben genug Beispiele um uns herum, die das Gegenteil belegen. Das weibliche Geschlecht tut sich besonders schwer damit, dem Alterungsprozess mit Würde Rechnung zu tragen. Daran sind natürlich die Männer schuld, die im ungefähr gleichen Alter jüngeren Dingern nachschauen und sich  womöglich auch noch Chancen ausrechnen. Da muss so manche Frau gegensteuern und die Friseure verdienen kräftig an den optischen Verjüngungsaktionen. Die "jungen Dinger" dagegen wechseln ihre Haarfarbe ständig nur, um IN zu sein. Das ist eine ganz andere Dimension und eine andere Liga, in der sie spielen. Der Kampf der herausgeputzten Seniorinnen ist bereits verloren, ehe er überhaupt begann.

 

Es gibt aber auch genügend Männer (geschlechtlich gesehen), die mit charmanten Cognac-Tönen oder Schwarz wie die Spanier inkontinent durch die Gegend laufen und aufgekratzt jungen Color-Amazonen nachschauen. Sie haben die Reife der edlen Grauköpfe ebenso wenig erreicht, wie ihre weiblichen gefärbten Lebensgefährtinnen.

 

Würdevoll Graukopf zu werden ist ein Wandlungsprozess, der die Bereitschaft voraussetzt, sich dem Alter zu stellen

 

Das hat mit Sexualität recht wenig zu tun und auch nichts mit Attraktivität, die gern damit in Verbindung gebracht wird. Grauköpfe wirken authentisch durch Alters-Souveränität und ihre altersgerecht gelebten Verhaltensweisen. Es ist die Phase, die mit dem Eintritt in den Ruhestand beginnt, die Probleme bereitet. Man richtet sich auf das Leben nach dem Beruf ein und versucht, sich mit seinem Lebensgefährten in allen Bereichen so zu arrangieren, dass noch eine gewisse Selbständigkeit gewährleistet ist.

 

Für die Frauen verändert sich eine ganze Menge. Das hängt davon ab, ob sie selbst noch im Berufsleben stehen und/oder den Haushalt führten. Männer wittern schnell, wenn sie eingespannt oder gar missbraucht werden sollen, was oft den Gewohnheiten in der bisherigen beruflichen Position zuwider läuft.

 

Die Anpassung an all die neuen Bedingungen ist ein Reifeprozess, bei dem sich nicht selten erst die natürliche Haarfarbe beider Partner ändert, wenn sie bis dahin noch nicht grau sein sollte. Der "Graukopf" ist die Zwischenphase auf dem Weg zum "Weißkopf", der höchsten Stufe der Altersreife, die dann allerdings doch mit einigen gravierenden Einschränkungen verbunden ist. Auf dieser Website werden Sie vornehmlich die Wahrnehmungen der Grauköpfe finden.

 

 

 

 

 

 

Wer schreibt denn da?

 

Vielleicht sollte ich mich Ihnen aber erst einmal als Graukopf vorstellen. Meinen Namen kennen Sie ja bereits und einige kennen mich sogar persönlich. Das ist aber jetzt kein Grund, in ein wissendes Grinsen zu verfallen, wenn ich versuche, meine besten Seiten darzustellen.  Damit meine ich natürlich die geschrieben Seiten.

 

Sie haben es mit einem Anfangssechziger zu tun, der seinem Umfeld sehr kritisch gegenüber steht und dennoch die Dinge mit Humor zu nehmen versucht. Was dabei herauskommt, sind Satiren, bei denen sich das Lachen erst nach zeitlicher Verzögerung einstellt. Wenn es sich um Andere handelt, etwas schneller, wenn man sich selbst dabei erkennt, etwas später oder gar nicht.

Wer weiß, ob ich in diesem Moment nicht schon wieder starke Anregungen sammle, die förmlich nach der Tastatur schreien.

 

Nach der Beendigung meines mehr oder weniger aufregenden Berufslebens wollte ich etwas machen, mit was ich schon immer liebäugelte und ich begann zu schreiben. Meine Homepage hat inzwischen über 230 verschiedene Seiten und mancher, der sich auf ihr im Internet verliert, vergisst beim Lesen die Zeit. Einen breiten Raum nimmt die Maintaler Kommunalpolitik ein, allerlei Wissenswertes, die Geschichte der bewegenden letzten drei Jahre eines jungen Soldaten, der mit 23 Jahren fiel, aber auch viel Unterhaltsames, Autobiografisches und jene Alterssatiren, die ich hier vorstelle. 

 

Die Artikel, Kommentare oder satirischen Kapitelchen entstehen entweder in meinem Arbeitszimmer oder in meinem Garten, der einer meiner Rückzugsräume darstellt. Meine Eindrücke hole ich mir bezüglich der Kommunalpolitik direkt an den Brennpunkten, recherchiere, was das Zeug hält und kommentiere dann nach Herzenslust oder Erlebensfrust.

 

Meine Ehehälfte toleriert mein Treiben - was bleibt ihr auch übrig. Ich bin ihr kleiner Graukopf, wie sie sagt und ihr ist es wichtiger, dass ich möglichst ausgeglichen bin. Als mir letztens der PC abschmierte, konnte sie erleben, wie ich dahinvegetiere, wenn ich dieser Passion nicht nachgehen kann.

 

Schreiben ist für mich so etwas wie eine Entsorgung oder Reinigung der Gedanken, wobei ich versuche, das weiter zu geben, was mich wirklich bewegt, um meinen Lesern das Gefühl zu geben, dass sie mit ähnlich gelagerten Sachverhalten oder Impressionen nicht allein sind. Gemeinsames Erleben bedeutet doppelte Freude oder halbe Last. Nehmen Sie die folgenden Kapitel so, wie sie sie selbst  interpretieren. Die Realität ist ohnehin wesentlich härter. 

 

Nehmen Sie das Folgende als Fenster in ihre eigene Zukunft, wenn Sie noch nicht in dieser speziellen Welt angekommen zu sein glauben. Sollten Sie dabei nachdenklich werden, dann liegt das daran, dass Sie beginnen zu begreifen, was auf Sie zukommt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Recht haben und Recht bekommen

 

Haben Sie als Graukopf schon einmal versucht,  von einem Weißkopf Recht zu bekommen, obwohl Sie absolut im Recht sind? Wenn ja, dann war es sicher nur eine Nebensächlichkeit um die es ging, der keine Bedeutung beizumessen ist, oder Sie sind ein anerkanntes Ekel, dem man ungern widerspricht.

 

"Ich sage jetzt mal nichts mehr..." oder "...wenn Du meinst..!?" oder "mit Dir kann man sich nicht vernünftig über so etwas unterhalten..." oder gar "früher habe ich auch so gedacht..." sind die Begleitkommentare, die einem als Graukopf widerfahren. Flugs geht man zurück - oft bis in die Kindheit - und forscht nach, wann der heutige Weißkopf eigentlich noch beweglich war. 

 

Die zunehmende geistige Starre und die Flucht der Weißköpfe in ihren Erfahrungsschatz wird oft zur bedrückenden Alltagssituation. Viele Lebenserfahrungen sind heute einfach nicht mehr zu gebrauchen, weil sich inzwischen zu viele Gegebenheiten änderten. 

 

Das Recht ist leider nicht selten auch ein Produkt des aktuellen Zeitgeistes, den man als Graukopf zunehmend und als Weißkopf generell ablehnt. 

Es lebe die eigene Messlatte!

 

Autorität im Alter

 

Im Alter wird es für viele Menschen immer schwerer, gegenüber den nächsten Mitmenschen die Autorität zu halten, die einem stets entgegengebracht wurde. Immer öfter wird daher versucht, Autorität auszuüben und mit Geschenken für Wohlverhalten zu  kombinieren nach dem Motto "Gibst Du mir Recht, dann zeige ich mich auch erkenntlich".

 

Das geht natürlich mit Demütigungen oder Frust einher, wenn man dem geliebten Weißkopf gern auf einer partnerschaftlich gerechten Ebene begegnen möchte, dies aber immer öfter mit bedrückenden unakzeptablen Ritualen verhindert wird. Schnell gleitet das Verhältnis auf eine Ebene ab, auf der man sich nicht mehr ebenbürtig begegnet. Man könnte es als eingeforderten Altersbonus bezeichnen. Recht zu bekommen, obwohl man längst nicht mehr im Recht ist, kann nicht der Normalfall werden!

Der Weißkopf drückt sich selbst den Stempel des Altersstarrsinns auf.

 

Die richtige Einstellung

 

Die "Graukopf"-Phase ist wahrscheinlich die Phase, in der der alternde Mensch die größtmöglichste Toleranz benötigt, denn er wird  zwischen den "Jungen" und den "Weißköpfen" gefordert und oftmals sogar aufgerieben. 

 

Es ist deshalb wichtig, dass man sich als Graukopf vermehrt darauf einstellt, "das Recht haben und Recht zu bekommen" richtig einzuordnen. In die eine Richtung gehend ist es zwar ein empfundener Verlust an Akzeptanz, in die andere Richtung gehend ein zweckmäßiges Verhalten, wenn man keine Chance mehr sieht, dass sich die einstige geistige Beweglichkeit und Toleranz des Gegenübers wieder einstellt, auf der die frühere Autorität fußte. 

 

Damit ist allerdings nicht gesagt, dass beide Situationen auch austauschbar sein können.

 

 

 

 

 

Augenhöhe oder Knechtschaft

 

Nicht viele Menschen haben das Glück, zusammen mit ihrem Partner  ein gesegnetes Alter zu erreichen. Allzu oft genießen die Männer nur wenige Jahre ihres Ruhestandes und werden viel zu früh abgerufen. Statistisch gesehen ist die Lebenserwartung der Frauen 7 bis 8 Jahre länger als die der Männer, wenn sie überhaupt das 70. Lebensjahr überschreiten sollten.

 

Ein besonderes Glück ist es, wenn man bis ins hohe Alter Herr seines Geistes ist und von Demenz verschont bleibt. Auch wenn sich im Lauf der Jahre einige Krankheiten einstellen, die sich bis zu einem gewissen Grad mit Medikamenten ausgleichen lassen, so kann man doch ein recht hohes Alter erreichen. Einige Tugenden, wie die eines geregelten Tagesablaufes, helfen dabei, einen Lebens- rhythmus zu halten, der die geregelte Nahrungsaufnahme, Körperpflegeintervalle, Ordnung , Sauberkeit und Ruhephasen gewährleistet. Wer aus dieser Bahn geworfen wird oder diese freiwillig verlässt, der steuert direkt auf den Pflegefall zu.

 

Auswirkungen von Krankheiten

 

Ich sprach aber von dem Fall, in dem ein Paar bis ins hohe Alter überwiegend noch aus eigener Kraft zurecht kommt und sich täglich neu den Herausforderungen des Alters stellt. Hier ist es umso verwunderlicher, dass die Rollenverteilungen sehr oft mit unverständlichen Unterwerfungsritualen verbunden sind, bei denen man eigentlich nicht mehr davon sprechen kann, dass sich die Partner auf Augenhöhe begegnen. Gerade die gegenseitige Achtung ist aber so wichtig, um gemeinsam relativ stark sein zu können. Der jeweilige Krankheitszustand der Partner spielt dabei aber eine große Rolle.

 

Bei einigen Krankheiten, wie zum Beispiel bei Parkinson, verändert sich das Wesen oft so dramatisch, dass der Partner sehr schnell die Grenzen des Erträglichen erreicht. Auch bei Schmerzpatienten, bei denen normale Schmerzmittel nicht angewandt werden können, ist der gleiche Zustand schnell erreicht. Hier ist unter Partnern aber auch oft der direkte Wettbewerb spürbar, wer denn jetzt "schlechter dran" sei und wer damit automatisch in die Rolle des Fürsorgers schlüpfen muss. 

 

Abhängigkeiten

 

War es bisher der Mann, der sich um die finanziellen Dinge und die Technik im Haus kümmerte, so steht die Frau plötzlich vor echten Problemen. Kann der Mann nicht kochen oder er kennt grundsätzlich nicht die häuslichen Abläufe, dann wird es eng. Der Partner wird fortan "dirigiert" und nicht selten führen längst vergangene Konflikte zu wahren Knechtschaftsorgien, um es dem Partner noch einmal so richtig zu zeigen. Wo eigentlich Augenhöhe und gegenseitige Achtung dringend geboten wäre, wird der Lebensabend jetzt zur Qual. Es kommt gelegentlich vor, dass dadurch die Fürsorge leidet, was mit wüsten Beschimpfungen endet, die natürlich wegen ihrer Ungerechtigkeit grenzenlos demotivieren. Wenn der drangsalierte Teil dann endgültig das Handtuch wirft, dann steht die pflegerische Betreuung oder gar das Seniorenheim im Raum.

 

Generationenübergreifende Entlastung

 

In den Fällen, in denen die gesamte Familie generationenübergreifendes Wohnen und Zusammenleben praktiziert, ist es erforderlich, diesen Erscheinungen rechtzeitig entgegen zu treten und mit zweckmäßiger Unterstützung dort zu helfen, wo eine wirksame Entlastung stattfindet. Aber auch hier lauern Gefahren, die meist von den dominierenden Ehepartnern unter den Senioren ausgehen. Man ist bestimmte Dinge seit vielen Jahren so und nicht anders gewohnt und verlangt nun, dass dies auch exakt so gemacht wird. Menschen mit fortschrittlicheren Methoden und Arbeitsweisen haben hier endlose Diskussionen zu führen oder stellen die Senioren kurzum vor ein Entweder/Oder, um die Diskussionen zu beenden. Es ist kein Geheimnis, dass es  Schwiegertöchter hier besonders schwer haben. Nicht selten endet das in einer Art Knechtschaft.

 

Einsatz der Ersparnisse

 

Hochbetagte Senioren, die ihr ganzes Leben lang kräftig sparten und geerbt haben, verfügen über entsprechende Ersparnisse, die für das Alter angelegt waren. Wer jetzt denkt, die Ersparnisse würden genau für diesen Zweck eingesetzt, der irrt gewaltig. Das Erbe verleitet die betagten Senioren vielmehr dazu, ihre nächsten Angehörigen vorab so zu drangsalieren, als wäre der Nachlass jede nur erdenkliche Mühe wert. Wenn man ihnen dann klar macht, dass man die gleiche Fürsorge auch aufbringt, wenn sie arm wie die Kirchenmäuse wären, dann stellt sich eine gewisse Ratlosigkeit ein. Materielles Denken wird aus der Not heraus geboren, der die Nachkriegsgeneration entwachsen ist. Wer auf das Ersparte der Eltern angewiesen ist, befindet sich ebenfalls in der Knechtschaft. Betagte Senioren, die das genau wissen, züchten förmlich eine dementsprechende Abhängigkeitssituation.

 

Geht man jedoch vom Normalfall aus, dann ist ein generationenübergreifendes Zusammenleben auf Augenhöhe der wünschenswerte Zustand, an dem alle beteiligten Personen unbeschwert nach Kräften arbeiten können.

 

"Augenhöhe" heißt auch "Partnerschaft", die es bis ins hohe Alter sorgsam zu pflegen gilt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Donnerstags im ALDI und im REAL

 

Generationenübergreifendes Wohnen bringt auch rationelle Versorgungsabläufe mit sich. Rationell heißt aber auch, Versorgen in verkehrsarmen Zeiten, damit man in kürzester Zeit versorgt ist. Mit zunehmendem Alter spielt hierbei das Auto eine große Rolle. Mein persönlicher Betreuungssenior fährt doch tatsächlich schon seit 66 Jahren unfallfrei und meint, er sei immer noch "fit wie ein Turnschuh". 

Er vergisst aber dabei, dass seine Turnschuhe auch schon 20 Jahre auf dem Buckel haben. So langsam habe ich ihm ganz behutsam das Autofahren abgewöhnt, denn mit knapp 87 Jahren sollte man seine Autofahrerkarriere nicht unbedingt mit einem Unfall beenden. Also fahre ich im wöchentlichen Wechsel mal mit seinem, mal mit meinem Auto zum Einkaufen.

 

Bis vor wenigen Monaten war der Donnerstagnachmittag so ab 15 Uhr die bevorzugte Einkaufszeit, denn Senioren lieben die Hauptberufszeit und besonders den Donnerstag bei ALDI, weil an diesem Tag das Sonderangebotssortiment wechselt. Umso voller die Märkte sind, desto mehr gibt es zu schauen. Junge knackige Frauen und die eine oder andere attraktive Dame versüßen den tristen Einkaufstag - im Sommer mehr, im Winter weniger. Die Kehrseite ist natürlich die lange Schlange an der Kasse. Das Einkaufen zu diesem Zeitpunkt war für mich eine unmögliche Tortour. Das haben wir deshalb schnell geändert.

 

Nun fahren wir morgens um 10 Uhr und treffen auf angenehme Einkaufsbedingungen, die eigentlich nur durch die Servicekräfte getrübt werden, die die Gänge blockieren. Was soll ich Ihnen sagen - jetzt fällt mir ganz stark auf, dass wir beide um diese Uhrzeit praktisch nur unter Hausfrauen mit Kindern, Arbeitslosen und Rentnern sind. 

 

Das fängt auf dem Parkplatz schon an, wo vor uns ein Weißkopf mit seinem alten Opel in Zeitlupe einbiegt, als handele es sich um einen Schwerlasttransport. Spiegelbeobachtung und Schulterblick gleich Null. Die ganze Fahrbahnbreite nutzend wird spontan gestoppt, weil das Angebot freier Parkplätze so groß ist, dass er sich einfach nicht entscheiden kann. Nun hat er es geschafft, die Fahrertür öffnet sich ebenfalls in Zeitlupe  und ein hochbetagter Knabe wälzt sich heraus, wankt bis zu den Einkaufswagen, um einen der Gefährte als Gehhilfe zu nutzen. Ich frage mich, wie ein solcher Autofahrer in einer kritischen Situation reagiert. Auch im Markt wankt er schwerfällig vor uns her und schnauft wie ein Walross. Jetzt nimmt er auch noch den letzten Hefezopf aus dem Regal, auf den mein Begleiter so scharf war. Das geht eindeutig zu weit! Endlich gelingt ein Überholmanöver.

 

Zunächst werden die Pflichtartikel eingeladen, die auf dem Einkaufszettel stehen. Obwohl sich bei ALDI die Waren täglich bis zu dreimal umschlagen, wird natürlich jedes einzelne Haltbarkeitsdatum überprüft. Erfahrung ist Alles! Warum nur drückt der alte Knabe mit dem Daumen in jeden Camembert, wenn er dann doch Schnittkäse einpackt?

 

Beim Obst und Gemüse beginnt das große Umschichten, denn es ist bekannt, dass das Beste immer ganz unten oder ganz hinten zu finden ist. Abgepackte Trauben müssen geöffnet werden, damit man sie probieren kann. An den Rispen erkennt man, dass bereits viele Kunden die gleiche Packung von ganz unten hervorgeholt, geöffnet und probiert hatten. Salatköpfe prüft man auf ihre Festigkeit und tatsächlich - es findet sich ein Exemplar, das noch nicht mehrfach durchgeknetet aussah. Bananen müssen makellos, fest und hellgelb sein, damit sie zur heimischen Dekoration geeignet sind. Das gilt auch für die Äpfel und die Walnüsse. Wie einfach hat man es da bei den Konserven!

 

Nun noch ein Blick auf die Sonderartikel, die man kaufen würde, wenn man den angeborenen Geiz überwinden könnte. Vielleicht ist es aber auch die Angst vor dem Ehepartner, der für diesen Kauf kein Verständnis haben könnte. Dafür gibt es für kleine Röschen Pluspunkte. Also wird ein Ministräußchen für 1 Euro 90 mitgenommen. Na ja!

 

So verlassen wir gut informiert den ALDI-Markt und wissen zumindest, was wir kaufen würden, wenn wir es kaufen wollten. An der Kasse dominieren wieder die grauen und weißen  Herrschaften, die vorwiegend Kleingeld dabei, aber Schwierigkeiten mit den Augen haben. Für flotte Kassiererinnen ein wahrer Horror! Langsam wird es ätzend und ich könnte den Dicken vor uns würgen.

 

Nachdem wir einen Teil des Bedarfes im Kofferraum versteckt haben, wird der REAL-Markt angesteuert. Hier ergab das Studium der Postwurfinfoblätter, dass einige Artikel nur hier besonders günstig zu kaufen sind. Also rein ins Rentnerparadies! REAL ist für Rentner besonders attraktiv, weil Donnerstags immer etliche Verkostungsstände aufgebaut sind. "Wenn´s nix kost´t - ei da sin mer doch debei!", höre ich es noch vor mir sagen und drehe deshalb schnell ab. 

 

Zuerst geht es zu den Putzmitteln, denn der gute Geist der Seniorenwohnung frönt ganz extrem der Sauberkeit. Wussten Sie eigentlich, dass REAL für jeden noch so absurden Reinigungsfimmel das passende Mittelchen und Gerät vorhält? Mitten unter manisch Putzwütigen decken wir unseren Bedarf, der bereits in wenigen Stunden größte Zufriedenheit erzeugen wird.

 

Dann wieder hinunter zu den Lebensmitteln. Jetzt beginnt die Turnstunde meines Gefährten, denn die günstigen Artikel sind entweder ganz unten oder an besonders schwer zugänglichen Stellen der Regale zu finden. Teuere Normalangebote kann man dagegen bequem weggreifen. Auch wenn es immer nur ein paar Cent sind - die Sache lohnt sich scheinbar so sehr, dass mein Begleiter nicht mehr zu bremsen ist.

 

So langsam wird es allerdings albern, denn er zählt jetzt auf den Salzstangen zweier Produkte die Salzkörner und begutachtet ihre Größe. Immerhin geht es bei der Größenordnung von 35 Cent um 5 Cent! Dann noch zu den Regalen, wo das zu finden ist, was man gern essen würde, was der Partner aber nicht mag. Nachdem genügend Wasser im Mund zusammengelaufen ist, geht es weiter zum Fisch. Bückling oder Makrele? Inzwischen habe ich ihn aus den Augen verloren, weil ihm das Backpulver einfiel. Nachdem ich zweimal alle Gänge durchforstet hatte, fand ich ihn bei der Schokolade. Halbbitter oder Zartbitter? 150 oder 200 Gramm? Ei, ei ei, auch noch fünf Marken! Der Kakaoanteil muss entscheiden. Endlich - die Entscheidung naht: "Wir gehen noch einmal zum WALMART!"

 

An der Kasse gemischtes Weiß- und Graukopftreffen und eine Kassiererin unattraktiver als die Andere. Das fette Ungetüm an Kasse 7 übt gerade das Zeitlupen-Scannern und guckt aus der Wäsche wie die personifizierte Langeweile. Nur an Kasse 3 - da ist die solargetrocknete attraktive Italienerin mit den hochgesteckten Haaren. Alle Weißkopfadler ohne weibliche Begleitung stehen an Kasse 3 und stellen sich beim Bezahlen bewusst lahm an, nur um die Kassiererin zu genießen.

 

Endlich sind wir dran. Payback-Karte,  Sonderbons und das berühmte Kleingeld - eine endlose Prozedur! Nach dem Bezahlen ein Schreck: Die Solargetrocknete hat die Payback-Karte vergessen! Freundliches Augenklimpern, mein Begleiter zerfließt wie Schokolade in der Sonne und nimmt entzückt den Hinweis entgegen, dass das an der Information nachgebucht werden könne.

 

An der Information eine Menschenschlange und eine Angestellte, die ohne Schwierigkeiten zur "Miss Missmut" gekürt worden wäre, wenn es einen entsprechenden Wettbewerb gegeben hätte. Aber es geht um 19 Euro 23, die unbedingt auf die Payback- Karte müssen. Endlich geschafft! Wir schieben den Wagen, dessen eine Rolle unaufhörlich hin und her schlackert, hinaus auf den Parkplatz und sortieren das Gekaufte nach einem besonderen System in eine Box und in vier verschiedene Leinenbeutel - auch das ist geschafft!

 

Nächstes Ziel: WALMART - der Laden, der den Durchbruch bei der Zartbitter-Schokolade bringen soll. Gleiche Prozedur, gleiches Publikum, gleiche Schokolade - aber ein Volltreffer! Glückseligkeit wie beim erfolgreichen Ostereiersuchen stellt sich ein und wir steuern mit unserem Artikel die Kasse an. Hübsch, freundlich - die Kassiererin - schade, dass wir nur eine Tafel Schokolade haben. Jetzt fange ich auch schon so an!  Nächste Station ist der Bäcker, aber da geht es ruck zuck.

 

Geschlagene 2 1/2 Stunden dauert das jede Woche, was man in einer Dreiviertelstunde erledigen könnte. Es ist aber der einzige Tag, an dem mein betagter Begleiter "Ausgang" hat und er freut sich jetzt schon wieder auf den nächsten Donnerstag und ganz besonders auf den Sommer, wenn die Mode noch ähnlich sein sollte, wie in diesem Jahr, denn dann macht das Einkaufen so richtig Spaß!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Jammertal

 

Sozial- und Pflegeberufe, Pfarrer und andere sozial engagierte Menschen können ein Lied vom Jammertal singen, in das sie sich  täglich begeben müssen. Aber auch Verwandte, Bekannte, Hausbewohner etc. haben immer wieder engen Kontakt mit besonders schmerzsensiblen und wehleidigen Senioren, die für ihren Zustand stets nur Maximalformulierungen benutzen, um die Schwere ihres Zustands eindrucksvoll zu vermitteln. Die direkten betreuenden Angehörigen bekommen allerdings ständig die gesamte Ladung ab und der direkte Lebenspartner kann dem Dauerbeschuss praktisch nicht entgehen.

 

In ein solches Jammertal tauchten viele Angehörige mehrmals am Tag ein, um sich ihre Lektion abzuholen. Ihre Laune sinkt dann sofort auf Null, als wären sie einem unangenehmen Dauerton ausgesetzt, den man nicht abschalten kann. Sie finden einfach kein adäquates Mittel dagegen und beobachten auf diesem Gebiet sehr aufmerksam geschulte Menschen, um von ihren Verhaltensweisen zu lernen. 

 

Da ist zunächst der Pfarrer, der sich nur einmal im Jahr sehen lässt und dann natürlich mit stoischer Ruhe der Jammerarie bis zur ersten erkennbaren Wiederholung folgt. Dann rufen angeblich andere Verpflichtungen. Ein paar Worte des Trostes und ein freundlicher, verständnisvoller Blick, den man vermutlich  im zweiten Semester Theologie lernt, runden die Jammerentsorgung ab und er ist wieder verschwunden. Das interessante daran ist, dass es mal wieder geholfen hat. Verrückt!

 

Die Krankengymnastin - ein erstaunliches Energiebündel mit einer unbeschreiblich vitalisierenden Art - lässt erst gar kein Jammern aufkommen und vermittelt schon nach wenigen Minuten, was im Vergleich mit anderen Senioren noch wesentlich besser geht und dass man sich darüber freuen sollte. Unter ihrer Anleitung sind Körperbewegungen und Körperhaltungen möglich, die man schon gar nicht mehr vom Weißköpfchen kennt. Es wird gelacht, gescherzt, sich angestrengt und sich gemeinsam über Fortschritte gefreut - bis die Krankengymnastin wieder weg ist. Sofort setzt wieder das Jammern darüber ein, wie sehr sie herangenommen wurde und wie "fertig" sie nun sei. Das ist zwar jedem klar, aber das erfahren nur die Angehörigen. Es ist zum guten Teil eine mentale Sache, die für die kurzzeitige Herauslösung aus dem Jammertal verantwortlich ist und ebenso schnell wieder dorthin zurück führt.

 

Eine besonders perfide Variante ist die, den Lebenspartner pausenlos lamentierend ins vermeintliche Unrecht zu setzen. Man weiß, dass man bestimmte Gegenstände in bestimmten Situationen nicht mehr zuverlässig festhalten kann. Über Kopf ist das besonders häufig der Fall. Anstelle den Lebenspartner rechtzeitig zu bitten, den Gegenstand heranzureichen, wird just in dem Moment, in dem er sich am entferntesten Punkt der Wohnung befindet, ein Schrank geöffnet, der Gegenstand bewegt und um Hilfe gerufen, weil er abzustürzen droht. Das wäre ja noch verständlich, jedoch nicht die besagte perfide Variante, in der nach dem Hilferuf ungefähr folgender Wortlaut abläuft: "Jetzt helfe mir doch! Du siehst doch, dass ich das nicht kann! Auf meine Krankheit und meine Schmerzen nimmst Du überhaupt keine Rücksicht. Du lässt mich hier einfach mit meinen Problemen allein!"

 

Entschuldigungen und Erklärungen helfen nicht - man war mal wieder nicht aufmerksam, ja grausam und rücksichtslos, weil man nicht erahnen konnte, welcher Geistesblitz ins Weißköpfchen gefahren war. Man ist wieder mal ins Unrecht gesetzt und das Ungerechte wird dann auch noch als Folge der Krankheiten und der Schmerzen erklärt. Wenn man sowieso ständig alle Arbeiten übernimmt, die das schmerzgeplagte Weißköpfchen nicht mehr machen kann und nie ein Wort des Dankes zu hören bekommt, ist dieses permanent angewandte Verhalten bald unerträglich. Weißköpfchen ist allerdings oft umso besser gelaunt, umso mehr die Laune beim Lebenspartner absackt.

 

Eine Phänomen ist in meinen Augen allerdings, dass die Worte "danke" und "bitte" völlig abhanden kamen. Jede Anweisung erfolgt in schroffer und grob fordernder Form und wird sofort mit einem Ausdruck zur Unterstreichung der vermeintlichen  Dringlichkeit kombiniert. Stellt sich die geforderte Hilfe nicht sofort ein, dann werden völlig unangebracht Schimpfworte angewandt, die Weißköpfchen früher nie über die Lippen gebracht hätte. Hilfe, hier und sofort, das ist die einzig akzeptierte Reaktion.

 

Wird das versagt, dann entscheidet es sich innerhalb von Sekunden, ob eine gigantische Heul- und Flennarie oder ein gewaltiger Zornesausbruch zu erwarten ist. Man wird unweigerlich an das trotzige Verhalten eines Kleinkindes erinnert, dem man gerade das Lieblingsspielzeug wegnahm. Danach folgt die totale Erschöpfung und die Simulation kritischer Zustände, bis sich die erwartete Fürsorge einstellt und eine eigentlich längst fällige Entschuldigung in weite Ferne rückt - dorthin, wo sich "danke" und "bitte" schon seit langer Zeit befinden.

 

Eine besonders fürchterliche Waffe ist der Liebesentzug. Sie kommt bei besonders schwerer Missachtung der Jammertal-Rituale zum Zug. Nach dem Motto: "Keiner versteht mich, ich will nicht mehr leben, am Liebsten wäre ich tot, dann seht ihr erst, was ich euch bedeutet habe... etc." Wahrscheinlich stellen sich dabei Trauervisionen ein, die Weißköpfchen auf sich wirken lässt, um sich immer tiefer in einen Zustand zu versetzen, in dem die eine oder andere der vielen täglichen Tabletten endlich ihre Berechtigung bekommt. Die leicht hysterische Posse ist jäh zuende, wenn sich abzeichnet, dass man ihrem Willen folgt und "alles wieder gut" ist. Das Spiel beginnt erneut.

 

Versucht man, in bestimmten Situationen Gespräche mit Reizthemen zu beginnen, in denen der infolge natürlicher körperlicher Überforderung sich einstellende Schmerz richtiggehend zelebriert wird, kann man Überraschungen erleben. Aus hängenden Augenlidern und einer Sprechweise, die eine Gesichtslähmung vortäuschen soll, werden plötzlich wieder funkelnde Augen und die Mimik lebhaft wie immer, sobald solche Themen angesprochen werden. Erkennt Weißköpfchen die Absicht, dann wird es gefährlich und Wutausbrüche sind an der Tagesordnung. Was als kurzzeitige Ausstiegshilfe aus dem Jammertal gedacht war, verkehrt sich ins Gegenteil.

 

Noch gibt es kein wirksames Mittel gegen die Jammerorgien. Eine ganze Reihe von betagten Menschen, die ähnliche oder schlimmere Schmerzen und Gebrechen ertragen müssen, meistern das in einer geduldigen Weise. Sicher ist es deren  Rücksichtnahme auf die Angehörigen. Es ist aber auch die Kunst, sich in das Unvermeidliche zu fügen und sich mit nicht mehr umkehrbaren Dingen bestmöglich zu arrangieren. Ob der Verzicht auf die Fähigkeit, den Schmerz aller Welt mitzuteilen - ja, auf sie übertragen zu wollen - eine Lebensqualität oder nur eine extreme Rücksichtnahme darstellt, sei dahingestellt. 

 

Welche Verhaltensweise zum Zug kommt, ist sicher in der frühesten Kindheit begründet, denn der Mensch scheint im Alter auf verschieden Weise wieder in die Kindheit zurück zu flüchten - zumindest in den Teil der Kindheit, in der die Welt noch in Ordnung war. Dem entrissen zu sein, wird womöglich als Hauptschmerz empfunden.

 

 

 

 

 

 

Die Welt der Urteile, Vorurteile und der Behauptungen

 

Es gibt im Leben Dinge, die so sind, wie sie sind. Auch wenn wir sie nur in Teilbildern in Erinnerung haben, so ergeben sie richtig zusammengesetzt das realistische Gesamtbild. Die Häuser am Main, der Kirchturm, der Fluss und die Mainfähre ergeben die bekannte Flussansicht von Dörnigheim. So ist das nun einmal!

 

In Gesprächen mit Weißköpfen erleben die Grauköpfe oft, dass sich ein Bild von einer Person oder einer Sache bereits nach der Erörterung einiger Bruchstücke zu einem endgültigen Bild zusammenfügt. Sagt man "Wald", so ist das ein Tannenwald, auch wenn man einen Birkenhain meinte. Aus "Auto" wird je nach Person Mercedes oder VW, aus "Eheproblemen" wird "Fremdgehen", aus "Ratenkauf" werden "Schulden wie ein Stabsoffizier", aus einem "fröhlichen Abend" wird ein "Saufgelage" und "chinesisches Essen" wird zum "ekligen Fraß" und das "sei typisch für XY, weil dessen Frau ja auch nicht kochen könne".

 

Die Lebenserfahrung - nein, die Erfahrungen eines bestimmten Lebens und Lebensstils entwickelt feste Bilder, Klischees, denen im Laufe des Lebens bestimmte Worte und Begriffe zugeordnet werden. Fällt nun so ein Wort, schwups - ist das Bild da und reiht sich in die Kette ein. So entstehen aus Bildern Geschichten, angewandte Vorurteile und Urteile, die nur wenig mit der Realität zu tun haben. Das Ende der wahren Begebenheit wird auch gar nicht mehr wahrgenommen, weil ja das Bild im Kopf bereits fertig ist.

 

 

Wie das funktioniert, kann man an der obigen Strichmännchen-Geschichte sehr gut nachvollziehen. Wie auch immer die Geschichte gelaufen sein mag, zum Schluss wird einer im Stich gelassen oder ist gar tot. Die Geschichte kann durch ausschmückende Worte jede nur erdenkliche Wendung nehmen. Das Weglassen eines Bildes lässt schon wieder neue Varianten zu.

 

Entscheidend ist, welche Worte wir benutzen und wie kurz wir uns fassen. Schmückt man die Geschichte sehr umfangreich aus, dann kann vielleicht ein korrigiertes Bild entstehen. Da uns das entweder nicht liegt oder wir uns schnell wieder anderen Dingen zuwenden wollen, fassen wir uns so kurz, wie wir es vom Berufsleben her gewohnt sind und sind der festen Annahme, eine klare Sicht erzeugt zu haben. Bekommt man aber mit, wie dann der gleiche Sachverhalt weitererzählt wird, dann erkennt man viele unstimmige Bilder, die wir erzeugten und stehen sehr oft vor einem Scherbenhaufen, weil eine Information weitergegeben wurde, die wirklich stimmt: Wir hätten das gesagt! 

 

Inzwischen stelle ich mir das Gehirn eines Weißkopfes wie einen Panzerschrank mit vielen Schubladen vor, in denen sich unzählige Bilder befinden. Neue Bilder kommen ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr hinzu, uralte Bilder wurden jedoch nie gelöscht. So werden die vorhandenen Bilder zu Lieblingsbildern, somit immer häufiger als Stereotype herangezogen und damit sogar eine starke Anhäufung solcher Sachen konstatiert - ein neues Stereotyp ist geboren. Der ganze Bildersalat wird als Lebenserfahrung getarnt und ist damit nahezu unantastbar.

 

Die Bilder steuern auch die Handlungsweisen und die Urteile. So entstehen zum Beispiel folgende Ketten:

  • Langsamer Gang - Suchen - mehrfach umdrehen - Mann - unrasiert - Mütze ins Gesicht gezogen, Tasche = DIEB

  • Dunkle Wolken - Fenster geputzt - Wind - Mann mit Regenschirm gesehen = ROLLLADEN RUNTER !

  • Wichtige Familienfeier - später Nachmittag - alle da - nur der Pfarrer noch nicht - es klingelt = Es muss der Pfarrer sein!

  • Samstagvormittag - es klingelt - unten stehen zwei Personen mit einer Druckschrift in der Hand = ZEUGEN JEHOVAS

  • Gegenstand fehlt - alles durchsucht - nichts gefunden - kürzlich umgezogen - Umzugsarbeiter aus Polen = GESTOHLEN

  • Über 50 Jahre unfallfrei gefahren - eigenes Auto sehr gepflegt - Parkplatzschaden - gegnerisches Auto ungepflegt - Schaden höher als man selbst optisch feststellt - Gegner wird sehr verbindlich = VERSICHERUNGSBETRÜGER

So könnte man die bedrückende Kette endlos weiter führen, ohne jemals nahezu alle Varianten zu erfassen.

 

Wenn Sie also Weiß- oder betagten Grauköpfen begegnen, die Sie entweder von Kopf bis Fuß mustern oder sich bewusst von Ihnen abwenden, dann könnten Sie wieder mal Opfer einer dieser Ketten gewesen sein. 

  • Bleiben Sie höflich und freundlich, dann riskieren Sie, dass Sie jetzt erst recht ein falscher Hund sind, der glaubt, man wüsste nicht, was wirklich sei 

  • oder Sie sind gar unverschämt, weil Sie nicht merken, dass man mit solchen Leuten nichts zu tun haben will.

  • Werden Sie jedoch besonders freundlich empfangen, dann brauchen Sie sich darauf auch nichts einzubilden. Dahinter steht bestimmt auch so ein Missverständnis!

Vielleicht haben Sie aber auch Glück und Sie besitzen dort ihre eigene Schublade, in der nur die ganz Guten liegen.

 

 

 

 

 

Man muss nur den Zusammenhang herstellen

 

 

 

Die Macht des Haushaltsvorstands

 

Viele Grauköpfe stehen kurz vor der Pension ja noch unglaublich stabil in der Mitte des Lebens - pardon - in der Mitte ihres Lebens und der ihrer Ehehälfte. Die Kinder sind schon lange aus dem Haus und lassen sich vielfach nur noch sehen, wenn sie es unbedingt für nötig halten. Im Kreis der Freunde und Bekannten wird eine statusbetonte Lebensweise zelebriert, mit der sich der noch beruflich aktive Graukopf von denjenigen normalen Frührentnern zu unterscheiden versucht, die bereits auf Rentenniveau herumdümpeln.

 

Interessant ist, wie sich die Hierarchien beruflich und privat ähneln! 

 

In der Firma steht Herr Graukopf so seinen Mann, dass er den Tatendrang und die Dynamik der Nachfolgegeneration nicht behindert und dennoch als führender Kopf gilt, wie es auf seinem Firmen-Türschild geschrieben steht. Er ist praktisch immer nahe am Geschehen und bietet seine ganze Erfahrung wie auf einem silbernen Tablett liegend an, damit sie derjenige, der sie braucht, nutzen kann. Dazu kommt es aber seit Jahren immer seltener, denn neue Zeiten schreien nach neuen Erfahrungen. Diese haben die Jüngeren ebenfalls ausreichend gesammelt, weil sie inzwischen ja auch die Hauptlast tragen. Ihm bleibt ein Wirken zwischen Leistungsneutralität und liberalem Führungsstil, denn die Zeiten mit Biss haben ihre Spuren hinterlassen.

 

Im häuslichen Umfeld regiert die Frau des Hauses, führt in seiner Abwesenheit - wie es in einem Fernsehwerbespot so schön heißt - ein kleines erfolgreiches Familienunternehmen. Da einige Unternehmensbereiche bereits ausgegliedert sind, konzentriert sie sich jetzt  mehr auf die Zufriedenheit des Ehemannes, der es ja im Beruf allen noch so eindrucksvoll zeigt, wie er stets behauptet. Hausarbeit hat in der Bewertung ja leider keinen finanziellen Stellenwert, den sie ins Feld führen könnte, so glänzt und beeindruckt sie in ihrem Reich mit Ordnung, Sauberkeit, Sparsamkeit, ist perfekte Köchin und Gastgeberin, Organisationstalent und hat gelegentlich auch noch Zeit und Muße für die ehelichen Pflichten, allerdings mit stark abnehmender Tendenz. 

 

Auch wenn man es nicht glaubt, Herrn Graukopf gelingt es immer wieder, bei Anwesenheit hier kurzzeitig die Führungsrolle zu übernehmen ohne allerdings nur einen Finger zu krumm zu machen. Die Rollen sind verteilt wie in der Firma und die Autorität hat zuhause ähnliche Züge wie im Beruf. Herr Graukopf hat etwas zu sagen und sie lässt ihm den schönen Schein. Wirklich zu gebrauchen ist er im Haushalt allerdings nicht - noch nicht!

 

Dann kam der Moment, indem sich Herr Graukopf zuhause integrieren musste, weil er in den Ruhestand überwechselte. Seit Wochen hat Frau Graukopf schon genaue Vorstellungen davon, wie sich die täglichen 24 Stunden des Zusammenseins so gestalten lassen und ihr ist klar, dass sie ihm den einen oder anderen Zahn ziehen muss, damit alles reibungslos klappt. In ihrem Reich soll er Aufgaben übernehmen, bei der Kraft und Verstand benötigt werden und sein Organisationstalent zum tragen kommt - meinte er. Sie tendiert eher zum Delegieren niederer Arbeiten - jeder eben, wie er es kann. Einkäufe und die Müllentsorgung erscheinen in sich stimmige und geeignete Regelkreise, die er übernehmen könne. Auch soll all das endlich mal repariert und renoviert werden, was in der letzten Zeit so liegen blieb. Ach ja, der Hund muss ja auch dreimal täglich raus und schreit förmlich nach Führung.

 

Herr Graukopf träumt jedoch vom Kochen - als kleiner Paul Combuse (oder wie der hieß) - und hat sich natürlich schon etwas genauer zuhause umgesehen und erkannt, was unbedingt geändert werden müsste, damit auch er sich wohl fühlen und voll entfalten kann. Zunächst müsste unbedingt die Küche anders eingeräumt werden und einige Schrankaufteilungen treffen auch nicht so ganz seine Vorstellungen. Wie man so nur all die Jahre arbeiten konnte...!? Die Vorratshaltung muss ebenfalls optimiert werden und der putztechnische Standard scheint auch nach Optimierung zu schreien. Es gibt sicher viel zu tun, gut wenn man bald damit anfängt.

 

Bei Frau Graukopf macht sich langsam Unsicherheit breit, denn sie fragt sich, warum sie offensichtlich all die Jahre so viel falsch machte. Woher das herrührt? Ganz einfach - ihr Gatte entwickelt sich immer mehr zum Nörgler und Besserwisser. Das nervende daran ist, dass er wirklich glaubt, vieles besser zu wissen. Dabei hat er nur eine andere Sicht. Er erklärt ihr das immer wieder mit der berühmten Betriebsblindheit, die sie inzwischen habe. Er könne das aus eigener Erfahrung beurteilen. Manche Optimierungsideen führen dann auch zum Eklat, bei dem bei beiden Sehnsüchte nach dem alten Zustand wach werden. Doch man muss sich in sein Schicksal fügen und nach vorn schauen.

 

Nachdem die ersten 6 Wochen des Ruhestands herum sind, hört er immer öfter Sätze, die mit "Mer müsste..." (auf Hochdeutsch: "Wir müssten...") beginnen, wobei er klar heraushört, wer der "mer" ("wir") ist und welche Erwartungshaltung dahinter steht. Dem begegnet er generell damit, dass er kurz darauf Jacke und Kappe nimmt und aus dem Haus geht. Er kommt erst wieder zurück, wenn sie ihn auf dem Handy anruft und einen Satz mit "Ich hab schon" ("Ich habe bereits...") beginnt. Doch - lange wird er sich das nicht leisten können, schließlich steht der Winter vor der Tür und es wird dann draußen jämmerlich nass und kalt.

 

Der inzwischen angespannten Erwartungshaltung von Frau Graukopf kann er jetzt nur mit einem - wenn auch überschaubaren -  Renovierungsvorhaben begegnen, um nicht als Faulenzer oder gar als Leistungsverweigerer da zu stehen. Hierbei teilen sich die Funktionen auch wieder in anspruchsvolle und weniger anspruchsvolle, in körperlich schwere und mengenmäßig mühselige Arbeiten auf. Werkzeuge und Maschinen machen sich in Männerhänden anders als Besen, Schrubber und Wischtuch. Planung ist auch seine Sache, der Geschmack und die Farben wiederum eher ihre Domäne. Am Ende siegt die geschlossene Mannschaftsleistung, die er geduscht nach getaner Arbeit beim Lesen der Zeitung empfindet, während Frau Graukopf noch mit dem Aufräumen und Reinigen beschäftigt ist. Hierarchien müssen sein, wie Ordnung und Disziplin. Das machen kultivierte Lebensweisen und Strukturen erst aus.

 

 

 

 

 

Musik der Generationen

 

Nichts verbindet die Menschen einer Generation mehr, als die Musik der jeweiligen Zeit. Für die Freunde klassischer Musik gilt das natürlich nicht, denn die verbindet alle Generationen. Wenden wir uns der Musik der jeweiligen Zeit der Weißköpfe und der Grauköpfe zu, denn über die aktuelle moderne Musik braucht man sich nicht zu unterhalten, weil sie nicht mehr allzu viel mit Musik im ursprünglichen Sinn zu tun hat. Allenfalls die Volksmusik als bedingt generationenübergreifende Droge - also die Welt  von Moik, Silbereisen, Nebel und Co. - ist noch einen kleinen Abstecher wert.

 

 

Wenn Weißköpfe auf Grauköpfe treffen, dann sind die musikalischen Vorlieben schon sehr unterschiedlich, obwohl sie einen sehr großen Teil ihres Lebens miteinander teilten. Woran liegt es nun, wenn Marlene Dietrich, Richard Tauber und Lale Andersen hart auf Elvis Presley, Little Richard und Pink Floyd treffen? Ganz einfach: Es ist oft nur ein gewisses Zeitfenster, das die Vorliebe für die jeweils aktuelle Musik prägt. Mit diesem Zeitfenster sind ganz bestimmte Erinnerungen verbunden, die entweder mit Harmonie, mit Protest oder mit beidem zu tun haben.

 

Die Kriegsgeneration möchte mit ihren Musikvorlieben natürlich in Gedanken die Welt zurück holen, in der sie noch relativ normal und von eigenem jugendlichem Schwung geprägt waren, als sie ihre Lebenspartner kennen lernten, ehe ihnen der Krieg jeglichen Schwung nahm. Während des Krieges verbanden das Radio und die UfA-Filme Front und Heimat gleichermaßen, wodurch die Schlager der damaligen Zeit eine besondere Bedeutung bekamen. Mit "Lili Marlen" und anderen Liedern wurde die Sehnsucht und die Gefühle um Glück und Treue hoch gehalten. Nach dem Krieg setzten die alten Künstler ihre Richtung fort und neuere Interpreten, wie Willi Hagara, Margot Eskens, Paul Kuhn, Catarina Valente, Fred Bertelmann, Hildegard Knef und wie sie all hießen, sorgten für die Schlager der Wirtschaftswunder-Zeit, der Zeit des Aufbaues und der jungen Nachkriegsfamilien.

 

Zu Beginn der 60er Jahre wurde der Einfluss der englischsprachigen Musik immer stärker und Zeit der "Negermusik" begann, wie sie damals von den heutigen Weißköpfen abfällig genannt wurde. Mit Elvis Presley, Jerry Lee Lewis, Fats Domino, den Beatles, den Rolling Stones begann eine ganz andere Zeit, in der die damalige Generation - die heutigen Grauköpfe - Schluss machten mit dem unbedingten Gehorsam sowie dem immer noch spürbaren Gleichschritt der Eltern. Die Studentenunruhen, der Korea- und der Vietnamkrieg und andere Kapitel der damaligen Zeit brachten die Protestsongs nach vorn, die von Joan Baez, Peter, Paul und Mary, Bob Dylan, Pete Seger und vielen anderen Künstlern vorgetragen wurden und die heute noch aktuell sind. Für viele der heutigen Weißköpfe waren das alles schon wegen ihrer englischen Sprache abzulehnende Musikrichtungen, die unterschwellig oder offen als Musik der Siegermächte abgelehnt wurden.

 

Verfolgen Weißköpfe und Grauköpfe heute Musiksendungen des Fernsehens, dann spalten sich sofort die Interessen und ein gemeinsamer Silvesterabend mit Karl Moik kann schon für gewaltige Spannungen sorgen, wenn die anwesenden Grauköpfe nicht gerade auch auf "Dicke-Backen-Musik" und auf alpenländischem Gesülze stehen. Die Jungen beteiligen sich schon gar nicht an der lächerlichen Diskussion und gehen selbstverständlich ihre eigenen Wege.

 

Nun kann man aber auch das Thema von einer anderen Seite betrachten und ergründen, wie Menschen gestrickt sein müssen, wenn sie sich für Florian Silbereisen, die Wildecker Herzbuben oder die Spastelruther Katzen und die ganze österreichische Musikkultur mit ihren seifigen Texten begeistern können. Solche Begeisterungen gab es auch schon für Heintje, Roy Black und Heino. Es scheint ein musikalisches Niemandsland zu geben, in dem diese Art von Musik gedeiht. Hier treffen sich gelegentlich sogar die Weiß- und die Grauköpfe, ohne sich etwas dabei zu denken. Sie liegen dabei sinnbildlich auf dem Harmonie-Sofa und haben vor der Wirklichkeit des Alltags die Füße hoch gelegt.

 

Die jeweils bevorzugte Musik kann aber auch als Puls der jeweiligen Zeit angesehen werden. Die heutige Unterhaltungsmusik ist vorwiegend laut, elektronisch, monoton oder hektisch, schrill, die Texte teils verworren, einfallslos, provokant. Der Rhythmus scheint vor der Melodie zu rangieren. Wen wundert es, wenn junge Menschen verstärkt in der Musik der Grauköpfe nachforschen, wo eigentlich noch wirkliche Musik existierte. So gesehen können die Grauköpfe auf einen gewaltigen musikalischen Fundus zurück blicken und so mancher Interpret der 60er bis 70er Jahre wird heute wiederentdeckt - für die Weißköpfe allerdings gänzlich unverständlich!

 

 

 

 

 

 

Der Entertainer

 

Rudi ist eine Stimmungskanone und seine Späße sind köstlich. Das zumindest meint mehrheitlich die sichtlich ergraute Geburtstagsgesellschaft, in deren Mitte sich gefärbte, getönte und sonst wie verfremdete Damen tummeln. In Würde ergraut sind nur die Männer, denen das angeblich ja auch so gut steht. Einige Grauköpfe entledigen sich bereits zunehmend des Kopfschmuckes, so dass Rudi mit seinem vollen Schopf der absolute King ist. Von solchen Salonlöwen und aufgekratzten Damen halten sich Toupetträger gewöhnlich fern, weil die Damen in höchster Ausgelassenheit gern mal in einen üppigen Schopf greifen und dabei schnurren wie die Katzen. Toupets sind mehr für die gehobene konservative Gastlichkeit gedacht.

 

Wie gesagt, Rudi ist wieder mal in seinem Element, denn er weiß, dass sein Späße-Fundus spitzengereift ist. Seine Erinnerungen gehen bis zu seiner Konfirmation zurück, als diese Witze bereits uralt waren und sein Onkel Kurt schon damit brillierte. Rudi wird dabei von seiner Frau unterstützt, die ihm die Stichworte liefert, denn sie genießt es, dass ihr herzallerliebster  Hosenträger-Träger wieder mal der Hahn im Korb ist. 

 

"Erzähle doch mal den Witz, mit 'die Nummer Eins ist hingefallen'...", Mist, das war ja bereits die Pointe. "Dann halt eben den, wo der blinde den gehörlosen Musiker fragt: 'tanzen sie schon?' und der antwortet: 'warum, spielen wir schon?'... ." Rudi schaut sie verständnisvoll an.

 

Ein Teil Rudis Bewunderer fürchtet beim Lachen bereits schlimmes, denn umso trockener die Witze, umso tränenreicher das Lachen und wie sagt Erna so schön: "ich könnte in die Hose machen vor Lachen...". Und - was Erna sagt, das macht sie gewöhnlich auch.

 

Rudi wird plötzlich unwirsch, denn man ruft die Witze ab wie aus einer Musikbox und es wird ihm langsam klar, dass es sich gerade um einen seiner Revival- Auftritte handelt, die ihm stets in Erinnerung rufen, wie viel Lenze er schon auf dem Buckel hat. 

"Jetzt sei doch kein Spielverderber!", wird er erneut angefeuert, worauf er wieder eine Witz-Salve abfeuert. Irgendwie hat das jetzt etwas von einem Lachsack, wie die üppige Blonde direkt vor ihm reagiert. Oder sieht sie in ihm vielleicht sogar so eine Art Hampelmann, an dessen Kordel man nur zu ziehen braucht, damit er seine Witze macht?

 

Eigentlich könnte Rudi seine Witze ja durchnumerieren, weil er sie stets in der gleichen Reihenfolge erzählt. Das hätte den Vorteil, dass er nur "Witz 14" zu den Lachsäcken zu sagen bräuchte, um die allseits bekannte Wirkung zu erzeugen. Auf diese Art könnte er auch viel mehr Witze erzählen, weil es einfach schneller ginge. Einmal probierte er das ja schon mal im kleinen Kreis aus. Die Sache funktionierte tatsächlich bis zum Witz 23. Als er "Witz 23" - einer der ältesten Klamotten - aufrief, war die Reaktion dementsprechend mager. Nur ein Einzelner schüttelte sich vor Lachen. Als ihn sein Nebenmann darauf aufmerksam machte, dass das doch ein ganz alter Witz sei, meinte der immer noch lachende Angesprochene, er höre ihn heute zum ersten Mal. Seitdem hat diese Story die Bezeichnung "Witz 23A".

 

Rudi nutzt nun einen Vorwand, um die illustre Gruppe zu verlassen, denn er hat nach seinem Empfinden genug Frohsinn versprüht. Er wendet sich einer etwas nachdenklich drein schauenden Dame am Rand der Feier zu, die ihn beobachtet hatte. Diese quittiert  zunächst seine Aufmerksamkeit mit einer allzu überschwänglich formulierten Bewunderung. So hat das Rudi gern - ein aufrichtiges Lob und endlich mal nicht die Gesellschaft eines wandelnden Lachsacks! 

 

Die Dame greift dann aber einen der Witze auf und lässt ihn auf betont distinguierte Art erkennen, dass sie die Pointe nicht ganz verstanden habe. Da es sich um einen der nicht so ganz astreinen Witze handelte und die Dame scheinbar in einer anderen Klasse als unser Rudi spielt, wollte er natürlich der näheren Erläuterung aus dem Weg gehen. Zwei listige Äugelchen in einem blassen Antlitz verfolgten aufmerksam seinen Eiertanz und unser Rudi wurde immer unsicherer. 

 

So killt man Salonlöwen! 

 

Vom Entertainer war nicht mehr viel übrig - nur noch ein kleiner sich schmuddelig fühlender  Witzeerzähler, der einfache Geister zu begeistern versteht. Rudi fühlte sich plötzlich irgendwie nackt und er empfand die blasse Gesprächspartnerin zunehmend unangenehmer.

 

Aus dieser Situation rette ihn seine Frau, indem sie ihn mit einem Vorwand in den alten Kreis der jovialen Lachsäcke zurückholte. Die alte Ausgelassenheit wollte bei Rudi allerdings nicht wieder aufkommen, denn die kühle Intellektuelle hatte ihn total verunsichert. So finden  Entertainer immer mal wieder ihre Grenzen und das ist auch gut so. Das sind übrigens die Situationen, in denen Toupetträger ihre Chance bei reservierten Damen wittern und auch bekommen. 

Hoch lebe die gepflegte, mitunter auch humorvolle Konversation.

 

 

 

 

 

 

In der Weihnachtsbäckerei

 

Bei Graukopfs steht Weihnachten vor der Tür und nebenan bei Weißkopfs riecht es verdächtig nach Weihnachtsgebäck - die Weihnachtsbäckerei ist eröffnet! In diesem Jahr sollen es - wie in den vergangenen 15 Jahren - wirklich die allerletzten Weihnachtsplätzchen zum letzten Tannenbaum und überhaupt zum letzten Weihnachtsfest werden. Wie gut, dass man das selbst nicht so genau weiß!

 

Weißköpfchen hat mal wieder die alten Rezepte herausgekramt und ihr grauköpfiger Sohnemann soll helfen, weil so manches nicht mehr so recht von der Hand gehen will. Dieser hat sich ganz darauf eingestellt, weil die 10 - 12 Lieblingssorten ja auch verdammt gut schmecken.   Gestern war noch nicht an Backen zu denken, denn es ist eben auch gar nicht  so einfach, das gewohnte Tagespensum zu schaffen, weil die alten Knochen nicht mehr so wollen, doch die Weihnachtsbäckerei verleiht wahre Flügel. Ist der Entschluss gefallen, dann gibt es kein Halten mehr. Eine nicht mehr zu bremsende Automatik setzt ein.

 

Stollen - die sollen zuerst gebacken werden, weil sie 10 - 12 Tage liegen müssen, ehe man sie anschneidet. Morgen ist der berühmte Donnerstag, an dem die Einkäufe getätigt werden und die Regale sind schon seit vier Wochen voll mit allen möglichen Backzutaten, als gelte es, eine Apotheke für eine bevorstehende Epidemie aufzurüsten. Die Sucht nach Weihnachtsgebäck und das Erlebnis für Kinder, Plätzchen zu backen, verleiten zu wahren Hamsterkäufen. Vor diesen muss man jedoch warnen, denn alle möglichen Nüsse, Mandeln und bestimmte Backzutaten sind nicht selten mit Eiern von Lebensmittelmotten belastet, die dann in den warmen Sommermonaten über die Reste der weihnachtlichen Backzutaten herfallen, die man ins nächste Jahr hinüberretten wollte und dann die ganze Wohnung heimsuchen. Also - nur so viel einkaufen, wie man auch verarbeitet! Das ist die erste Lektion, die Sohnemann lernen musste.

 

Beim Stollen können Küchenmaschinen zeigen, was sie zu leisten imstande sind, denn der Teig ist schwer und das zerkleinerte Orangeat, das Zitronat, die Rosinen und die Sultaninen müssen sehr gut verteilt sein. Ich will hier aber gar nicht auf die vielen Rezepte eingehen, die in diesem Jahr wieder umgesetzt wurden, sondern auf die Wirkung der ganzen Aktion.

 

Eingangs erwähnte ich schon, dass Mütter mit ihren Kindern - egal, wie alt sie sind - gerne Weihnachtsplätzchen backen, weil damit ein ganz besonderes Gemeinschaftserlebnis verbunden ist. Wenn auch in jungen Jahren noch nicht die vollständigen Rezepte verstanden und behalten werden, so sind es die einzelnen Arbeitsschritte, die vermitteln, welcher Aufwand erforderlich ist, bis man die Ergebnisse naschen kann. Mühe und Lohn liegen hier sehr eng beieinander und werden spielend übernommen. Wer hätte gedacht, dass im Alter Grauköpfe und Weißköpfe erneut zusammenfinden, um wieder gemeinsam das Festtagsgebäck zu kreieren!?

 

Absolut unvermeidlich sind dabei die beiderseitigen positiven Erinnerungen an längst vergangene Zeiten, die mit dieser sehr  traditionellen Handlung vor dem Weihnachtsfest verbunden sind. Das schweißt zusammen und macht gemeinsam stark. Die beinahe therapeutische Wirkung besteht für den älteren Teil in der positiven Erinnerung und der Freude, etwas weitergeben zu können, was damit wieder zumindest eine weitere Generation praktizieren wird. Es ist wie ein Vermächtnis, das später erneut gute Erinnerungen an gute gemeinsame Zeiten wachrufen kann. Die absolute Unkenntnis, ob sich diese Weihnachtsbackstunden wiederholen werden, geben den schönen gemeinsamen Stunden des Backens und des gemeinsamen Genießens eine Dimension, die nicht zu beschreiben ist. So gesehen sind Traditionen aktive Lebenshilfen und ein unverzichtbarer Bestandteil eines guten, erfreuenden Zusammenlebens.

 

 

 

 

 

 

Sex im Alter

 

Das Thema ist eigentlich bei vielen Weißköpfen tabu und bei den Grauköpfen immerhin eine Möglichkeit, sich mit dem Zahn der Zeit auseinander zu setzen, der nun doch so langsam deutlich sicht- und spürbar nagt. Man macht halt so seine Witzchen und bemerkt gar nicht, wie sehr diese Witzchen den Nerv treffen. Vitalität und Manneskraft, Attraktivität und der Wunsch, begehrt zu werden, sind seit so vielen Jahren eine Selbstverständlichkeit, dass es schwer ist, so langsam mal der Wirklichkeit ins Auge zu schauen.

 

Weißkopfs lassen wir jetzt mal außen vor und befassen uns lieber mit den naturbelassenen oder den gefärbten Grauköpfen, deren Libido sich in einem überreifen Zustand befindet. Umso mehr Grauköpfe auf sexuellem Gebiet erlebten, umso lebhafter sind die sie verfolgenden Phantasien. Zu bedauern ist dagegen jeder Brave, der mühsam in seinen Erinnerungen herumkramen muss. Die Erinnerung ersetzt allmählich bedingt Erlaubtes und Verbotenes.

 

Unbefangene und nette Verhaltensweisen der nächstjüngeren Generation werden gelegentlich mit den eigenen Phantasien verwoben und führen nicht selten zu befremdlichen Verhaltensweisen. 

 

Wann - um Himmels willen - ist man denn nun alt?

Man ist doch so alt, wie man sich fühlt!?

 

Das ist auch so eine Lüge, die man lieber nicht bemühen sollte. Ließe man es aber wirklich darauf ankommen, dann ist die Gefahr groß, dass man im Ernstfall ganz miserable Haltungsnoten bekäme, wenn man vergäße, das Licht aus zu machen.

 

Die Sexualität - nach Außen hin manchmal als etwas scheinbar Nebensächliches dargestellt - wird jedoch im Inneren zur lebhaften Phantasiewelt, die von der Erinnerung lebt. Das erinnert halt an das Alter, das man als das Beste im Leben ansah, in dem mancher Höhepunkt allerdings oft auch nur mit sexuellen Phantasien erreicht wurde. Das soll angeblich bei Männern und Frauen gleich sein, es will nur keiner wahr haben. Grauköpfe sind deshalb im Unterbewusstsein immer auf der Suche nach positiven Signalen bei Menschen des anderen Geschlechts, die in einer noch passabel attraktiven Haut stecken, um zumindest zu testen, wie man denn noch so ankommt.

 

Männlichen Grauköpfen passiert es immer wieder, dass sie weiblichen Vertretern der nächstjüngeren Generation begegnen, die einen Vater- oder gar einen Opakomplex haben. Jetzt kommen aber die Signale gewaltig durcheinander und man weiß gelegentlich nicht mehr, wie man sich verhalten soll. Auf der einen Seite ist das gute Gefühl, aus der Masse der bedeutungslosen Grauköpfe herauszustechen. Die Kehrseite ist jedoch das Wissen um die Spuren der Zeit, die von der Kleidung verdeckt werden. Außerdem - man möchte ja um seiner selbst gemocht werden! Was auf der einen Seite gefühlsmäßig gut tut, birgt einen gewaltigen Stachel in sich, den man nicht unbedingt reizen sollte.

 

Nun soll es aber auch ausgesprochen narzisstisch veranlagte Seniorinnen geben, die den Kampf gegen die allmählich schwindende Jugendlichkeit nie aufgeben und die versuchen, ihre ganze weibliche Erfahrung und ihren Wohlstand auszuspielen, um das noch zu erhalten, wovon sie träumen. Sie haben sehr oft eine gute Chance - allerdings nur für kurze Zeit. Jüngere Männer ziehen halt langfristig frisches Fleisch und schnuckelige Delikatessen vor.

 

So ziehen es Grauköpfe beide Geschlechter zunehmend vor, sich in ihre Erinnerungswelt zurück zu ziehen und sich recht wissend zu geben, damit der Anschein entsteht, als hätten sie ein überaus erfülltes Sexualleben gehabt, das entweder von Lust oder von Tugend geprägt war. Man steht nach Außen zunehmend über der Thematik. Wollen und Können verheddern sich nur noch gelegentlich und irgendwann ist man froh, wenn niemand mehr davon spricht. Kurze Zeit später gehört  man dann zu den Weißköpfen, die ich nun nicht unbedingt nach dieser Thematik befragen möchte.

 

 

 

Stillen - bis die Brust schmerzt

 

Grauköpfe haben es mitunter schwer, sich zur richtigen Einstellung gegenüber den Kindern und den Enkeln zu entschließen. Man will einfach nicht loslassen und es scheint unglaublich wichtig zu sein, dass man die Geschicke der schon erwachsenen Kinder nach Kräften lenkt. Das Leben hält ja auch so viele Klippen und Irrwege bereit, so dass ein umfassender Schutz für scheinbar noch unmündige und labile Sprösslinge unbedingt erforderlich ist.

 

Was aber, wenn die Kinder recht hell im Kopf, sexuell erlebensdurstig und allen Genüssen des Lebens gegenüber sehr aufgeschlossen sind? Auch da muss jedes Hindernis aus dem Weg geräumt werden!

 

Ist die Ausbildung gescheitert oder in einer scheinbar nie endenden Phase, dann bietet sich zur Abrundung der Probleme eine Schwangerschaft und gegebenenfalls auch eine Studenten-Ehe an. Kommt die Ehe nach dem ersten Kind in eine kritische Phase, so ist ein zweites Kind die Lösung. Merke: Kinder können Ehen kitten!

 

Mal ehrlich: Welcher Graukopf kann da als Elternteil ruhig zusehen? Da muss man doch einfach helfen. Stillen - bis die Brust schmerzt, so könnte man die meist von den Müttern bzw. den Graukopf-Omas ausgehenden Unterstützungshandlungen umschreiben. Die Väter handeln gegenüber ihren Töchtern allerdings meist ähnlich. Komischerweise werden die Söhne viel öfter ihrem Schicksal überlassen.

 

Wie sieht nun die Hilfe aus, die Grauköpfe bieten, ja förmlich aufschwatzen?

 

Man nimmt sich zunächst erst einmal der Enkel an. Graukopf-Opa hat ja auch unglaublich viel an Wissen und Lebenserfahrung zu bieten. Oft auch die, dass man bei den eigenen Kindern etwas falsch machte und das nun an der nächsten Generation wieder gut machen möchte. Opa war ja auch - als er Vater wurde - noch nicht so erfahren wie heute und hat mächtig dazugelernt.

Das Enkelkind soll natürlich auch all das erreichen, was Opa nicht erreichen konnte. So werden aus Enkeln oft vermeintliche Wunderkinder und deren Entwicklung verläuft zunächst prächtig. Irgendwann merkt man, dass aus den lieben Enkeln kleine, egozentrische Klugscheißerchen wurden, die überall mitreden - nur in der Schule nicht. Dort hat sie inzwischen die Realität eingeholt und sie werden zu Außenseitern.

 

Die Eltern dieser Enkelchen können sich in manchen Fällen zu wahren Parasiten entwickeln, wenn sie ihrer Probleme nicht Herr werden und wenn sie das permanente Entgegenkommen und die Aufopferung der Großeltern gewissenlos ausnutzen. Reißt irgendwann das kräftig überdehnte Band, dann entstehen erst die richtigen Probleme. 

 

Man stellt fest: Die Grauköpfe verhalten sich anders, also sind sie die Übeltäter.

 

Gleiches passiert auch, wenn die ach so unterstützten Traum-Ehen platzen und der Spross mit seinen Nachkömmlingen vor der Tür steht. Dann erkennen die Grauköpfe, was ihre permanente Einmischung und Unterstützung anrichtete. Sie verhinderte, dass sich eine junge Familie selbstverantwortlich so entwickeln konnte, dass sie stabil funktioniert und sich die Enkel relativ normal und altersgerecht entwickeln konnten.

 

Was könnten Grauköpfe als Erfahrung weitergeben, wenn sie einsichtig sind?

 

Sie, liebe Leser, haben es erkannt und ich auch, wahrscheinlich auch viele andere Leser. Die direkt Betroffenen erkennen das gewöhnlich zuletzt. Der Grund dafür ist einfach: Es wird in bestimmten Situationen gestillt, bis die Brust schmerzt!

 

Auf der Strecke bleiben die Enkel, die unter den Folgen leiden und ihre Schlüsse fürs weitere Leben ziehen. Nicht selten endet das beim Kinder-Psychologen oder gar in einer geschlossenen Abteilung. Hauptsache ist, dass jeder Erwachsene so ganz für sich alles richtig gemacht hat, denn man will ja immer nur das Beste!

 

 

 

 

 

Sprösslinge und Enkel sind so furchtbar IN

 

Wussten Sie, dass Grauköpfe und Weißköpfe furchtbar konservativ sein können? Gerade die Enkelkinder können davon ein Lied singen, wenn sie auf der Höhe der zeitgenössischen Mode sein wollen, die nun mal nicht konservativ ist. Wer in der heutigen Welt bestehen will, muss es einfach verstehen, auf sich aufmerksam zu machen. Eine enge Hose, gut präsentierte Brüste oder ein blanker Bauch können durchaus von einem unattraktiven Gesicht ablenken.

 

Das weiß auch Klein-Julchen, die momentan Uromas alte Klamotten auf dem Dachboden hervorkramt und ihr Outfit mit den alten Küchengardinen und den Schuhen kombiniert, die Uroma beim BDM trug. "Grufti-Look" könnte man es nennen. Beinahe hätte sie sich auch noch das etwas blind gewordene Mutterkreuz angesteckt. Das hat Weißköpfchen dann aber doch nicht herausgegeben.

 

Schwesterherz von Klein-Julchen ist in der Entwicklung schon einen Schritt weiter und ihre strammen Oberschenkel zieren weitmaschige schwarze Netzstrümpfe zum kurzen schwarzen und viel zu engen Rock. Die Haare sind ebenfalls schwarz, wie alles schwarz ist, was sie umgibt. Stolz trägt sie ihre diversen Ringelchen in Augenbrauen und im  Nasenflügel zur Schau, die von allerlei Schwächen ablenken sollen. Hauptsache, das Selbstbewusstsein ist stark!

 

Beide noch nicht so ganz Erwachsenen liebäugeln natürlich auch mit kräftigen   Arschgeweihen (grobe, großflächige Tätowierungen über dem Steiß) und anderen dauerhaften, modischen Verunstaltungen des Körpers.

Wer IN sein will, muss schon mitmachen, was alle machen, die meist keine anderen Vorzüge zu bieten haben. Fassungslos und bar jeder Möglichkeit der Einflussnahme verfolgen die irritierten Grauköpfe oder etwas entfernteren Familienangehörigen, was die Sprösslinge  so treiben und fragen sich, wer wann was falsch machte.

 

Dass es sich hierbei um einen Defekt handeln muss, liegt nahe, denn man registriert ja auch viele junge attraktive und intelligente Damen, die mit einem von den trendigen Cliquen sich klar abhebenden Outfit angenehm auffallen. Es ist halt heute schwer erkennbar, was normal ist und was nicht. Umso konservativer das Haus, desto stärker sind in manchen Fällen die Reaktionen darauf.

 

Feststellbar ist bei den Jugendlichen auf der einen Seite eine Markenolympiade, die normalverdienende Eltern nicht durchhalten können und auf der anderen Seite diejenigen, die sich mit kuriosen und auffallenden Garderoben aus dem Secondhand-Bereich maskieren. Daneben gibt es die ALDI-Fraktion, die nur Billigklamotten vom Wühltisch trägt und natürlich die jungen Damen mit wirklichem Geschmack, die genau wissen, was ihnen steht und nicht jeden Modefirlefanz mitmachen. Irgendwo dazwischen entscheidet sich dann, wohin man in diesem Alter gehört - angeblich!?

 

Bestimmt das Tragen der aktuellen Mode wirklich, zu welchem Kreis man gehört?

 

Grauköpfe sollten sich viel mehr Zeit dafür nehmen, ihren Sprösslingen rechtzeitig auf den Zahn zu fühlen, wie selbstbewusst sie wirklich sind und wie spießig das häusliche Umfeld empfunden wird. Dann sollte man sich auch viel stärker dafür interessieren, welche Bedürfnisse als vorrangig empfunden werden. Eine jahrelange gutgemeinte Erziehung nutzt ohne den Feinschliff recht wenig. Der muss sich aber an der jungen Person und nicht an der eigenen Lebensauffassung orientieren.

 

Sind die Sprösslinge erst einmal mangels Feinschliff auf diesem seltsamen Selbstverwirklichungs-Trip angekommen, dann ist es meistens schon zu spät. Stellt sich bei den Grauköpfen dann auch noch eine Abscheu gegen die abartigen Piercings und die als relativ primitiv empfundenen Tattoos ein, dann schwindet schnell die Achtung voreinander und man entfremdet sich. Sollten diese gewollten Auffälligkeiten auch noch mit speziellen Suchtgewohnheiten kombiniert sein, dann hat das In-Sein wahrlich ganze Arbeit geleistet und die Verführer können zufrieden sein, wieder die richtige Klientel erreicht zu haben.

 

Grauköpfe und Weißköpfe können extrem ratlos sein, wenn es keine Verständigung und keinen Rückweg aus der Modefalle gibt. Mancher fragt sich gar, warum man überhaupt Kinder in einem bestimmten Erziehungsrahmen großzieht, wenn es scheinbar fruchtlos war. Vielleicht ist auf der anderen Seite mal wieder alles gar nicht so schlimm, wenn es erst einmal den Begriff "Mode-Invaliden" für die gibt, die mit verunstalteten Gesichtern, Ohren, Zungen, Brustwarzen und wer weiß wo noch überall die Mode zuschlug, herumlaufen. Dann eint sie wieder das gleiche Schicksal.

 

Dumm ist nur, dass man das an den wichtigen Stellen des Lebens immer mit Intelligenz in Verbindung bringt, die man dringend braucht, um erfolgreich bis zur Rente durchzukommen. Hier wäre ein Gespräch mit den Weiß- und den Grauköpfen über deren Erfahrungen durchaus aufschlussreich, wenn es die Borniertheit zuließe.

 

Bis dahin lebe das Selbstbewusstsein!

 

 

 

 

Klimakterium bei Vollmond

 

Es ist wieder soweit - der Morgen graut - oder sollte es besser heißen "dem Morgen graut"? 

 

Wieder ist eine Nacht rum, in der man kaum ein Auge zumachte. Das Bett neben Herrn Graukopf ist leer, nur ein großes, etwas verrutschtes Frotteehandtuch auf dem Bettlaken und ein Schweißtuch auf dem Kissen zeugen von einem kurzen heftigen Schlaf der Angebeteten. Durch die Ritzen des Rollladens scheint ein bleiches Licht - aha - Vollmond. Ist denn schon wieder Vollmond? Wie spät ist es denn? Ein Blick auf die Uhr bestätigt, dass es noch nicht einmal 5 Uhr ist. Was ist eigentlich los? 

 

Sanfter Durchzug signalisiert, dass wieder mal alle Fenster der Wohnung geöffnet oder gekippt sind, obwohl es nachts bereits empfindlich kühl ist. Als Graukopfmann muss man schon kerngesund sein, um mit diesen Verhältnissen fertig zu werden. Der sanfte Durchzug trägt aber auch einen verdächtigen Geruch durch die Wohnung. Kein Zweifel, es riecht nach frischem Apfelkuchen.

Apfelkuchen um 5 Uhr morgens, ein leeres Bett, ein schweißnasses Handtuch, die Wohnung hell erleuchtet und der Vollmond hoch am Himmel - etwas fehlt noch, damit es ist wie sonst. Natürlich- im Bad steht Grauköpfchen, schluckt Hormone und sieht aus, als hätte sie gerade einen Marathonlauf zurückgelegt. Männer und Frauen meines Alters kennen das - Klimakterium und dazu noch Vollmond. Eine kompakte Konstellation!

 

Ist einem die Partnerin bisher nur in manchen Situationen etwas fremd geworden, so häufen sich während der Wechseljahre nicht nur besagte Situationen, sondern auch die damit verbundenen neuen Eindrücke. Als etwas zugempfindlicher Graukopf hat man seine Last, Fenster und Balkontüren so im Auge zu behalten, dass die Herbststürme nicht so heftig durchs Wohnzimmer toben, während mittendrin Grauköpfchen mit einer dünnen Sommerbluse schwitzend und dampfend abstaubt. Irgendwie ist nichts mehr so, wie es mal war. Auch im kommenden Winter wird man wieder die Heizkörper kalt lassen können, Dank der ungebetenen Energiequelle, die Herrn Graukopf umgibt.

Hohe Temperaturen, die erreichen natürlich auch den Kopf und führen zudem zu völlig neuen Verhaltensweisen, die recht nervig sein können. So verdankt der Apfelkuchen, der nachts zwischen Halbdrei und Fünf Uhr entstand, seine Existenz einer seltsamen Unruhe, die nicht zu bezwingen zu sein scheint. 

 

So einen gelungenen Kuchen feiert man vielleicht sogar mit einem Gläschen Sekt, wenn Grauköpfchen um 5 Uhr früh auf dem Balkon bei einer Zigarette den prallen Vollmond bestaunt. Und Grauköpfchen ist mit ihrer Unruhe nicht allein. In der Nachbarschaft sieht man an vielen Stellen Licht in den Fenstern - Fenster, hinter den Frauen ihres Alters leben. Sie schmieden bereits Pläne, wohin sie heute wieder ihre Unruhe treiben wird. Vielleicht zum Shopping oder in den Garten, um - gemessen an der Jahreszeit - viel zu früh zu beginnen, Pflanzen schweißtreibend aus der Erde zu reißen und alle möglichen Sträucher zusammen zu schneiden? Ihr Graukopf soll auf jeden Fall ihr Begleiter sein, auch wenn er heute ganz andere Pläne hat - schließlich ist er ja zuhause und hat Zeit zu haben.

 

Das ist wieder typisch! Immer ist man mit seinen Vorstellungen allein, wie der Tag nutzbringend anzugehen ist. Ein Blick in diese unruhigen Augen zeigt, dass jetzt Weitblick gefragt ist, jene Art von Verständnis, die nur noch süßsauer schmeckt und auf dessen Geschmack man getrost verzichten könnte. Das sind die Momente, in denen auch die eigene Temperatur zu steigen beginnt und in denen man sich dem Partner komischerweise umso näher fühlt, je fremder er einem wird. Vielleicht, weil man die Wechseljahre ebenfalls gemeinsam und erfolgreich bewältigen möchte, wie so vieles zuvor.

 

So ändert man zweckmäßigerweise die eigene Kleidung, um den frostigen Temperaturen zu trotzen, arrangiert sich mit unruhigen Nächten, vertilgt Mitternachtsbackwerke und lässt sich von allerlei Kuriosem bei langsam schwindendem Vollmond überraschen, denn der Tag wird gemeinsam wirklich schön werden, wenn er anders verläuft, wie der Gestrige.

 

 

 

 

Weggabelungen ins Alter

 

Für alle Grauköpfe kommt irgendwann der Moment, an dem man auf wirtschaftlich veränderten Füßen steht. Dieser tritt meistens mit dem Eintritt in die Rente bzw. der Altersbezüge ein. Auf der Sonnenseite stehen hier Berufspolitiker und ehemalige Wahlbeamte, die nicht selten mehr als das 5- bis 10-fache der normalen gesetzlichen Altersrente bekommen. Auch leitende Angestellte von Großkonzernen sind neben ihren Einnahmen aus Vermögenswerten mit guten Pensionen abgesichert. Selbständige können viele Dinge des normalen Lebens über Firmenkosten abrechnen und werden dafür sogar noch vom Fiskus belohnt.

 

Ganz anders sieht es bei den ganz normalen Rentnern aus, die mit maximal 1200 Euro Rente herum kommen müssen. Wenn Miete und Nebenkosten bezahlt sind, verbleiben oft nur 300-500 Euro für den Rest, wovon auch noch wenigstens eine minimalste Absicherung gegen Risiken, die Kleidung, Reparaturen und Ersatzbeschaffungen bestritten werden muss. Wenn man auch noch telefonisch erreichbar sein und an den normalsten bisherigen Dingen festhalten will, dann wird es schon ganz schön eng.

 

Dafür haben die meisten Menschen - wenn es ihr Verdienst zuließ - etwas auf die hohe Kante gelegt. Oft sind es ganz schöne Sümmchen, die man mit Sparsamkeit als Vorsorge zusammentrug - doch die Wirtschaft sowie die Politik sind ständig bemüht, an diese Pfründe heranzukommen. So werden die Renten eingefroren, die Zinseinkünfte immer drastischer besteuert, die Energiekosten lässt man unter staatlicher Aufsicht explodieren, an den Gesundheitskosten dreht der Staat höchstpersönlich und den Immobilienhaien lässt man freie Hand, wenn sie den einstigen Sozialen Wohnungsbau nach Ablauf der Bindungsfristen in Wohneigentum umwandeln oder die Mieter, die jetzt oft schon im Ruhestand sind, dem freien Spiel der Kräfte ausliefern. 

 

Die Folge ist ein Leben an oder unterhalb der Armutsgrenze und der Gang zum Sozialamt, womit ein Leben in Würde endgültig ausgeträumt ist. Was machen aber nun die, die eine kleine Zusatzpension und etwas auf der hohen Kante haben, die dennoch einer ungewissen Zukunft entgegen sehen?

 

Wenn das gesparte Geld wirklich reicht, um Wohneigentum zu erwerben, und wenn man optimistisch und willens ist, dieser Welt noch einige Jahrzehnte zu trotzen, dann sollte man das machen. Es sichert zumindest ein Zuhause, denn mit zunehmendem Alter nagen Umzüge gewaltig an der Psyche und der Gesundheit. Die Nebenkosten wird man aufbringen können. Auch das Zusammenrücken der Generationen kann ein sinnvolles Modell sein, wenn alle Personen dazu bereit sind. Leider ist das in den wenigsten Familien der Fall.

 

Es gibt aber auch Grauköpfe, die infolge gesundheitlicher Einschränkungen einen nicht so optimistischen Lebensnerv haben und deshalb lieber ihre Ersparnisse in einen ansprechenden Lebensstil investieren und auf Reisen gehen. Sie haben sich womöglich bereits darauf eingestellt, ihr Leben in einem Seniorenheim zu beenden, wenn die Ersparnisse aufgebraucht sind. Bis dahin hatten sie wenigstens ein besonders ansprechendes Leben.

 

Die Mehrzahl der Grauköpfe scheint allerdings den Kopf in den Sand zu stecken und irgendwie so weiter zu wursteln wie bisher. Es wird halt immer enger und man glaubt, dass im Alter auch die Bedürfnisse immer mehr sinken werden. Sie werden sich aber irren, denn die Lebenserwartung steigt und in einem Jahrzehnt wird die Rechnung nicht mehr aufgehen. Da auch die Politik darauf noch keine brauchbare Antwort gefunden hat, wird ein Leben unter Sozialhilfe und in Armut die Folge sein.

 

Für die Grauköpfe ist es jetzt schon zu spät, ohne Ersparnisse und eine Zusatzaltersversorgung aus dem Dilemma heraus zu kommen. Die nächstjüngere Generation dürfte es bereits schwer haben, eine angemessene Zusatzversorgung aufzubauen. So bleibt vielen Menschen nur die Hoffnung auf eine bescheidenes Erbe oder einen Lottogewinn.

 

Wo sind wir nur hingekommen, Herr Blüm!?

 

 

 

Mensch und Verein

 

Während der langen Jahre des Schaffens sind Grauköpfe natürlich auch in Vereinen oder zumindest einem Verein engagiert. Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Der gängigste Grund ist der, dass man ein ausgesprochener Vereinsmensch ist, der in der Gemeinschaft bessere Möglichkeiten zur Verwirklichung findet. Zusammen mit mehreren Könnern auf den unterschiedlichsten Gebieten lassen sich beachtliche Leistungen vollbringen, in deren Erfolg man sich dann auch gern sonnt.

 

Ich möchte bei meinen Betrachtungen mal die Menschen außen vor lassen, die in einem Verein nur die angenehmen Seiten genießen und am arbeitsintensiven Teil des Vereinslebens nicht teilnehmen. Sie machen zwar einen großen Anteil aus, sind aber das tote Kapital eines Vereins.

Viele jetzige Grauköpfe blicken auf Vereinsjahre zurück, in denen sie sich äußerst und aus den unterschiedlichsten Gründen engagierten. Sie prägten oft die Zeit, in der sie wirkten. Diejenigen, die auch als Grauköpfe noch das Geschehen bestimmen wollen, sind oft auch diejenigen, die eine Verjüngung der Riege der Macher und Schaffer ver- oder behindern. Sie müssen rechtzeitig erkennen, wann ihre Zeit um ist und die Geschicke in jüngere Hände gelegt werden sollten. Hierbei kann es zu Situationen kommen, in denen Grauköpfe unterstützend tätig werden, um den Übergang zu begleiten, zumal die Jüngeren zunehmend Probleme während der Ausbildung und im Berufsleben bekommen.

 

Das Hauptproblem der Grauköpfe ist dabei, sich mit den Vorstellungen und Ideen der Jüngeren auseinander zu setzen und das auch in die eigenen Überlegungen einzubinden. In vielen Fällen ist Überzeugungsarbeit zu leisten, gerade wenn altbewährte Konzepte infrage gestellt und durch neue ersetzt werden sollen. Grauköpfe möchten natürlich vermeiden, dass alte, längst ausgeräumte Fehler wiederholt oder gar Rückschritte gemacht werden. Aber auch beim Fortschritt gibt es Überlegungen, bei denen Erfahrung hilfreich ist. Dies zu vermitteln und eventuell erfolgreich gestaltend mitzubegleiten, ist mit zunehmendem Alter immer schwieriger.

Wenn man einmal genauer hinsieht, dann begegnet man als Graukopf exakt den gleichen Verhaltensweisen, die man früher vermeintlich erfolgreich gegenüber den damaligen Grauköpfen anwandte. Das Experimentieren gehört einfach dazu und keine Erfahrung ist so gut, wie die, die man selbst macht. Das bedingungslose Hören auf Ratschläge aus einer anderen Zeit wird immer den Zweifel offen lassen, ob es anders nicht doch besser gewesen wäre.

 

Sich permanent diesem Spiel auszusetzen, bedeutet für den Graukopf, vielfach entgegen der eigenen Überzeugung handeln zu müssen, wodurch der Spaß an der Sache verloren geht. Es erfolgt ein Rückzug auf Raten. Viele ehemalig Macher meines Vereins sind inzwischen in den Hintergrund getreten und in den nächsten zwei Jahren werden weitere Ruheständler diesen Schritt vornehmen und ganz genau beobachten, was sich an Veränderungen ergibt. Nur so lebt ein Verein und die Grauköpfe gelten als stille Reserve des Vereins, die nicht selten nochmals zum Einsatz kommt, weil es hier und da doch noch an Erfahrung mangelt.

 

Es gibt aber auch Vereine, in deren Spitze fast nur Grauköpfe, wenn nicht sogar Weißköpfe zu finden sind, die sich auf diese Art ihre Wichtigkeit und ihre Stellung in der Öffentlichkeit erhalten wollen. Sie genießen das Ansehen, das man eigentlich dem Verein entgegen bringt. Entweder sind sie Galionsfiguren des Vereins, dessen Arbeit andere Generationen leisten oder sie stehen einem Verein ohne Zukunft bevor, weil die Jugend keine Chance bekommt. Die Folgen sind gravierend.

 

Als Graukopf gilt es also, das Feld zu räumen, wenn guter Nachwuchs in die Spitze drängt oder sich dafür empfiehlt. Das muss sehr verantwortungsvoll ablaufen und gewährleisten, dass möglichst viel Wissen übergeleitet wird. Die Erfahrung kann zwar auch vermittelt werden, muss sich jedoch auf dem Experimentierfeld bewähren, das unbedingt erforderlich ist, damit sich der Verein weiterentwickelt. Findet nur ein Wachwechsel per Nachahmung ohne eigenes Talent und Können statt, so müssen Andere Teilfunktionen übernehmen, um Substanzverlust zu vermeiden. 

 

Als Graukopf muss man es lernen, in bestimmten Situationen den Mund zu halten und an den entsprechenden Stellen wortlos zu leiden. Wer das nicht kann, der wird schnell als Störenfried empfunden und entsprechend behandelt. Da stellt man sich schon mal die Frage, ob das die ganze Mühe in all den Jahren wert war. Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, entwickelt sich die eigene  Reaktion.

 

 

 

 

Die Glotze

 

Die heutigen Grauköpfe sind praktisch mit dem Fernsehen aufgewachsen. Gerade mal die Kindheit war davon ausgenommen, weil erst das Wirtschaftswunder das Fernsehen in die Wohnzimmer brachte. Als Kinder und als Heranwachsende standen sie noch vor den Schaufenstern der einschlägigen Geschäfte, um interessante Sendungen zu verfolgen. Mit der Zeit wurden die Abende, an denen gelesen oder gemeinsam gespielt wurde, als man ein gutes Buch las oder einfach früh zu Bett ging, vom wortlosen Blick in die Glotze abgelöst.

 

Man trinkt, raucht, knabbert oder schlemmt dann, wenn man über die offene oder die  versteckte Werbung dazu animiert wird und man geht sogar soweit, das man sich in Serien die Belanglosigkeit des Alltagslebens ansieht. Fernseh-Gerichtsverhandlungen und die eine oder andere flache Talkshow vermitteln, dass man immer noch nicht zu den flachen Geistern der Nation gehört, die sich auch noch öffentlich produzieren.

 

Was die Abende gelegentlich noch kommunikativ und lebhaft macht, ist der Kampf um die Fernsteuerung, die meistens der Familienvorstand in Verwahrung hat. Zu groß sind die unterschiedlichen Interessen. Wochentags gehört die Fernsehhoheit tagsüber der Hausfrau. 20 Uhr ist generell der Tagesschau reserviert, wenn man nicht schon um 19 Uhr die Heute-Sendung verfolgte. Danach beißen sich die Interessen - besonders, wenn Sport auf der Tagesordnung steht, was sich mit Carmen Nebel, Rosamunde Pilcher oder einem "Tatort" beißt.

Der Ausweg ist der Zweit- oder Drittfernseher, was natürlich mit einem Raumwechsel verbunden ist. So verbringen viele Ehepaare ihre Abende räumlich getrennt, weil das Fernsehen sie auseinander bringt. Irgendwann trifft man sich im Ehebett wieder.

Seitdem die Grauköpfe als Ehepaar oder in Partnerschaft lebend sich selbst überlassen sind, weil die Kinder aus dem Haus sind, gibt es wenigstens nicht mehr die Fernsehinteressen der jungen Generation, die dazwischenfunkten. Aber auch Eltern der Grauköpfe können das Fernsehleben gewaltig vermiesen, wenn sie partout ihre Lieblingssendungen sehen wollen. Man bugsiert sie dann ganz schnell vor ihre eigenen Glotzen, damit wieder Ruhe ist. So führt das Fernsehen allmählich zur Separierung der Interessen und mancher Graukopf verfolgt wichtige Fußballspiele bei einigen Bierchen sogar lieber in der "Sportsbar".

 

Was George Orwell bereits thematisierte, beherrscht heute die Wohnzimmer. Man kauft, was angepriesen wird, Werbung reduziert sich auf die Vermittlung eines Gefühls ohne überhaupt auf die Qualität der Produkte einzugehen und man erliegt dem Gefühl, dass man das alles ebenfalls haben muss. Fehlt momentan das Geld dazu, dann werden Kredite angeboten, die alle Wünsche erreichbar erscheinen lassen, obwohl der Zustand der knappen Kasse bereits chronisch ist. Auf bestimmten Kanälen werden allerlei Sachen über seichte Überzeugungsdebatten theatralischer Akteure angeboten, denen anschließend 190er-Nummern folgen, die man nur anzuwählen braucht.

 

Zur Informationsflut gehören aber auch die vielen Dokumentarsendungen, die sich mit der Natur, fernen Ländern, der Geschichte in diesen Ländern und allerlei Wissen befassen. Gerade die noch immer nicht bewältigte jüngste Geschichte unseres Volkes ist tagtäglich auf allen möglichen Sendern Gegenstand dokumentarisch aufbereiteter Archivaufnahmen, die man oft so noch nicht sah. Dazwischen zum soundsovielsten Mal der Holocaust, Tod und Zerstörung als gelte es, die Schuldgefühle der Nation und auch der Generationen, die nichts mit dem NS-Regime zu tun hatten, wach zu halten. Fernsehen indoktriniert und seine Macher nutzen das für ihre Zwecke. Mal patriotisch, wie zur Fußball-Weltmeisterschaft, mal nationalistisch, wenn bestimmte Politiker das Wort erhalten und selbst braune Inhalte - alles wird über die Glotze transportiert.

 

Filme, Musiksendungen und sonstige Darbietungen beeinflussen die Mode, den Konsum und unsere Gewohnheiten. In den Werbepausen wird sogar der  Konsum von Arzneimitteln angepriesen, die von der Kontinenz bis zur Gelenkschmerzfreiheit, Befreiung von Schlaf- und Essstörungen, Potenz und faltenfreies Aussehen - ja, sogar die Jugendlichkeit wiederbringen sollen. Alles Lug und Trug und einfältige Grauköpfe mittendrin, die damit eigentlich überfordert sind.

 

Man sollte mal wieder die Glotze abschalten und sich miteinander beschäftigen wie in alten Zeiten. Vielleicht ist ja doch noch nicht alles gesagt, alles erlebt und einige Träume noch nicht tot. Warum bringt nur die Trennungen vom Partner Veränderungen mit sich? Es liegt an einem selbst, wie man die Abende gemeinsam verbringt. Die Glotze unterhält und trennt zugleich, sie verführt, informiert und lullert ein - sie beherrscht vielfach unser Leben. Das merkt man aber erst, wenn die Glotze mal streikt.

 

 

 

 

 

Demographische Depression

 

Weißköpfe und Grauköpfe haben naturgemäß die aktive Schaffensphase hinter sich und können das genießen, was sie sich in all den Jahren erschaffen haben. Hinzu kommen natürlich auch Erbschaften, die man als altersmäßig nächststehende und frohe  Erbschaftsgeneration gern einstreicht, wenn es doch die Vorfahren nicht auszugeben vermochten. Das macht doppelt froh, weil es gegenüber den Nichtwissenden den Eindruck vermittelt, das sei auf dem eigenen Mist gewachsen. Während viele betagte Familienangehörige zu Lebzeiten arge Geizhälse sind, so werden sie später als umso angenehmere Vorfahren empfunden.

Als Graukopf und Erbschaftsanwärter des unverprassten Familienbesitzes konnte man in früheren Jahren auf den ungetrübten Übergang des Besitzes hoffen. Heute giert der Fiskus gewaltig nach Vermögenswerten und schlägt mit seiner allzu unverdienten Erbschaftssteuer zu, als gälte es, auch die Trauer mitzutragen. Raffinierte Regelungen werden noch schnell genutzt, damit man dem Fiskus ein Schnippchen schlagen kann. Das hat aber gefährliche Seiten, denn es ist natürlich eine Unbekannte, wie sich der gesundheitliche Verlauf der geliebten Weißköpfe gestaltet, die man vorzeitig beerbt. Heute sind Pflegeheime der höchsten Pflegestufe so teuer geworden, dass man schnell an das Vermögen der Angehörigen geht, wenn diese vorzeitig in den Genuss des Erbes kamen. So wirken die Gesetze stark auf das Sicherheitsbedürfnis der Weißköpfe ein, die sich natürlich ungern in die Hände ihrer Nachfahren begeben wollen.

 

Quälend ist auch die Frage, in welcher Reihenfolge man von dieser Welt abberufen wird und wie sich dadurch die Erbfolge gestaltet. Schnell könnten Personen begünstigt werden, denen man zu Lebzeiten nur höchst ungern zugetan war. Jeder hat wohl den insgeheimen Wunsch, nicht der Nächste zu sein, der gehen muss - zumal in vielen Fällen der überlebende Teil schon ganz gut weiß, was er mit dem Alleinerbe anfangen würde.

 

Bis es aber soweit ist, leben die Grauköpfe mit den Weißköpfen die bekannten Rituale aus, die immer wieder zeigen, wer gerade Gralshüter des Familienerbes ist. Nach Außen hin verleiht man dem Status einen standesgemäßen Anstrich, indem man einen bestimmten Stil pflegt, obwohl man aber auch nicht zu viel zeigen will.

In der Regel wird dann auch die Schmuckschatulle herausgeholt, um damit die schwindende Schönheit zu kaschieren. Das erinnert oft an buntes Herbstlaub und seltene, noch nicht abgefallene Früchte, die zu gefallen wissen. Wo das eigentliche Niveau der Trägerinnen zu suchen ist, erkennt man dann an den Gesprächsinhalten und der Ausdrucksweise, die  schon zum gewaltigen Kontrast zum zelebrierten Wohlstand werden können. Nichtfamilienangehörigen anderer Wohlstandskreise, denen es gelingt, beides gut zu kombinieren, sagen die ewigen Lästermäuler aus reiner Vergeltungssucht natürlich nach, dass sie vom Pump leben, dessen Früchte sie mit Pomp zelebrieren. Nicht selten sind sie die angesehensten Bürger einer Kleinstadt.

 

Wenn es eines Tages wirklich den offenen Kampf der Jungen gegen die Alten gibt, weil die Jungen das Solidarsystem nicht mehr tragen, aber auch keine erfolgreiche Familienpolitik gestalten wollen, dann werden die Grau- und die Weißköpfe ihre geliebten  Wohlstandsinsignien zu verbergen wissen, um dem offenen Konflikt wirkungsvoll zu begegnen. Es kann dann schnell dazu kommen, dass mehrfach vererbtes Familienvermögen eher ausgegeben wird  als nochmals zu vererben. Vielleicht werden eines Tages nur noch Schulden vererbt. Die Gesellschaft hat es jetzt in der Hand, dem über Jahre geförderten Einzelegoismus entgegen zu treten, damit das gesellschaftliche Gefüge wieder ins Lot kommt und das Zusammenleben zwischen Jung und Alt erträglich wird.

 

Wir sind gerade dabei, uns von der Politik mit der Diskussion "Jung gegen Alt" aufeinander hetzen zu lassen, damit man uns über den Streit in den Familien ums Erbe ungestört  ausplündern kann. Das Sozialsystem richtet sich ebenfalls immer stärker darauf aus, die Vermögen von Senioren ungeniert aufzubrauchen. Dem muss man mit vereinten Kräften entgegen wirken, um die Entwicklung abzufedern, die natürlich auch einen Namen hat: Demographische Depression.

 

 

 

 

 

Abturnender Witwenflirt

 

Haben Sie schon einmal versucht, einer Witwe einen gutgemeinten Flirt anzutragen?

 

Nein? - Dann haben Sie etwas versäumt!

 

Natürlich meine ich nicht einen Flirt im Trauerjahr, sondern danach, auch wenn die Witwen selbst die Länge des Trauerjahres eigenwillig bestimmen können. Manche Männer sind bereits lang vor ihrem Tod gestorben - zumindest für die etwas hibbelige jetzige Witwe, was natürlich die Intensität der Trauer etwas abmildert. Hier kann die Lust wieder übermächtig werden und die erotische Wirkung schwarzer Wäsche wahre Wunder wirken. Und wer schon einmal einen erotischen Moment unter Krokodilstränen mit tröstendem Vorspiel erlebte, wird wissen, was gemeint ist.

 

Nun gibt es aber auch unvergessene Ehemänner, die heute noch als tote Messlatten fungieren - eine Funktion, die sie sich weder ausgesucht noch gewünscht haben. Sie würden heute noch ihre Messlatten mit sich herum tragen, wenn sie noch unter uns wären und das nicht ihre Witwe machen würde, die allerdings immer noch nichts Besseres gefunden hat. Dabei geht von manchen Witwen das deutliche Signal aus, dass sie es noch einmal wagen würden, einen Mann zu verehren - vielleicht sogar noch etwas mehr, wenn er denn in die alte Schablone passen würde.

 

So kommt es hin und wieder zu unheimlich erotischen Momenten, wenn sich die Erfahrung eines Frauenlebens mit dem Interesse eines weltoffenen Mannes kreuzen. Es kann zu heftigen Flirts kommen, bei denen man sogar die vermeintliche Konkurrenz wegbeißt, um im entscheidenden Moment dann plötzlich - von den Qualitäten des Verflossenen zu schwärmen. 

 

Das Erotische an der vermeintlichen Herausforderung verliert sich dann allerdings schnell, wenn alle exemplarisch vorgetragenen eigenen Leistungen von den Fähigkeiten des Unvergessenen übertrumpft werden. 

 

So ganz im Unterbewusstsein erahnt der Flirtpartner, dass er wohl besser seine Hose anlässt, wenn es zum Höhepunkt der dennoch latent spürbaren Partnersuche der immer noch attraktiven Angebeteten kommen sollte. Wer weiß, welcher Vergleich ihn da erwartet... !?

 

Der endgültige Abturner ist allerdings, wenn es heißt, man solle doch mal in dieses oder jenes Kleidungsstück des Verstorbenen schlüpfen, weil man ja fast die gleiche Figur habe. Das gliche dann schon einer Art Wiederauferstehung von den Toten, wenn sich der erhoffte Effekt einstellen würde. Im Schlafanzug, dem Morgenmantel, der noch nagelneuen Unterwäsche und anderen Kleidungsstücken müsste man dann noch ein lustiges "mein Hartmut war noch etwas schlanker" hinnehmen oder gar ein "so gefällst du mir!"

 

Merken Sie, wie es in der Magengrube kitzelt? Keine Frau würde in die vergleichbaren Kleidungsstücke der möglichen Vorgängerin schlüpfen, ihr Parfum aufbrauchen oder gar Restbestände anderer Frauensachen übernehmen, um dem neuen Galan zu gefallen. Wer will schon in die Rolle der lebenden Kopie eines oder einer Verstorbenen schlüpfen?

 

Darum, liebe Witwen und Witwer im besten Graukopfalter, überlegt es Euch gut, ob Ihr wirklich einen neuen Lebenspartner oder eine Partnerin sucht, die eine echte Chance haben, Euer neuer Lebensmittelpunkt zu werden. Wenn das Vergangene nicht zu toppen ist - was ja vorkommen soll - , dann gebt echte Gefühle auf, denn Ihr seid für immer vergeben. Solange Eure Schränke noch voller Erinnerungen in allen Kleidergrößen sind und Ihr Euch mit den Hobby-Reliquien des ehemaligen Partners umgebt, solange seid Ihr nicht wirklich frei.

 

Besser haben es da die Lebenslustigen, die nach vorn blicken. Sie räumen konsequent auf und reduzieren ihr Umfeld auf die eigene Person. Das macht sie wieder attraktiv, weil sie sich schnell wieder neu auf das Leben einstellen. Das verleiht eine späte Frische und sendet attraktive Signale aus. Mancher und Manche findet auch wieder eine alte Liebe, die neu entflammt. Grauköpfe, denen das passiert, erkennt man an ihrem permanenten Strahlen, frischer Bräune und an ihrer lockeren Art.

 

Vergleiche mit der Vergangenheit würden da erheblich stören.

 

 

 

 

 

 

Die Erfahrung des Weltkrieges prägt

 

Wenn Weißköpfe und Grauköpfe mit jüngeren Generationen zusammentreffen, dann kommt sehr oft die Rede auf "alte Zeiten", in denen alles angeblich viel besser war als heute. 

 

Gelobt werden die damalige empfundene Sicherheit, die Ordnung und die Pflege typisch Deutscher Werte. Dabei ist immer wieder eine Distanz zu den hier lebenden Ausländern feststellbar. Manche gehen sogar so weit, dass sie die hier lebenden Ausländer wieder nach Hause schicken würden, weil sie um die typisch Deutschen Lebensformen, Sitten und Gebräuche fürchten. Ihnen waren in jungen Jahren Ausländer nur als Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene geläufig und nach dem Kriegsende waren ihnen die Ausländer als Besatzer und vielfach angeblich sittenverderbende Fremde und später dann als Gastarbeiter begegnet. Ja im Urlaub, da gab es ja auch die Ausländer. Dort gehörten sie aber auch hin und für kurze Zeit war man ja selbst Ausländer. Ein bedrückendes Gefühl - zumindest für die  Weißköpfe.

 

Grauköpfe ohne die direkten Kriegserfahrungen erlebten die westlichen Ausländer vornehmlich als diejenigen, die ihnen zunächst die Freiheit und dann die Demokratie brachten, die ihnen halfen, wieder auf die Füße zu kommen - ja, ihnen sogar einen bescheidenen Wohlstand ermöglichten, bis sie vielfach dann Jahre später ihre Firmen aufkauften und zunehmend und unverhofft ihre Existenz bedrohten. Auf diesem Boden kann ebenfalls nur sehr wenig gedeihen.

 

Auch wenn man das nicht verallgemeinern darf, so spürt man sehr oft, dass die Deutsche Identität der Weißköpfe vielfach noch vom Stolz der durch Übermacht Besiegten geprägt ist, dem man nach dem verlorenen Krieg die Kapitulation aufzwang und beiden Teilen Deutschlands über 40 Jahre lang konträre ideologische Systeme überstülpte, die sich heute auf wundersame Art vereinigen sollen. Wen wundert es deshalb, dass fast alle zusammenlebenden Generationen wegen der so unterschiedlichen jahrelangen politischen und ökonomischen Ausrichtung der Meinung sind, dass es noch Jahrzehnte dauern wird, bis man von einer wirklichen Einheit der Deutschen sprechen kann. Man macht dafür natürlich im Kern den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen verantwortlich, obwohl das zu einfach ist. 

 

Aus diesem Grund ist es gefährlich, über Patriotismus durch emotionalisierte Fußball- oder Handball-WMs und ähnliche Events leichtfertig zu einem Nationalismus hinzuführen, der diese immer noch nicht verheilten nationalen Wunden aufbrechen lassen könnte. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden ebenfalls nationale Gefühle geschürt, die den Weg für die Nazi-Diktatur ebneten.  Offene Gespräche zwischen den Generationen sind deshalb wichtiger denn je.

 

Leider verlaufen manche dieser Gespräche nicht so, wie man sich das wünschen würde, denn viele Weißköpfe fühlen sich sofort persönlich angegriffen, wenn es um die Gräueltaten der Wehrmacht, den Holocaust, die politische Verfolgung Andersdenkender, den sinnlosen Tod und Vertreibung von Millionen von Menschen geht. Sie haben gegen die Vorwürfe des Geschehenlassens eine passende Strategie parat. Für alles ist heute der unfähige Gefreite des ersten Weltkriegs, der linkische Vierteljude und später ausgerastete Machtmensch Adolf Hitler verantwortlich, dem allerdings viele Millionen Menschen zujubelten und in dessen Politik sie den Aufbruch in eine völlig andere Welt sahen - eine Welt, in der Deutschland und Japan eine beherrschende Rolle spielen sollten. In viele Karrieren wurde damals bereits der Endsieg eingeplant.

 

Dass die Vision so gründlich daneben ging, hielt damals zunächst kaum jemand für möglich. Das Schicksal der Juden in Deutschland und in den von Deutschland besetzten Ländern kannte angeblich kein Mensch - allenfalls, dass sie irgendwohin gebracht wurden, wovon sie nicht mehr zurück kamen...!? Das Bild des guten Deutschen soll auf jeden Fall stimmig bleiben.

 

Dass große Gebiete des Deutschen Reiches heute zu Polen, Russland, Tschechien u.s.w. gehören, geht aus vielen Köpfen heute noch nicht heraus und auch ein vereinigtes Europa kann das nicht ändern. Die Landsmannschaften hielten und halten die Erinnerungen und die unterschwellig erhobenen Ansprüche nach wie vor hoch. Tagtäglich finden Gruppenreisen in diese Gebiete statt, bei denen Weiß- und Grauköpfe ihren Nachkommen zeigen, wo einst ihre Wurzeln waren. 

Im Zeitalter des Internets wachsen ständig die Informationsstrukturen über dieses Kapitel der Geschichte. Man braucht nur mit Suchbegriffen wie "Königsberg", "Heiligenbeil", "Frisches Haff" oder "Sudetenland", "Asch" etc. ins Internet zu gehen und man stößt auf die vielen Augenzeugenberichte von Weißköpfen, die das Grauen des Kriegsendes auf erschütternde Weise fest hielten. Weißköpfe, die noch tiefer eintauchen, suchen mit Begriffen, die bedeutende Kriegsschauplätze benennen, um nach dem Schicksal von Menschen zu forschen, die sie verloren haben. Die Chancen, erfolgreich zu sein, stehen manchmal gar nicht so schlecht. 

 

Es wäre falsch zu glauben, nur uns Deutsche würde diese Zeit interessieren. In anderen Ländern ist es die gleiche Suche nach dem "Warum" und nach den Spuren dieser Zeit. Das Fernsehen befasst sich nach dem Öffnen der Archive ebenfalls sehr stark mit der Aufarbeitung der Vergangenheit, was  die generationenübergreifenden Diskussionen in vielen Wohnzimmern anheizt. Dabei stellt die junge Generation oft die simple Frage, ob denn Kriege zu führen das richtige Vorgehen sei, wenn man heute doch friedlich und mühelos an die gleichen Orte Europas gelangen und sich dort sogar problemlos niederlassen kann. Hier endet der Dialog häufig, weil Weißköpfe darauf keine Antwort mehr parat haben. Zu viele Opfer waren absolut sinnlos.

 

Viele Weiß- und Grauköpfe sehen heute in den Kriegen rein wirtschaftliche Beweggründe der Machthabenden und deren Steigbügelhalter, die über die Zerstörung von Infrastrukturen und die systematische Dezimierung der Menschen führt, die man auf lange Sicht nicht mehr ernähren kann. Man fände das womöglich bestätigt, da der nun hier schon sehr lang anhaltende Frieden als Hauptursache für alle wirtschaftlichen Probleme und die Störungen im Generationenvertrag sowie in der Solidargemeinschaft gilt. 

 

Vielleicht haben sie, die sie glaubten, es gäbe nach diesem verheerenden Weltkrieg nie wieder Kriege, besser als die heutige Generation erkannt, dass die Wirtschaftsgewaltigen zusammen mit den Politikern in sehr hohem Maß für Kriege und Krisen verantwortlich sind, ja diese bewusst provozieren. Macht gehört zu ihren primären Interessen. Bringen sie nicht den Tod, dann wenigstens Armut, Hunger und Elend über diejenigen, die ihren Wert als Wirtschaftsfaktor verloren haben.

 

Die heutigen Kriege sind zunehmend börsennotiert. Der Preis dafür kommt dennoch in Leichensäcken zurück, wie eh und je. Die Entscheidungen fallen auf dem gleichen Börsenparkett, auf dem trotz weltweiten Überflusses auf der Welt millionenfach infolge von Hunger, Armut und Krankheit gestorben wird. Auch das erfahren die Senioren, die oft nur mit Glück dem frühen Tod entronnen sind, täglich über die Medien. Manche fragen sich, ob das nicht brutaler ist als das, was sie erleben mussten.

 

Die jetzigen Weißköpfe als Zeugen einer schrecklichen Zeit werden bald nicht mehr unter uns weilen. Dennoch werden sie vielfach bis zum letzten Atemzug die Werte verteidigen, die in der damaligen Zeit hoch im Kurs standen, auch wenn sie im krassen Widerspruch zum Ausgang der Geschichte stehen. Viele bundesdeutsche Politiker bestellen heute wieder das alte Feld, um an diese Werte anzuknüpfen, weil sie wissen, dass sich auf diesem Nährboden gut aufbauen lässt. Man muss nur aufpassen, welche Saat sie anschließend in diesen Boden legen wollen oder werden oder vielleicht schon längst gelegt haben. 

 

So, wie die Werbung heute noch auf den Rezepten von Göbbels zur Massenmobilisierung aufbaut, so befassen sich bestimmte Kreise mit diesen gefährlichen Mitteln der Macht. Oft blicken die erfahrenen Weiß- und Grauköpfe besser durch als die gelangweilte Gegenwartsgeneration und könnten vor den Folgen warnen. Nur - es hört kaum jemand zu.

 

So behalten sie ihre Lebenserfahrung viel zu oft für sich und leben von der Zuversicht, dass ihnen die Wiederholung typisch Deutscher Fehler infolge ihres Alters erspart bleibt. Warum soll in ihren Augen die heutige Generation nicht den gleichen hohen Preis für spätere Lebenserfahrung bezahlen, wenn sie nicht auf ihre Alten hört? Vielleicht erahnen Sie jetzt, was hinter manchem wissenden Blick und beredtem Schweigen steckt... !

 

 

 

 

 

Würde durch Alter oder altern mit Würde

 

Das Leben formt die Menschen auf vielfältig Weise und mit zunehmendem Alter wächst deren Bedeutung - zerbröselt aber genau so schnell, wenn der Zenith überschritten ist. Was sich Grauköpfe einmal an entgegengebrachter Achtung und Wertschätzung erarbeitet haben, zerrinnt zum Teil, wenn sie aus ihrem tätigen Umfeld heraus genommen werden. Absolut zeitlos konserviert bleiben dagegen die in einem weiten Umfeld empfundenen menschlichen Stärken und Schwächen, die mit fachlichen Qualitäten absolut nicht zu tun haben. Sie beeinflussen höchstens die Meinung über das "Wie" und das "Warum" des Geleisteten.

 

Nehmen wir mal das Ende des Berufslebens der Grauköpfe als wichtigen Meilenstein der eigenen Persönlichkeitsempfindung. Hier greift das Bewusstsein, was man leistete und erreichte, aber auch, was einem vom beruflichen Umfeld unterschied. In einer führenden Rolle sieht dieses Gefühl ganz anders aus als nach  einer endlich zuende gegangenen Phase der beruflichen Bedeutungslosigkeit. Während bei beiden Extremen das eigene  Wertempfinden recht klar ist, sind Menschen im unbefriedigten Zwischenstadium geneigt, ihre persönlich erwünschte Bedeutung schön zu färben. Das geschieht außerhalb des früheren Wirkungskreises, der natürlich dafür ungeeignet ist, weil er ja die "Wahrheit" kennt.

 

Also bauen sich manche Grauköpfe flugs eine neue Welt zusammen und besetzen in ihr die erträumte und später sogar empfundene Lieblingsposition. So werden recht spät geheime Berufswünsche und zweite Karrieren wahr. Einer der beliebten Spielplätze ist die Kommunalpolitik, aber auch späte Karrieren in Vereinen und Organisationen sind beliebte Betätigungsfelder.

 

Vielen Grauköpfen wird dabei gar nicht bewusst, dass sie diese neuen Karrieren menschlich gesehen völlig nackt beginnen und  ihr bisheriger Status nahezu keine Rolle spielt. Dennoch bringen sie ihre einst erworbene Würde mehr oder weniger gekonnt ein, auch wenn dem neuen Umfeld dazu völlig der frühere Bezug fehlt. So kann man zum Beispiel die alte beruflich genutzte Garderobe noch einsetzen, die bisher doch immer so wichtig für die eigene Identität war. Oft hat das auch in der neuen Welt eine Bedeutung, wird jedoch vielfach lediglich als Teil des subjektiven Empfindens und eher als leichtes  Stützkorsett verstanden. 

 

Aber auch diese Phase der Neufindung stößt bald an ihre Grenzen, wenn es nicht gelingt, in der neuen Rolle entsprechend authentisch zu wirken. Charakter, Wesen, Funktion und Position müssen zueinander finden und vom Umfeld auch als stimmig empfunden werden. Ansonsten wird man so empfunden, wie man es sich von sich selbst eher nicht wünscht - irgendwie nackt eben...!

 

Bei zu viel hinüber geretteter Würde geht automatisch die Frische verloren und man altert schneller, als es bei Menschen mit anderer Lebenseinstellung der Fall ist. Kürzlich wurde die Frage in den Raum gestellt, was man denn nach all den Verjüngungen in den Vereinen mit den alten oder zumindest älteren Vereinsmitgliedern macht. Die Antwort darauf kam spontan von einer jungen Spitzenkraft des Vereins, die sagte, "Wir brauchen die älteren und erfahrenen Mitglieder für unsere eigene Entwicklung, denn ihre Erfahrung ist äußerst wichtig!"

 

Es ist die Erfahrung und die Bereitschaft, diese auch weiter zu geben, die von den Jungen geschätzt wird. Ob sie allerdings vorhanden ist und auch würdig genug, weiter gegeben zu werden, entscheidet sich einzig durch die registrierte Leistung, Frische und Zukunftsfähigkeit des Graukopfes. Wer nur einen Affenfelsen besetzt hält, hat heute keine Chance mehr, schon gar nicht hinsichtlich Achtung und Würde. Gerade in der Politik gibt es dafür prominente Beispiele.

 

Wer innerlich jung bleiben will, muss dem Wandel und der Veränderung positiv gegenüber stehen und  loslassen können. Leider gibt es in Vereinen immer noch ein falsches Karrieredenken und mancher Erster Vorsitzender würde niemals mehr Zweiter Schriftführer sein wollen. Dabei ist es wichtig, genau diese "Paten"-Rollen zu übernehmen, damit sich die in der Verantwortung befindlichen jüngeren Vereinsmitglieder besser entwickeln können. Hier spielt jedoch die bittere Erfahrung aus dem Berufsleben eine schlimme Rolle, weil eben generell die Älteren von den Jungen verdrängt werden. Ich sage es nochmals: "Man muss rechtzeitig loslassen können!" Dann kann man auch in Würde altern und dennoch im Geist jung bleiben.

 

 

 

 

 

Wenn der Haussegen schief hängt

 

Dicke Luft bei Graukopfs - die Welt gerät mal wieder aus den immer morscher werdenden Angeln. Die Gründe sind vielschichtig und der Auslöser ist es kaum wert, dass man ihn erwähnt. Es hat sich mal wieder einiges aufgestaut, was wie in einem Brutkasten im negativen Sinn prächtig gedieh. Heute muss es raus, denn das Maß ist wieder mal voll!

 

Doch - wie fängt man das an? Es muss unbedingt ein Grund her, ein "Aufhänger", der die Möglichkeit bietet, um - wenn auch auf Unwegen - zum eigentlichen Anliegen zu kommen. Das geht am besten, wenn man irgend eine vermeintlich eindeutige Schuldsituation benutzt um dann mit einer Eskalationsstrategie zum eigentlichen Anliegen zu kommen - diesem spitzengereiften Gefühlskompost, der jetzt raus muss.

 

Wichtig ist das Überraschungsmoment, damit sich die Zielperson nicht vorbereiten kann. Das Immernoch-Familienoberhaupt hat zudem das Problem, die Flanken für die den zweiten Angriff führende Ehehälfte zu sichern. Man wählt generell die Zangentaktik mit den Rollen "enttäuschter Erzieher" und "ratlos resignierende Mutter" und die Einstiegsszene "Scherbenhaufen". Das zeigt immer wieder Wirkung, nur nicht die, die annähernd als angemessen empfunden wird. So dynamisch, wie der Einstiegsvortrag ausfällt, so entwickelt sich die "dicke Luft" und nicht selten kann man am Ende des Prologs einen gewissen dümmlichen Stolz darüber registrieren, dass es jetzt endlich "raus" ist. Graukopf baut sich auf seinem argumentativen Feldherrnhügel auf und Grauköpfchen hofft bereits, dass die folgende Feldschlacht bald zu Ende wäre. "Jetzt rege dich doch nicht so auf - du bekommst ja noch einen Herzinfarkt", ist eine beliebtes Flankenargument, das allerdings bereits etwas auf Schonung abzielt. Ja - was denn nun? Soll fair gestritten werden oder wird das mal wieder eine einseitige Kiste?

Graukopfs Sprössling muss den Einstiegsvorwurf erst noch verkraften, da folgt auch schon der Anschluss-Rundumschlag, denn man will ja zügig zum eigentlichen Anliegen kommen. Argumentativ geht es zu, wie auf einem Schlachtfeld. Alles, was dem Zweck dient, wird aufgefahren und in Position gebracht. Selbst Geschütze mit längst abgelaufener Munition werden aufgefahren, wobei es unerheblich scheint, dass die Munition nur noch leicht qualmt und zu keinem echten Schuss mehr taugt. Das Ziel ist angepeilt. Graukopfs Spross soll zur Erkenntnis verleitet werden, sich knietief im Unrecht zu befinden.

 

Ehe der Gegenangriff erfolgt, rate ich inzwischen jedem derart bedrängten Familienmitglied, erst einmal zu ergründen, ob beim Gegenüber lediglich die Munitions-Rumpelkammer hoch ging und es das eigentlich schon war. Man macht immer wieder den Fehler, die Argumente wirklich ernst zu nehmen und reagiert deshalb darauf absolut unangemessen. Man merkt das leider erst, wenn man die eigenen Argumente bereits platziert hat. Dann geht es auf einmal gar nicht mehr um die Sache, sondern Weißkopf kämpft nur noch um die Autorität gegenüber Weißköpfchen, schließlich ist man ja seit vielen Jahren ihr Held. Das Mutterherz klopft bei Weißköpfchen inzwischen immer stärker, denn die Sache droht zu eskalieren. Man steht Rücken an Rücken und verliert zusehends an Boden.

 

Jetzt ist Weitblick gefragt. Graukopfs sind vom Pulverdampf benebelt und der Blick ist alles andere als frei. Die Autorität - ja die Akzeptanz - steht auf dem Spiel und das passt oft nicht zur Lebensabendstrategie, die man ja auch retten will. Das bedarf aber einer gewissen Einsicht, die sich partout nicht einstellen will. "Ich bin doch nicht verkalkt" und "Mach nur so weiter, dann siehst du, wie weit du kommst", sind gängige Reaktionen auf logische und sachliche Argumente. Weißköpfchen knetet inzwischen verzweifelt ihr drittes Taschentuch, denn Weißkopf liegt in den letzten Argumentationszügen und man fragt sich, wo denn die vielen kleinen Dumdum-Geschosse gelagert waren, die jetzt beim finalen Rundumschlag zum Einsatz kommen.

 

Endlich gibt der Klügere nach. Ich erspare mir die Auflösung, wer denn mal wieder der Klügere war. Auf der Basis beiderseitiger Missverständnisse lässt sich so ein Brand löschen, damit es keine echten Verlierer gibt.

 

An dieser Stelle warne ich Außenstehende dringend davor, sich an solchen Attacken zu beteiligen. In der Regel sind sich die Streithähne und -hennen über kurz oder lang wieder einig und Außenstehende bleiben als Hauptschuldige zurück. Das ist nicht fair aber die gerechte Strafe für die Missachtung von Lebensregeln, die einem durchaus bekannt waren.

 

 

 

 

 

 

Zeitlos stilvoll - nicht jedermanns Sache

 

Möbel spielen im Leben von Weißkopfs eine ganz besondere Rolle. Das merkte man, als sie sich von Möbelstücken trennen mussten. Nun gibt es gute Stücke aus der guten alten Zeit und tolle Stücke zeitloser Art, die in jede Zeit passen.

 

In jungen Jahren wurden die wirklich alten Stücke ausrangiert und gegen moderne Buffets ausgetauscht, die eine verglaste Vitrine in der Mitte hatten. Den dazugehörigen Tischen und Stühlen mit Pettigrohr opferte man die wirklich stabilen und formschönen alten Stühle und natürlich auch die massiven Tische. Bis in die 60er Jahre hinein baute man Möbel noch aus furnierten Tischlerplatten und Massivholz kombiniert und man verwendete einfache, aber sehr zweckmäßige Beschläge. Danach wurde in den mittleren und unteren Preisklassen rigoros auf furnierte Spanplatten und moderne Beschläge umgestellt, die man nachstellen kann, wenn sich die Möbel verziehen.

Da es den heutigen Weißköpfen dann in den 70er Jahren deutlich besser ging und man oftmals auch noch ein Zimmer mehr zur Verfügung hatte, wurden nochmals neue Möbel gekauft.  So verfügen viele Weißköpfe heute über 2 komplette Wohnzimmer, weil man sich von den Nachkriegsmöbeln nicht trennen konnte.

 

Möbelkauf ist keine einfache Sache und man begibt sich oft in die Hände von Verkäufern, die viel reden und die wirkliche Qualität verschweigen. Sie nutzen den Zeitgeist und erforschen beim Kunden dessen Lebensart, um ihnen die dazu passenden Stücke schmackhaft zu machen. Bei betont konservativen Kunden, die sich nur auf Form und Holzoberfläche konzentrieren, vermittelt ausschließlich der Preis mangels Fachkenntnissen das dazugehörige Qualitätsempfinden. Umso höher man den Verkaufspreis ansetzt und umso weniger man dem Käufer preislich entgegen kommt, umso mehr suggeriert der Preis eine gehobene Qualität. Wer wird schon etwas minderwertiges zu einem hohen Preis anbieten!? Wenn man sich da mal nicht täuscht!

 

Beim oben abgebildeten "zeitlos eleganten" Schrank, zu dem es auch nach 25 Jahren noch Zusatzmöbel gibt, zeigte erst der Abbau und der erneute Aufbau, was der Schrank wirklich taugt. Preis und Qualität stehen in keinem "stimmigen" Verhältnis. Die Türelemente sind auf einfachste Weise hergestellt, deren profilierte Holzrahmen aus viel zu weichem Holz und die Türfüllungen einfach geheftet und schlicht verleimt. Senkrecht zwischen den einzelnen Schrankelementen angebrachte Profilleisten täuschen einen  massiven Schrankkörper vor, der jedoch nur aus dünnen Wänden besteht. Solche Möbel verzeihen schon beim ersten Aufbau keinen Fehler, weshalb die einzelnen Schrankkörper oft komplett angeliefert und nur noch verbunden werden.

Soweit zum Schrank.

 

Diesem Schrank stand vor einiger Zeit eine Trennung vom bisherigen Besitzerehepaar bevor, weil deren neue seniorengerechtere Wohnung ein Zimmer weniger hatte. Also konnte nur eines von zwei kompletten Wohnzimmern mitgenommen werden. Besonderer Trennungsschmerz wurde obigem Schrank zuteil, der ja so enorm viel Geld gekostet hatte. Solange die neue Verwendung für das gute Stück nicht klar war, verschlechterte sich die Stimmung der Senioren so sehr, dass der ganze Umzug ins Wanken kam. Personen, denen man den Schrank erfolglos anbot, gerieten vorübergehend in Ungnade.

 

Man wollte den Schrank verkaufen - erfolglos. 

Dann wollte man ihn verschenken - erfolglos. 

 

Die Sache war an Dramatik nicht mehr zu überbieten. Sohnemann Graukopf zermarterte sich das Gehirn, was man mit dem recht großen Teil anfangen könnte. Der Trennungsschmerz wurde beinahe zur unheilbaren Krankheit und Weißkopfs opponierten nun heftig gegen die wirklich antiken Möbel von Sohnemann Graukopf, die man doch gegen das zeitlose Allerweltsstück ersetzen soll. Schließlich habe man das gute Stück immer gut gepflegt. Was nutzt das allerdings, wenn es einfach nicht zur Einrichtung passt?

 

Als  sich so langsam abzeichnete, dass wohl nur noch der Sperrmüll das Problem lösen konnte, spielten sich unglaubliche Szenen um den Schrank ab, so dass man einen dauerhaften Gemütsschaden bei Weißkopfs befürchten musste. Die gesamte Planung des Lebensabends kam ins Wanken und zu den umzugsbedingten Problemen kam nun noch eine schwere Depression hinzu. Sohnemann Graukopf als hilfsbereiter Samariter kam dann schließlich auf die Idee, den Schrank zu teilen und so doch noch bei sich unter zu bringen. Dort stehen sie nun - die beiden Hälften - als wenig geliebte Übergangslösungen herum. Aber der Zustand der Weißkopfs hat sich wieder deutlich gebessert. Auch ist die Anpassung der Weißköpfe an die neue Wohnung nahezu erfolgt und vom Schrank redet dort nun niemand mehr. Dafür nerven Sohnemann die beiden Möbelstücke so sehr, dass sie immer häufiger zum Gesprächsstoff werden.

 

Besonders eine Hälfte des Schrankes stört inzwischen gewaltig und wird wohl über kurz oder lang weichen müssen. Dann steht erneut der Trennungsschmerz bevor, der Weißkopfs nochmals in eine Krise stürzen wird. 

 

Warum nur hängen viele Menschen an Möbelstücken, wenn sie im Grund genommen deren Besitz krank macht? Solange das nicht geklärt ist, sollte man vor jedem Möbelkauf tunlichst darauf achten, was dieser langfristig anrichten kann.

Irgendwann landen alle Möbel, die es nicht wert sind aufgehoben zu werden, im Sperrmüll, wenn sie nicht noch einen guten Brennwert haben.

 

 

 

 

 

Das Problem

 

Scheißfreundliche Trickdiebe

 

Weißkopfs haben Zoff, denn das breite goldene Armband zum 25. Hochzeitstag ist weg und die goldene Uhr, die zwar nicht mehr geht, aber doch so schön aussieht, ist auch weg. Der Hausvorstand hat angeblich kläglich versagt und ist an dem Desaster schuld. Was war geschehen?

 

Herr Weißkopf war unterwegs zur Mülltonne und hatte die Haustür des Mehrparteienhauses geöffnet. Ehe er zur Mülltonne ging, öffnete er den Briefkasten, als plötzlich eine äußerst nette und charmante junge Dame südländischen Typs auftauchte, die ihn freundlich begrüßte und vorgab, jemanden im Haus besuchen  zu wollen. Rassige Gesichtszüge und zwei funkelnde Äugelchen, ein adretter Hosenanzug und eine extravagante große Kappe - zu wem die wohl will...!?

 

Herr Weißkopf geht nun zur Mülltonne und sieht noch im Blickwinkel, wie eine weitere etwas ältere Frau mit Kopftuch ins Haus geht - schließlich steht die Haustür immer noch offen. Arglos geht er wieder ins Haus zurück und wundert sich, dass ihm die nette Junge in seinem Stockwerk nochmals begegnet, die scheinbar immer noch auf dem Weg nach oben war, nun aber wusste, wo Herr Weißkopf wohnt. Nach einigen Minuten schellte es an der Tür und Herr Weißkopf öffnete. 

 

Wieder strahlt ihn die nette junge Südländerin an, erklärte aber gleich mit plötzlich traurigem Blick, dass sie im oberen Stockwerk niemand angetroffen habe. Sie wolle eine Nachricht hinterlassen, habe aber nichts zum Schreiben dabei. Flugs ging Herr Weißkopf bereitwillig in die Küche, um einen Zettel zu holen, worauf ihm die nette Junge folgte und ihn bat, einige Informationen und Telefonnummern aufzuschreiben, weil sie ihre Brille vergessen habe.

 

Frau Weißkopf, die ebenfalls in der Küche saß, sah sich plötzlich einer weiteren Besucherin gegenüber - der Älteren mit dem Kopftuch, die als "meine Mama" vorgestellt wurde.

Diese verwickelte sie sofort in ein Gespräch und hielt dabei in großes Tuch in den Händen, zu dem sie irgendwelche Geschichten erzählte, in Wirklichkeit aber den Blick in den Flur versperren wollte. Inzwischen durchsuchte eine dritte Person die Nebenräume. So schnell der Spuk begann, so schnell war er auch wieder vorbei und die ungebetenen Gäste waren verschwunden.

 

Nun arbeiteten bei Herrn Weißkopf auch die grauen Zellen wieder richtig, denn es kamen ihm berechtigte Zweifel. Auch Frau Weißkopf wurde unruhig und ging in das Zimmer, in dem sie ihren Schmuck wusste. Da sah sie die Bescherung: Die Schubladen einer Kommode standen auf, ein goldenes breites Armband und eine goldene Armbanduhr waren verschwunden.

 

Soweit der Hergang einer neuen persönlichen Lebenserfahrung, die Graukopfs, die bekanntlich nebenan wohnen, natürlich sofort ratsuchend erzählt wurde. Graukopfs griffen sofort zum Telefon und verständigten die Polizei, dem Freund und Helfer, wie man so schön sagt. Obwohl derartige Anzeigen normalerweise auf dem Revier zu stellen sind, trugen sie erfreulicherweise dem Alter der Weißkopfs Rechnung und kamen umgehend ins Haus.

 

Freundlich, verständnisvoll, wie die Beamten in ihren kugelsicheren Westen auftraten, nahmen sie den "Fall" auf, wie er inzwischen zigfach anderenorts abgelaufen war und immer neue Opfer findet. Neben der rein sachlichen Aufnahme der Strafanzeige wurden die Beamten natürlich Opfer der partnerschaftlichen altersbedingten Spannungen der Weißkopfs, die sich mit ihren Schilderungen versuchten zu übertreffen. Wurde es widersprüchlich, dann unterstellte man sich gegenseitig Vergesslichkeit und die gegenseitige Jagd nach den Pointen erinnerte an die Serie der Familie Hesselbach. Was für die Beamten Alltag ist, war natürlich für Weißkopfs die Ungeheuerlichkeit des Tages. Dementsprechend war natürlich auch die emotionale Überhitzung zu spüren.

 

Als die Beamten gegangen waren, war wieder ein Stück Autorität von Herrn Weißkopf infrage gestellt, weil er es nicht vermochte, das Geschehene zu verhindern. Dennoch muss sich jetzt und in den nächsten Wochen jeder Mensch anhören, was ihnen widerfuhr und mit jedem Urteil, dass es sich hierbei doch um einen uralten Trick gehandelt habe, schwindet wieder ein Stück Autorität. Warum passiert das gerade  immer wieder nur dieser Altersklasse?

 

Frau Weißkopf hat die Ursache für das Missgeschick längst erkannt, denn sie weist darauf hin, dass ihr Gatte schon immer leicht zu becircen war, besonders, wenn es sich um junge Damen handelt. Dabei sei alle Vorsicht bei ihm abgeschaltet. Nun muss er in Zukunft eine andere Haltung einnehmen, damit sich ein derartiger Fall nicht wiederholt. Das erwartet sie einfach. Dass sie selbst dabei war, kann an ihrem Urteil nichts ändern. Es sind halt immer wieder die Frauen, die ihr Spiel mit den armen Männern treiben und sie in Schwierigkeiten bringen. Warum gibt es unter ihnen auch immer wieder so sympathische Exemplare, bei denen man jede Vorsicht vergisst!?

 

 

 

 

 

Mit Medikamenten zum (fast) ewigen Leben

 

Der Hausarzt ist der ständige Begleiter der Weißkopfs, denn über 80 lebt man selten noch ganz ohne ärztliche Hilfe und Medikamente. Norbert Blüm sagte einmal in seiner lockeren Art: "Früher sind die Menschen mit 40 fröhlich gestorben - heute jammert sich jeder Schorsch mit Medikamenten bis 80 dorch...!" Das ist lange überholt, denn 90 und 100 Jahre sind heute keine Seltenheit mehr. Die Stadtverwaltung von Maintal besucht neuerdings nur noch Senioren ab dem 90. Lebensjahr. Bis dahin muss ein Formbrief genügen, der wegen seiner kargen Worte dann auch noch in extra großer Schrift abgefasst ist.

 

Unterstellen wir mal dem Bürgermeister, dass er die Schriftgröße - wie übrigens auch ich auf dieser Seite - besonders lesefreundlich gestalten wollte, so werden die Weißkopfs wieder brutal in den Alltag zurückgestoßen, wenn sie die Beipackzettel ihrer Medikamente lesen. Wesentlich kleiner kann die Schrift nicht mehr sein. Das gelingt nur T-Online beim Kleingedruckten ihrer Handy-Verträge.

 

Frau Weißkopf bringt es inzwischen auf 16 Tabletten pro Tag und Herr Weißkopf kommt noch mit 4 täglichen Tabletten aus, damit es überhaupt weiter geht. Er ist übrigens ein richtiger Tablettenmuffel und würde am liebsten gar keine Tabletten nehmen. Aber sein Herzschrittmacher und die Stands zwingen zur Blutverdünnung und der Blutdruck muss auch eingestellt werden. Die restlichen Tabletten erleichtern die eine oder andere Körperfunktion, ohne die man nicht auskommt.

Dafür ist Frau Weißkopf eine wandelnde Chemiebombe und es dürfte für die Ärzte schwer sein, den Medikamentencocktail in seiner Gesamtheit richtig einzuschätzen. Nur eines ist klar gemacht worden - ohne die ganzen Medikamente wäre ein Weiterleben nicht mehr lange möglich. Also wird geschluckt, was das Zeug hält und der örtliche Apotheker hat seine helle Freude an der Kundschaft.

 

Herr Weißkopf ist der Herrscher über die Tabletten und bereitet für die ganze Woche den Tablettenspender vor, streng nach vier Tageszeiten getrennt. Hinzu kommen noch Tropfen und Salben, die zusätzliche Wirkungen erzeugen sollen. Der absolute "Renner" ist VOLTAREN-Schmerzgel, das ein wahres Wundermittel zu sein scheint. Frau Weißkopf hat nämlich bemerkt, dass es nicht nur für die Schmerzbehandlung, sondern auch für trockene Haut und andere wohltuende Wirkungen geeignet ist und sich praktisch am ganzen Körper verschmieren lässt. Dabei sollen angeblich Wirkungen eintreten, die Herr Weißkopf auf dem Beipackzettel seit Jahren vergeblich sucht. Noch nicht einmal bei den Nebenwirkungen ist zu finden, was Frau Weißkopf verspürt. Wie soll die Hauptwirkung einer Salbe eintreten, wenn noch nicht einmal die Nebenwirkungen eintreten, geschweige denn, überhaupt bekannt sind?

 

Der Apotheker meinte, dass die allzu üppige Anwendung der Salbe dazu führen könne, dass die Wirkstoffe ihre Wirkung verlören. Das würde Frau Weißkopf aber nie zugeben und im Bekanntenkreis ging man bereits dazu über, ihr diese Salbe zu schenken, als sei es DOPPELHERZ, das man über 80 auch mal gern verschenkt. Wahrscheinlich ist der Glaube an die Wirkung stärker als die tatsächliche Wirkung, denn Schmerz-Gel muss ja jeden Schmerz lindern. Herr Weißkopf meinte, er sei gespannt, was bei Zahnschmerzen zum Einsatz komme und bezog dafür natürlich einen ordentlichen Rüffel mit anschließender Heularie, weil er angeblich die Schmerzen seiner Angebetenen veralbere.

 

Als Graukopf versuche ich, auf die richtige Einnahme der Medikamente hinzuwirken, vor allen Dingen, dass stets ordentlich viel Flüssigkeit zur Verfügung steht, weil die Medikamente sonst gern fast trocken geschluckt werden und dann ewig im Magen liegen. Dabei ist schon die kleinste Kritik an der Medikamentenvielfalt ein Politikum, denn so manche Tablette halte ich nicht unbedingt für erforderlich. Doch Ärzte und Pharmaindustrie sind da stärker, auch wenn die Folge Beinkrämpfe und Übelkeit sind. Das sind halt die Nebenwirkungen, bei denen man den Arzt oder den Apotheker fragen soll. Bei 16 verschiedenen Tabletten von vier verschiedenen Spezialisten verschrieben blickt halt keiner mehr durch und man muss auf der Hut sein, dass für die Nebenwirkungen nicht noch Tablette 17 und 18 hinzu kommt.

 

Vor etlichen Jahren lernte ich einen Mann kennen, der ähnlich viel Medikamente nahm und der sich todkrank fühlte. Nach einer Kur mit Anwendungen, die wahre Tortouren waren, entschloss er sich, sich zur Ruhe zu setzen. Er kaufte sich ein kleines Grundstück und begann eine kleine Hühnerzucht, verbrachte den Tag mit Gartenarbeit an der frischen Luft und warf alle Tabletten in den Mülleimer. Man prognostizierte ihm, dass er über kurz oder lang an seinen Krankheiten sterben werde. Doch das Gegenteil trat ein. Er blühte auf und nach einem Jahr strotzte er vor Gesundheit. Was soll man davon halten?

 

Wenn ich diese Geschichte Weißköpfchen mit den bescheinigten 100% Behinderung und einem Parkausweis höchster Klasse erzähle, dann wird sie bitterböse und ich bin der grausame Sohn, der keinerlei Verständnis hat. So ist das halt, wenn man ein wenig Hoffnung verbreiten will. Vielleicht sollte man solche Geschichten auch nur zusammen mit einem passenden Medikament verabreichen.

 

Jedenfalls kann man heute mit großer Wahrscheinlichkeit nahe an die 100 Jahre heran kommen und sogar die eigenen Kinder überleben, wenn man seine Medikamente immer ordentlich nimmt und bei jedem Pubs Ärzte konsultiert. Dennoch kommt einem dabei irgendwann eines in die Quere - der natürliche Tod. Dagegen gibt es noch kein Mittel und es ist auch gut so, dass man nicht weiß, wann das der Fall sein wird.

 

Für Alle, die noch ein langes Medikamentenleben vor sich haben, kann die nachfolgende Information wichtig sein, die wieder in Beipackzettel-Schriftgröße verfasst ist, die sich die Weißköpfe ja von ihren treu sorgenden Grauköpfen vorlesen lassen können. Damit geht dann alles noch viel besser... !?

 

Tabletten einnehmen - aber bitte richtig                    

- Der andere Beipackzettel -

 

Viele Menschen, die aufgrund ihrer Krankheit zu Patienten geworden sind, fühlen sich mit der Arznei, die ihnen der Arzt verordnet hat, allein gelassen. Über die Informationen, die ihnen der Arzt zu den Medikamenten gegeben hat, fehlen oft schriftliche Unterlagen.

Mit jeder Stunde nach dem Verlassen der Arztpraxis fällt mehr und mehr von dem, was in der Sprechstunde zur medikamentösen Therapie gefragt und gesagt worden ist, dem Vergessen anheim. Vielleicht wurde auch zu wenig erklärt. Hat der Arzt bei der Erklärung eine eventuelle Schwerhörigkeit oder geistige Verlangsamung oder einfach nur die Angst mit ihren Hemmungen und Blockaden berücksichtigt und sich durch Rückfragen vom Wissensstand des Patienten überzeugt? Doch wie auch immer, nun steht er da, der Patient und möchte ja gesund werden.

 

Wenn er nur wüsste, was der Doktor zu der Einnahme noch alles gesagt hatte. Ihm bleibt da aber noch der Beipackzettel.

  • Doch kann man sich auf das verlassen, was da steht?

  • Bin ich nun allergisch gegen den Stoff X oder Y?

  • Passt das Medikament zu den anderen Medikamenten, die ich auch noch zu nehmen habe?

  • Sollte ich jetzt das Medikament A durch das neue Medikament B ersetzen oder muss ich es zusätzlich einnehmen?

Fragen, die sich beim ehrfürchtigen Lauschen der Worte des Arztes nicht stellten, da waren die Pillen noch nicht so konkret.

 

Merke: Die Angaben in den Beipackzetteln reichen nicht aus. Das sind Standardangaben und ersetzen nicht etwa den Arzt. Individuelle Einnahmevorschriften lassen sich daraus nicht ableiten.

 

Tipp: Machen Sie sich immer kurze Notizen über die "Nebenabreden", die zu den Medikamenten getroffen wurden. Fragen Sie lieber einmal öfter nach. Das erspart oft einen zusätzlichen Arztgang mit Wegezeit und Wartezeit

 

Die Sprache der Beipackzettel wird nicht von allen Menschen gleich gut verstanden. Viele haben den Eindruck, es handele sich dabei nur um eine juristische Absicherung der Pharmafirmen, und weniger um eine echte Gebrauchsanleitung.

 

Beachte: Ohne erklärende Worte des Arztes ist ein Weg durch das Dickicht der ermüdend langen Ausführungen im Beipackzettel nur schwer zu finden. Das Verstehen und richtige Ausführen ärztlicher Medikamentenvorschriften ist für die Genesung das A und O. Eine amerikanische Studie ergab, dass

  • 28% der Einweisungen in Pflegeheime dadurch notwendig wurden, dass die Medikamenteneinnahme nicht korrekt durchgeführt werden konnte.

  • 12% der Akut-Einweisungen in Krankenhäuser wegen massiv erhöhtem, lebensgefährlichem Bluthochdruck könnten bei genauer Einnahme der Medikamente vermieden werden.

  • Nur etwa ein Viertel der Patienten nimmt die ärztlichen Verordnungen so ein, wie es der Arzt gewollt hat.

  • In vielen Fällen ist den Menschen die Wichtigkeit der Einnahme nicht bewusst. Oder es ist ihnen einfach zu lästig, immer daran zu denken.

Die meisten Patienten würden ja gern optimal mitarbeiten. Das nennt man Compliance. Doch viele von ihnen

  • können keine Kapseln schlucken, ekeln sich vor Tropfen,

  • können wegen schlechter Sehkraft die Tropfen nicht zählen,

  • dürfen häufig wegen Alkoholkrankheit keine alkoholischen Tropfen einnehmen,

  • können die Tabletten oder gar Kapseln nicht teilen, obwohl der Arzt nur eine halbe verordnet hat,

  • bekommen die Blisterpackungen, aus denen die Tabletten, Kapseln oder Dragees herausgedrückt werden müssen, nicht geöffnet oder der Inhalt springt unkontrollierbar in die Gegend,

  • haben Hemmungen, Zäpfchen in den After einzuführen,

  • sind allergisch gegen die Farbstoffe oder Umhüllungen der Pillen,

  • haben nicht die Kraft oder das Geschick, Schraubverschlüsse zu öffnen oder

  • wissen nicht, ob sie das Medikament vor oder nach dem Essen einnehmen sollen.

Tipps:

  • Vor dem Essen heißt: 1 Stunde vorher.

  • Nach dem Essen heißt: mindestens 2 Stunden nachher.

Bei Vergesslichkeit oder einfach zur Motivation oder Organisation der Einnahme, besonders bei pflegebedürftigen Patienten können Wochen- oder Monatsdispenser verwendet werden, in denen die gesamte Medikation für die Zeiteinheit übersichtlich unterteilt in 4 Gaben pro Tag untergebracht werden kann.

  • Notizen beim Arzt sofort zu Hause sauber auf einen Zettel schreiben und zusätzlich die Dosierungsvorgaben auf die Packungen schreiben.

  • Bitten Sie im Zweifel vor dem Verlassen der Arztpraxis eine Helferin in der Anmeldung, Ihnen die Medikamente mit Dosierungen ordentlich aufzuschreiben. Es gibt Zettel mit Graphiken, die das erleichtern, eine Durchschrift davon kann in der Patientenakte verbleiben, oder wird in den Computer eingegeben, als Kontrolle. Oder die Medikamentenliste wird aus der elektronischen Patientenakte ausgedruckt.

  • Erhalten Sie eine Medikamentenschachtel, notieren Sie sofort das Empfangs-Datum darauf. Vergleichen Sie es mit dem Verfalldatum. Sie finden es seit 5 Jahren immer auf der Packung angegeben.

  • Brechen Sie eine Schachtel an, schreiben Sie das Datum der ersten Einnahme darauf.

  • Trainieren Sie den Gebrauch von Tropfenzählern in aller Ruhe, bevor Sie jedes Mal nervös werden, wenn Sie vergeblich versuchen, hektisch, so nebenbei, der Tropfflasche die begehrte Flüssig-Arznei zu entlocken. Lassen sie sich gegebenenfalls den korrekten Gebrauch in der Apotheke zeigen.

  • In Apotheken gibt es kleine Schachteln zu kaufen, mit deren Hilfe man Tabletten leicht halbieren kann.

  • "Mit Flüssigkeit einnehmen" heißt, die Tabletten oder Kapseln mit Wasser hinunterzuspülen, das möglichst kohlensäurearm sein sollte. Colagetränke, Milch oder gar alkoholische Getränke sind dazu nicht geeignet. Grapefruitsaft kann durch Blockierung eines Enzyms den Abbau bestimmter Medikamente hemmen.

  • Besonders bei Antibiotika und Schmerzmedikamenten ist es sehr wichtig, die Zeitabstände einzuhalten, weil sonst die Wirkspiegel im Blut zu stark schwanken. Das verhindert eine kontinuierliche Wirkung und verlängert die Einnahmezeit, was wiederum zu Mehrkosten führen kann. Bei Antibiotika kann es sogar zu den gefürchteten Resistenzbildungen von Bakterien gegen die oft lebensrettenden Antibiotika kommen.

  • Wird ein Medikament einmal vergessen, dann sollte man bei der nächsten Einnahme das nicht nachholen. Das bringt keinen Vorteil. Diese Überdosierung kann zu unerwünschten Wirkungen führen, wie zum Beispiel eine zu starke akute Blutdrucksenkung.

  • Gefährlich kann es auch werden, wenn der Patient nach dem Erreichen des Zieles, zum Beispiel angestrebter niedrigerer Blutdruckwert, eigenmächtig die Therapie abbricht oder das Medikament niedriger dosiert, wenn das nicht ausdrücklich mit dem Arzt abgesprochen worden ist. Es droht unter Umständen ein krisenartiger Anstieg des Blutdruckes oder ein Wiederaufflammen eines bakteriellen Infektes nach Absetzen des Antibiotikums.

  • Musterpackungen, die Sie in der Arztpraxis erhalten, dienen der versuchsweisen Einstellung des Patienten auf ein für ihn neues Medikament. Dieses ist genauso wirksam, wie diejenigen, die per Rezept verordnet werden, wobei die Tabletten-Menge begrenzt ist (meist erhält er nur 10-20 Tabletten) und der Patient dazu gezwungen ist, wenn die Tabletten aufgebraucht sind, zur Kontrolle wieder den Arzt aufzusuchen. Der entscheidet dann, ob das Mittel nun weiter genommen werden soll oder ein anderes. Später findet eine normale Verordnung statt.

  • Die Dauer der Einnahme von Medikamenten mit Suchtpotential, wie Beruhigungs-, Schlaf- oder bestimmte Schmerzmittel sollte geplant werden. Betreiben Sie das Management ihrer eigenen Heilung oder Besserung gemeinsam mit dem Arzt.

  • Sagen Sie Ihrem Arzt rechtzeitig, wenn und wie lange Sie in Urlaub fahren, damit rechtzeitig die ausreichende Menge verschrieben werden kann.

  • Diabetiker sollten ihre Reise gründlich mit ihrem Arzt besprechen. Das wird besonders wichtig, wenn Zeitzonen überflogen werden und sich der Rhythmus verändert und die Nahrung von der gewohnten erheblich abweicht.

  • Wenn Diabetiker im Urlaub auf einmal mehr Sport treiben, dann sinkt garantiert der Blutzuckerspiegel stärker ab. Das führt zu Unterzuckerungen, die gefährlich werden können. Die Medikation muss dann angepasst werden. Darauf sollte der Betreffende eingestellt werden.

  • Müssen es Tropfen sein, das Sehvermögen ist aber stark eingeschränkt, dann lassen Sie die Tropfen in ein Wasserglas tropfen. Wenn das Gehör stimmt, dann können Sie sie fallen hören.

  • Bei Zäpfchen ist es ratsam, das dicke Ende zuerst einzuführen

  • Sprays: Nutzen Sie die Inhalationshilfen für die Dosieraerosole. Das im Gasnebel fein verteilte Medikament kann dann mit dem Einatmen in Ruhe inhaliert werden und schlägt sich nicht so sehr auf der Rachenschleimhaut nieder, was oft dadurch passiert, dass der Druck des Treibgases das Medikament schneller in den Rachen "jagt", als man einatmen kann.

  • Cortisonhaltige Sprays verringern zwar die typischen systemischen Nebenwirkungen von Cortison-Tabletten, führen aber häufig zu Belägen und Pilzbefall in Mund, Rachen oder Luftröhre.

Tipp: Nach dem Inhalieren den Mund regelmäßig mit Wasser ausspülen. Auch sollten besonders ältere Menschen regelmäßig zum Augenarzt gehen, weil die Neigung zum Grauen Star zunimmt.

  • Wenn Sie Tabletten gegen zu hohe Cholesterinwerte einnehmen müssen, denken Sie daran, auch die Lebensgewohnheiten, vor allem die Ernährung umzustellen.

  • Cortisontabletten sollten am besten morgens zwischen 6 und 8 Uhr eingenommen werden.

Was heißt "retard"?  

 

Der Wirkstoff ist so aufbereitet, dass er über einen bestimmten Zeitraum, z.B. 8 oder 12 Stunden freigesetzt wird. Das ermöglicht einen relativ konstanten Wirkspiegel und eine geringere Einnahmehäufigkeit.

Vorteil: weniger Tabletten müssen eingenommen werden. Statt 2 bis 3 reichen 1 bis 2 oft aus.

 

Man könnte meinen, das Einnehmen von Arznei sei eine Wissenschaft. Doch zusammen mit dem Arzt wird das schon klappen. Der muss aber auch wissen, was Sie nicht verstehen. Deshalb sollten Sie die Möglichkeit nutzen, Ihre Fragen zu stellen.

Am allerbesten ist es natürlich noch immer, gar nicht erst krank zu werden. Also sind Vorsorge und eine gesunde Lebensführung noch lange nicht out. Sie unterstützen obendrein so gut wie jede Form medikamentöser Therapie. Warum sollten sie sie mit der Zeit nicht auch völlig ersetzen?

 

Quelle MDR.DE Mitteldeutscher Rundfunk

 

 

 

 

 

 

Verhängnisvolle Matronen

 

Gaukopf-Männer kommen oft in Situationen, in denen sie sich ganz und gar nicht wohl fühlen. Das ist besonders häufig der Fall, wenn Frauen hinter ihnen stehen, die sie dirigieren oder zumindest stark beeinflussen. So etwas kann sogar dazu führen, dass der gesteuerte Graukopf von seinem Weg abkommt und Dinge, die er aufbaute und in die er viel Zeit steckte, unwiederbringlich verliert.

 

Noch interessanter ist es, wenn eine Reihe von befreundeten Ehepaaren oder Paaren, die sich gut kennen, das unbewusst als Gesellschaftsspiel betreiben. Hat man sich gemeinsam einer Sache verschrieben, die erfolgreich ist, dann bilden sich durchaus getrennte Regelkreise zwischen den Graukopf-Männern und den dazugehörigen Graukopf-Frauen, die dann plötzlich ganz unterschiedliche Sichten entwickeln.

 

Die Männer - seit geraumer Zeit aus dem Berufsleben - erfreuen sich ihrer neuen gemeinsamen Aufgabe, die sie sich selbst stellen und ihnen auch in einem gewissen Maß Zufriedenheit infolge der großen Selbständigkeit beschert. Dennoch holen sie hierarchische Strukturen aus dem Berufsleben ein, denn einer von ihnen soll oder will ja der Chef sein. Wer sich damit nicht abfinden kann, wurstelt halt mit weniger Freude weiter.

 

Kaum jemand bemerkt dabei, dass der relative Frieden und die Harmonie ganz schnell aus dem Ruder laufen kann, wenn der  Graukopf-Hobby-Chef seine Autorität gefährdet sieht. Flugs ist man mitten im Kampfgeschehen und man muss Stellung beziehen, obwohl man es eigentlich gar nicht wollte.

 

Männer erzählen ihren Frauen viel zu viel über ihren Ärger, den sie gelegentlich empfinden und werden dann mit weiblicher Logik und Taktik konfrontiert, die bis hin zur Aufforderung reicht, sich mit den empfohlenen Mitteln durchzusetzen. Männer sollen mit den Waffen der Frauen kämpfen - wenn das mal nicht in die Hose geht!

 

Männer kommen mit ihren Problemen eigentlich ganz gut zurecht, wenn sie sie für sich behalten, denn sie besinnen sich sehr oft auf ihre Erfahrungen aus dem Berufsleben und entwickeln bis zu einem gewissen Grad Kompromissbereitschaft. Das Problem sind bei allzu großer Redseligkeit aber ihre Frauen, die die Sache jetzt aus dem Hintergrund steuern wollen.

 

Wenn mehrere Frauen die Köpfe zusammenstecken, dann bilden sich ähnliche Strukturen oder gar das exakte Abbild der männlichen Hierarchie. So ist die Frau des Chefs automatisch die Wortführerin der Frauen und ihr Gatte wird zum Werkzeug ihrer Macht. Mal unter uns: Ohne seine Frau wäre er nie Chef geworden!

 

Da viele Frauen viel härter zur Sache gehen als ihre Männer, verlangen sie auch viel mehr von ihren Männern, als diese umsetzen können. So bleibt es oft nicht aus, dass eine ganze Gruppe verliert, nur weil sich die Graukopf-Chefin verkalkulierte.

 

Solche exaltierte Matronen gibt es in vielen Familien, Gesellschaften, Vereinen, Parteien und in sonstigen Regelkreisen und sie scharen wiederum Frauen um sich, die gemeinsam Strategien aushecken, die ihre Männer umsetzen sollen. Nun treffen die Männer wiederum bei der Umsetzung der weiblichen Strategien aber nicht nur auf Männer, sondern auch auf Frauen, die ihnen überlegen sind oder zumindest wehrhaft gegenüber stehen. Davor schrecken sie meistens aus  gutem Grund zurück und die zurechtgelegte Taktik läuft ins Leere.

 

Mit einer derartigen Niederlage am heimischen Herd angekommen, läuft eine typisch weibliche Vergeltungsmaschinerie an, die jeglichen Kompromiss pulverisiert. Der Graukopf-Chef wirft nun alles in eine Waagschale und seine Mitläufer kommen nicht umhin, diese Taktik mitzutragen. Männer halten immer zusammen, wenn sie ihre Frauen fürchten. Schließlich haben die Matronen das so beschlossen und man hat sich gegenüber Dritten ja ebenfalls gewaltig aus dem Fenster gelegt. Das Ansehen einer ganzen Gruppe steht auf dem Spiel. So wird oft aus einer Bagatelle ein Staatsakt und aus einem Witz ein Skandal.

 

Wenn die Kugel einmal rollt, dann erklingt recht bald "rien ne va plus" - nichts geht mehr, weil die Entscheidung naht. Wer jetzt noch nicht zurückgezogen hat, verliert oder gewinnt unweigerlich, besonders heftig, wenn man alles auf eine Nummer setzte.

 

Eigentlich müsste man annehmen, dass  man im Laufe seines Lebens klüger wird. Das mag auch stimmen. Ich halte es da mehr mit der Lebensweisheit:

 

Kluge Frauen sind klüger als kluge Männer,

dumme Frauen sind dümmer als dumme Männer.

 

Fatal ist, wenn die Extreme aller Varianten zusammenkommen. Dann sind meistens die Männer die Verlierer, weil sie es versäumten, rechtzeitig auf den Tisch zu hauen und den Spuk zu beenden. Im Ruhestand sollte man einfach ruhiger werden, selbst wenn es der holden Weiblichkeit nicht passt. Man macht sich sonst zum Affen!

 

Wer glaubt, das seien Hirngespinste, der sollte mit wachen Augen durch die Welt gehen.

 

 

 

 

 

Lyrisches über die Zeit

 

Hatten Sie schon einmal den Gedanken, die Zeit anzuhalten oder wünschten, dass ein bestimmter Tag ganz schnell vorüber gehen sollte? Sicher haben Sie sich darüber noch keine Gedanken gemacht, weil die Zeit wie in einer Sanduhr verrinnt. Da bleibt einem keine Zeit zum Nachdenken - oder doch?

 

Es gibt Menschen, die ihre Zeit totschlagen, nur weil sie keinen Sinn darin sehen, die Zeit nutzbringend auszufüllen. Sie suchen Zerstreuung, tauchen täglich tief in die Fernsehprogramme ein, um der Realität zu entfliehen und merken gar nicht, dass die Welt um sie herum viel interessantere Dinge bereit hält. Männer können stundenlang in Kneipen sitzen und Dinge bereden, die sie im Grund genommen gar nicht interessieren. Frauen geht es ähnlich, wenn sich zuhause die Gesprächsstoffe erschöpfen oder zu den immer gleichen Debatten führen. Wichtig scheint nur zu sein, dass man gerade diesen Tag herum bekommt.

 

Was Sie, werter Leser, so mit ihrer Zeit anstellen, das hat es in beschaulicheren Zeiten auch schon gegeben. Nur lebten da die Menschen nicht so lang wie heute und es konnten sich nur wenige leisten.

 

Reiche und Privilegierte genossen die Zeit, wie es heute die meisten Menschen völlig selbstverständlich machen und der Arme kannte nur den endlos langen Arbeitstag, der ihm nur wenig "Freizeit" ließ. Darum gingen Arbeiter, Handwerker und Geschäftleute - zwar aus unterschiedlichen Motivationen - aber dennoch nach dem Motto vor:

 

Zeit gewonnen - viel gewonnen

Zeit verloren - viel verloren

 

In der heutigen Zeit verkehren sich viele Wahrheiten. So auch letzter Spruch. Wenn heute Zeit gewonnen wird, dann haben dabei mit Sicherheit viele Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. So haben sie dann scheinbar Zeit in Hülle und Fülle gewonnen, aber das Wichtigste verloren.

 

Im endgültigen Ruhestand dann angekommen, gewinnt der Spruch wieder seine alte Bedeutung. Grauköpfe meinen, sie hätten nach dem Berufsleben Zeit gewonnen und damit sehr viel zurückgewonnen. Deshalb wollen viele von ihnen diese wertvolle Zeit auch nicht verplempern und ergehen sich in zahllosen oder zeitraubenden Aktivitäten. Sie wissen dennoch, was die Zeit wert ist.

 

Das wirft die Frage auf, warum die jüngere Generation so leichtfertig mit der Zeit umgeht. Ganz klar: weil die Zukunft nur zögernd dahergezogen zu kommen scheint. Auch wenn das Jetzt pfeilschnell entfliegt, wird kein Gedanke an die Zeit verschwendet.

 

Bei den Weißköpfen gilt die Vergangenheit als die einzig verlässliche Sache der Welt, weil sie still steht. Ihr kann man nicht entfliehen und sie einem auch nicht. So suchen viel Weißköpfe ihre Ruhe in der Vergangenheit und merken dabei gar nicht, dass sie dabei sind, selbst zum Teil der Vergangenheit zu werden. Würden sie versuchen, in dieser Vergänglichkeit Zeit für sich selbst zu gewinnen, dann hätten sie in der Tat viel gewonnen. Sie sind sich aber der Zeit nicht bewusst, obwohl sie ihr ganzes Leben prägt.

 

Nun werden Sie sich fragen, wie ich auf dieses Thema komme. Ich lese gern Lyrik und das, was unsere Altvorderen zeitübergreifend festhielten, weil es Dinge sind, die zeitlos sind. So erlebe ich hautnah, dass es Wahrheiten gibt, die absolut unvergänglich sind. Dabei gewinne ich wiederum Zeit, andere Dinge besser zu verarbeiten, weil die Lösungen dadurch sehr oft auch viel einfacher sind.

 

Probieren Sie es einmal auf diesem Link aus - es lohnt sich!

 

 

 

 

 

Friedrich Schiller philosophierte über die Zeit 

mit folgenden Worten:

 

Dreifach ist der Schritt der Zeit,

zögernd kommt die Zukunft hergezogen,

pfeilschnell ist das Jetzt entflogen,

ewig still steht die Vergangenheit.

 

 

Kernspindtomographie gegen Flatulenzen?

 

Die medizinische Grundversorgung und das Krankenkassensystem sind die beiden Eckpfeiler der Überlebensstrategie vieler Weißköpfe und zunehmend auch der Grauköpfe. Man zahlt sein ganzes Leben ein, da muss man auch ungeniert herausholen, was herauszuholen geht. Das Motto scheint zu lauten: "Ich habe die Kasse, da benutze ich sie auch!"  Nicht ein einziger Gedanke wird daran verschwendet, ob das alles noch bezahlbar ist und wie lange das Spiel noch so weiter gehen kann.

Weißköpfchen im neunten Jahrzehnt fühlt sich mal wieder nicht wohl. In den mit Medikamenten prall gefüllten Doppelschubladen des Nachttischschrankes ist keine passende Pille zu finden, die Abhilfe verspräche. Woran mag das liegen?

 

Nach kurzem Grübeln kommt die Erleuchtung: Sie hat über derartige Symptome noch gar nicht mit ihrem Hausarzt gesprochen, weshalb sie auch kein passendes Medikament in der Schublade hat. Das muss sich schleunigst ändern!

 

Es gibt für alles eine Pille - ob sie helfen, ist eine ganz andere Sache. Man muss halt in ihre Wirkung glauben. In dieser Woche sind wieder die Abführmittel hoch im Kurs. Wer wird denn noch selbst drücken! Das wäre ja noch schöner. Man könnte ja auch die Ernährung etwas umstellen oder einfach nur mehr Flüssigkeit zu sich nehmen - nein, es muss ein Abführmittel sein. 

 

Dummerweise  hat Weißköpfchen auch noch Hülsenfrüchte und Zwiebeln konsumiert und sie fühlt sich wie ein Schnellkochtopf beim sichtbaren dritten Ring. Die Flatulenzen drücken aufs Herz und im Bauch ist ein Donnergrollen zu vernehmen, als käme ein Herbstgewitter anmarschiert. Ein Fall für den Hausarzt.

 

Wenn man Abführmittel genommen hat, sollte man sich aber nicht unbedingt aus dem Haus begeben, bis die erhoffte Wirkung eintritt und wieder abebbt. Das kann dauern und dennoch überfallartig eintreten. Es stellen sich leichte Schmerzen ein. So ein Sche... !

 

Wilde Gase erzeugen oft wilde Gedanken, die den Kopf benebeln. So geht Weißköpfchen das ganze Spektrum der medizinischen Versorgung durch, um zu ergründen, was bei nächster Gelegenheit unbedingt mal untersucht werden sollte. Selbstdiagnose ist ihr Hobby.

 

Weichteile untersucht man doch mit der Kernspindtomographie und mit Ultraschall!? Aber Ultraschall bei diesen Flatulenzen!? Nee - dann lieber ein EKG wegen dem Herz. Es drücken zwar nur die Verdauungsgase, aber man weiß ja nie...! Wenn man schon mal da ist, dann kann man sich ja auch mal nach diesem und jenem sehen lassen, denn in diesem Alter zwickt es fast überall und die Ärzte sind heute gut ausgestattet.

 

Als Graukopf und Begleitperson ist man natürlich gespannt, mit welchen Worten der Hausarzt diesmal umschreibt, dass alles ganz normal und dem Alter angemessen ist. Weißköpfchen möchte natürlich die Bestätigung für ihre Selbstdiagnose und einen weiteren Grund, sich zuhause den Anspruch auf besondere Fürsorge zu sichern. 

 

Das Dümmste, was der Arzt jetzt machen könnte, ist, die medizinische Wahrheit zu sagen. Damit wäre er auf einen Schlag seine ganze Autorität los, weil er Weißköpfchen ja in die Ecke der Simulanten stellen würde. Also kommt der berühmte Satz, der mit "probieren wir´s mal mit..." anfängt. Das besagt nicht dass es hilft, aber auch nicht, dass es nutzlos ist. Auf alle Fälle gewinnt man Zeit. Sie ahnen es bereits, dass ein Rezept dabei herausspringt. Ein Fall für die Doppelschublade.

 

Der Apotheker empfängt uns bereits mit einem freundlichen Lächeln, dem gleichen Lächeln, das man beim Weggehen vom Hausarzt erleben durfte - man ist Privatpatient... . Mit einem Anteilnahme signalisierenden "Ei - wie geht es Ihnen denn?", dem aus gleichem Mund bereits die Antwort "gell, wieder schlechter...?" folgt, kann der geschäftliche Teil abgewickelt werden. Unweigerlich kommt einem der Gedanken in den Sinn, dass der Apotheker alleine von unseren Rechnung seinen Mercedes finanzieren kann. Die freundliche Verabschiedung bestätigt irgendwie die Vermutung. Dann geht es wieder nach Hause.

 

Zuhause angekommen, geht es schon wieder viel besser. Jetzt kommt der interessante Teil, bei dem der Beipackzettel studiert wird. Das sind vielleicht wieder Nebenwirkungen! Wenn die mal nicht alle zusammen eintreten. Sicherheitshalber werden die Tabletten erst einmal in die Doppelschublade gelegt, damit nichts passiert. Jetzt dauert es nicht mehr lang, bis die Erkenntnis reift, dass eine Kernspindtomographie vielleicht doch besser gewesen wäre, als diese Tabletten - die Krankenkasse bezahlt es ja und diese Untersuchung gibt allemal mehr her, als ein EKG, Ultraschall und die winzigen Tabletten.

 

Mit Flatulenzen ist nämlich nicht zu spaßen!

 

 

 

 

 

 

Selbstverwirklichung

 

Sind Ihnen schon einmal Menschen begegnet, die davon reden, dass sie sich endlich mal "selbst verwirklichen" wollen? Haben Sie dabei auch so eine Art Sehnsucht verspürt, es ihnen gleich zu tun, weil sie möglicherweise wohl eine neue Dimension erlebt oder erkannt haben, die neue Möglichkeiten eröffnen könnte? Dann sollten Sie der Sache auf den Grund gehen.

 

Die schwierige und ermüdende Aufgabe, um jeden Preis er selbst zu sein, schöpft der Mensch aus den Schlagworten der modernen Gesellschaft, wie Autonomie, Selbständigkeit und Verantwortung. Ein souveränes Individuum stellt schnell fest, dass das ICH zu einer Großbaustelle wurde. Die dabei empfundene Ermüdung ist in Wirklichkeit die negative Auswirkung der gesellschaftlichen Forderung nach Aktivität. Daraus entwickelt sich allmählich eine Art Einsamkeit der Selbstverantwortung, die bewirkt, dass dort, wo die Seele dem Anspruch auf Selbstverwirklichung nicht mehr nachkommen kann, der Mensch mit einem Rückzug auf ganzer Linie reagiert. Damit einher gehen innere Leere, Antriebsschwäche und Erschöpfung.

 

Selbstverwirklichung und Lebensqualität hängen direkt zusammen. Selbstverwirklichung - auch als Eigen-Sinn auslegbar - ist die elementare Voraussetzung für Lebensqualität. Der Mensch möchte "Selbstverwirklichung" nicht mit rücksichtslosem Egoismus gepaart wissen. Sie soll vielmehr als die Realisierung der Talente angesehen werden, um ein Leben nach eigenen Werten und in Freiheit zu führen. Soweit das, was man unbedingt wissen sollte, um das Thema angehen zu können.

 

Auf dem Weg der "Selbstverwirklichung" erleben die Grauköpfe meistens ihre Sprösslinge oder die der näheren Umgebung, wenn sie mal wieder Babysitter spielen dürfen. Oft bekommt man als Graukopf auch noch gesagt, dass man schließlich nicht auch ein so langweiliges Leben führen möchte, wie Graukopfs.

 

Wie war das damals mit dem Kinderkriegen? "Ich möchte mich als Mutter selbst verwirklichen", hatte Grauköpfchen damals gesagt und ganz schnell erkannt, dass der kleine Wurm ebenfalls schon auf dem Selbstverwirklichungstrip war, als er seine Talente und seine Ausdauer schon recht früh realisierte. Dafür hatte das Mutterherz nun Verantwortung, fern der Arbeitsstelle auch Autonomie und Selbständigkeit, in die der Gatterich aus gutem Grund nicht hinein dirigierte. Warum auch, denn er verwirklichte sich selbst ja gerade beruflich - glaubte sie jedenfalls!?

 

Selbstverwirklichung scheint immer nur dann zu funktionieren, wenn einem andere Menschen die ganze Arbeit abnehmen und damit erst den Freiraum für die zur Selbstverwirklichung ins Auge gefassten Aktivitäten ermöglichen. Wer sich selbst verwirklicht, lässt unweigerlich Lebensgefährten und Mitmenschen zurück, die dann kaum mehr die Gelegenheit zur Selbstverwirklichung haben. Es sei denn - sie gehen in einer karitativen Lebensweise auf und finden in Aufopferung ihre Erfüllung.

 

Bliebe noch die Frage, was denn eintritt, wenn die Selbstverwirklichung eines Tages  abgeschlossen sein sollte. Kommt dann die große Leere, weil die Zielprojektionen ausgehen?

 

Dieser Fall wird so schnell nicht eintreten, weil es kaum einen Grad der Zufriedenheit gibt, der absolut ist. Selbstverwirklichung hängt natürlich auch mit dem Zeitgeist zusammen, der uns immer neue erstrebenswerte Ziele vorgibt. Wenn man wirklich die Selbstverwirklichung abschließen will - wobei ich bewusst das Wort "erfolgreich" ausspare, dann redet man sich ein, dass man in Anbetracht seiner Lebenserfahrungen über den Dingen stehe. Das vermittelt ein Gefühl der Überlegenheit und man zeigt für die Selbstverwirklichungshungrigen äußerlich nur noch mildes Verständnis - die Demonstration des totalen Sättigungsgrades.

 

Sind die Verwirklichungs-Egoisten wieder entschwunden, dann kommt allerdings doch so ein Gefühl hoch, das man nur schwer beschreiben kann. Vielleicht haben uns die Egoisten doch schon in die Knie gezwungen und wir haben jede Hoffnung auf die ersehnte Einheit von Körper und Geist, von Wollen und Können verloren. Vielleicht tröstet es ein wenig, dass man mit seinen Gedanken und seiner Situation kein Einzelfall ist, denn - die Welt ist voller Egoisten, die uns brauchen.

 

Wer sich selbst verwirklichen will, muss sich voll und ganz auf sich konzentrieren. Damit stellt man sich aber fast schon außerhalb der Gesellschaft und sozialer Strukturen. Vielleicht wollen viele Menschen auch nicht wahr haben, dass es so ein niedriger Level ist, auf dem sie sich längst verwirklicht haben. 

Dann ist es eh zu spät.

 

 

 

 

 

Ermessensfragen

 

Jetzt spreche ich einmal die Graukopf-Männer an, die über sehr viel Erfahrung mit Frauen verfügen. Ich bin mir bewusst, dass sich viele Frauen nun ebenfalls sehr für das Folgende interessieren, weil sie glauben, ihre eigenen Männer beträfe das ja nicht und es gut zu wissen sei, was sie erfahren könnten, was erfahrene Männer so zu erzählen haben.

 

Nun muss ich die Damen enttäuschen, denn es geht hier nicht um sexuelle Praktiken oder amouröse Ausschweifungen, sondern um den Blick für die menschlichen, die geistigen und die körperlichen Entwicklungsstufen von Frauen und um die langwierigen Auswirkungen auf ihre männlichen Lebenspartner. Es geht um den Zusammenhang zwischen monogam und monoton, um den Reiz der Sinne und gereizte Sinne, um Markenechtheit und Mogelpackungen, um Einfalt im Zwiespalt sowie um frühe Erkenntnisse, die viel zu spät kommen, weil die Triebe vielen Männern den Blick verstellten.

 

Ein neutrales Beispiel

 

Graukopf sitzt beim Frühstück und sieht fern - er schaut das Morgenmagazin und lässt es auf sich wirken. Zunächst die Moderatorinnen und die Moderatoren, dann die Nachrichten und die Wetterfrösche sowie die Welt da draußen, die gerade vorgestellt wird. Wenn das tagtäglich geschieht, dann kommt es zu einer Vertrautheit der Personen, so dass man sie praktisch in den eigenen Lebensbereich einbezieht.

 

Die Männer wirken auf Herrn Graukopf nicht so intensiv, die weibliche Riege eher, die man vor die Kamera lässt. Für die Männer schämt sich Herr Graukopf gelegentlich als Mann, weil man so viel Dummheit in Person des Moderators X oder Y auf die Menschheit loslässt. Sie wirkt umso aufdringlicher, umso selbstbewusster sie vorgetragen wird. Hierbei fallen besonders die Reporter vor Ort auf, über deren Fragen und Kommentare man als Durchschnittsgebildeter nur den Kopf schütteln kann. Also wendet man sich den Moderatorinnen zu.

Das Empfinden der Moderatorinnen läuft bei Herrn Graukopf nach einem anderen Muster ab. Beim ersten Erscheinen auf der Flimmerkiste wird erst einmal ergründet, wie die Moderatorin heute "drauf ist". Hierbei schlägt die Lebenserfahrung des Mannes erstmals gnadenlos zu.

 

Frisur, Gesicht, Blick, Körperhaltung, Kleidung und die ersten vernehmbaren Worte werden förmlich gescannt und  mit dem Vortag und der erwähnten Vertrautheit verglichen. Alte Mängel werden bestätigt und erfreuliche Veränderungen registriert. Ein gewisser Entwicklungsprozess wird im Unterbewusstsein registriert. Ob die Moderatorinnen wissen, dass sie tagtäglich mit den weiblichen Personen verglichen werden, die Hunderttausende von Männern umgeben? Wahrscheinlich nicht! Vielleicht ist es gut so, denn dann würde es sie auch interessieren, ob sie dabei gut oder schlecht abschneiden. Die Männer brauchen jetzt gar nicht zu grinsen, das funktioniert unter umgekehrten Vorzeichen genauso.

 

Grauköpfe haben im Hinterkopf unzählige Entwicklungsbeispiele von Frauen gespeichert. Die Bilder sind geordnet nach Verstand und Intelligenz, Charakter, Fleischeslust und -fülle, relativer Schönheit, Stimme sowie Mutterinstinkt und Kinderliebe. Die über alle Entwicklungsstufen konstantesten Einheiten sind Verstand, Intelligenz und Charakter. Die Aufmerksamkeit, die man ihnen entgegenbringen müsste, wird allerdings in den meisten Fällen von den übrigen Kriterien überdeckt.

 

Schönheit, figürliche Merkmale und die empfundene Erotik im Zusammenwirken mit anderen oberflächlicher Wahrnehmungen bewirken, ob man überhaupt gewillt ist, den Rest zu ergründen. Dieses "Ergründen wollen" wird im Zuneigungsfall allerdings oft von bestimmten Vorahnungen begleitet, während im Ablehnungsfall die Sicht auf den Rest absolut glasklar zu sein scheint.

 

Nichts anderes passiert bei der persönlichen Partnersuche und hält oft bis hin zum Traualtar an.

 

Herr Graukopf ist in seinem Beurteilungsvermögen oder seiner Illusionsarmut so weit, dass er schon bei geschlechtsreifen Mädchen erkennt, ob sie später einmal Hungerhaken, Traumfrauen oder Wuchtbrummen werden. Unter Einbeziehung der Stimme und des Gesprochenen kann er sogar beurteilen, wie lange ein Mann das Gesamtkunstwerk voraussichtlich ertragen kann. Bei Intelligenz oder Einfalt kommt es wieder darauf an, wie sich das Opfer selbst einschätzt, denn davon hängt ab, was man ertragen kann.

 

Das Selbstbewusstsein der Frauen steht vielfach im umgekehrten Verhältnis zu ihren positiven Eigenschaften, was jedem Graukopfmann Dauerstress signalisiert. So richtige Dummheit lässt sich oft noch damit kompensieren, dass der Rock etwas kürzer ist oder zwei zusätzliche Knöpfe der Bluse geöffnet sind - es ist halt eine Ermessensfrage, was man daraus macht.

 

Jetzt werden die Frauen sagen, dass man der körperlichen Entwicklung ja entgegenwirken kann. Auch das zieht Herr Weißkopf ins Kalkül, denn nichts ist anstrengender als eine Frau, die lebenslänglich mit ihrer Figur kämpft. Noch schlimmer ist für ihn der Gedanke an die Folgen der Kapitulation in der adulten Periode. Die verbleibenden strukturellen Anomalien schreien dann oft nach aufwändigen und teueren Kaschierungen.

 

Frauen kennen und nutzen zumindest allerlei Figurmodellierungshilfs- mittel, mit denen sie ihre Reize betonen oder Fehlerchen zu verstecken beabsichtigen. Während junge Tölpel mehrheitlich noch auf den Verpackungsschwindel hereinfallen oder ihn in spezieller kurzfristiger Absicht in Kauf nehmen, hat Herr Weißkopf den gewissen Blick dafür, was langfristig passt und was nicht. Übertriebene Verpackungsvarianten einiger Damen setzt er sogar mit einem Signal erhöhter Paarungsbereitschaft gleich, woraus wiederum je nach Alter ein völlig neues Beurteilungsbild entsteht.

 

Hinter all den Reflexen steht natürlich die männliche Erfahrung und genügend Beispiele, denen man im Laufe seines Lebens auf den Grund gehen durfte. Herrlich entspannt lebt da der Ahnungslose, für den zwar Reize noch Reize sind, er die aber einer fernen Vergangenheit zuordnet. Was dem Graukopf bleibt, ist der Umgang mit Intelligenz, Charakter, Charme und gelegentlich auch etwas mehr, wenn die Lampen seiner Erfahrung allesamt grün leuchten und es die eigene Partnerschaft zulässt. Das ist mehr als genug.

 

Eines ist für Herrn Graukopf allerdings nach wie vor bedauerlich, dass man als junger Mann oftmals an Frauen hängen bleibt, die sich im Laufe der späteren Ehe dann nicht mehr annähernd ähneln.

 

Ist es die größte Falle des Lebens, dass die Frauen zur Fortpflanzung nahezu alles tun, um an den besten Mann heranzukommen, der sich bekommen lässt? Dabei setzt die körperliche Umwandlung oftmals schon sofort ein, sobald die Falle zuschnappte. Dieses traumatische Erlebnis prägt die spätere Erfahrung - allerdings erst, wenn es zu spät ist.

 

Sollten einige Frauen bis hierher meinen Ausführungen gefolgt sein, so werden sie bestätigen, dass die umgekehrte Erfahrung mit Männern zu ähnlichen Ergebnissen führt. Warum sollen Frauen nicht ähnlich erfahren sein, wie die Männer!?

 

Ein Trost ist das allerdings nicht!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Testament

 

Frau Graukopf ist eine Frau, die zwar nicht immer genau weiß was sie will, dafür aber umso ausgeprägter weiß, was sie nicht will. So ist ihr Leben auch stets auf Verhinderung ausgerichtet, beziehungsweise - um es positiv auszudrücken - auf Konstruktionen ihres Vertrauens. Sie vertraut grundsätzlich allem, was sich von ihr lenken lässt und sich so verhält, wie sie es erwartet. Mal ehrlich - das ist doch auch vernünftig, oder etwa nicht!?

 

Irgendwann kommt der Tag, an dem man sich darüber Gedanken macht,  wie die Lebensabendstrategie aussehen soll. Man wohnt in einem immer leerer werdenden eigenen Haus, quält sich zunehmend mit dem Sanierungsbedarf herum und weiß noch nicht einmal, was aus allem werden soll. Für die Kinder hat man sich krumm gelegt, damit sie etwas Eigenes haben und bewohnt selbst irgendwann alle Räume des Hauses, die immer mehr einem Museum ähneln. Schließlich sind die Möbel von beinahe drei  Generationen noch intakt und zudem auch noch prima gepflegt. Das Problem ist nur - es will sie später mal keiner haben! Oder haben Sie Ihre eigenen Möbel zum Sperrmüll gegeben, als sie Ihre Eltern oder nahe Verwandte beerbt haben und sich mit deren Möbel eingerichtet? Ja! - Dann müssen da aber echt antike Stücke dabei gewesen sein.

 

Eine Wohnungsauflösung läuft doch immer nach dem gleichen Muster ab. Schwiegertöchter konzentrieren sich zum Beispiel nur auf Schubladen, geheime Fächer, Kassetten und Schlüsselchen. Was sie interessiert, geht in der Regel in eine große Handtasche. Der Rest wird zum Problem, das ihre Männer lösen müssen.

 

Töchter und Söhne konzentrieren sich dagegen mehr auf Sachen mit einem hohen Erinnerungswert und auf die Sachen, die man stets vor ihnen verborgen hielt. Söhnen ist zu raten, dass sie ihre Frauen bei Haushaltsauflösungen nicht aus den Augen verlieren. Schwiegersöhne dagegen kann man an dieser Stelle vernachlässigen, weil sie ohnehin nur nach Anweisung handeln dürfen. Erben ist eine Sache, bei der man keine hohen moralischen Maßstäbe anlegen darf, besonders, wenn es auch noch Geschwister geben sollte.

 

Frau Graukopf weiß das, denn sie hat es bereits in ihrem Umfeld und in der eigenen Familie erlebt. Nun kommt so langsam der Gedanke hoch, dass man ja selbst bald zum Erblassenden und damit zum Erblasser werden könnte. Schon steht die Frage im Raum: "Ei, was mache mer dann da!?"

 

Herr Graukopf ist irritiert. Noch weiß er nicht genau, ob es darum geht, dass  sie ihn oder andere sie beide beerben sollen- oder wer wen und in welcher Reihenfolge? Schon kommen Visionen hoch, wer alles profitieren könnte, wenn so oder anders herum gestorben wird. Die ganze Verwandtschaft flaniert gedanklich über den fiktiven Erbschafts-Catwalk und wird der Reihe nach aussortiert. Ob die Betroffenen gerade merken, dass sie selektiert werden? 

 

Wohlwollen und Antipathien wechseln in schneller Folge und rasch steht fest, wer was nicht bekommen soll. 

 

Endlich Klarheit!

 

Das alles muss jetzt in ein Testament, darüber ist man sich einig. Das Einfachste wäre, man würde es auf einen großen Bogen schreiben, in ein Kuvert stecken und versiegeln. Bliebe nur das Restrisiko, wer es im Todesfall findet und möglicherweise gar  verschwinden lässt. Also geht man zum Notar, damit auch das passiert, was man wirklich will.

 

Das erste Gespräch mit dem Notar gestaltet sich etwas schwierig, weil man die Reihenfolge des Ablebens und die jeweils unterschiedlichen Konsequenzen gedanklich durchspielen muss. Das mit der Gegenseitigkeit ist zunächst recht akzeptabel, bis klar wird, dass der verbleibende Partner zu jeder Zeit ein völlig neues, anderes Testament verfassen lassen kann. So unterschiedlich, wie jeder die jeweilige Verwandtschaft empfindet, so zwiespältig sind auch die Gedankengänge. Graukopfs werden höflich und etwas aufgeklärter nach Hause geschickt, weil sich das beim Notar zeitlich nicht ausdiskutieren lässt.

 

Tagelang wird nun sondiert, gebündelt, verschoben, gestrichen und den Emotionen freien Lauf gelassen. Inzwischen bezieht man in  Kompromisse sogar das Tierheim, Stiftungen, das Rote Kreuz und die Kirche ein, um sich auf diesem Weg in der eigenen Familie möglichst viele lange Gesichter vorstellen zu können. Genüsslich pickt sich Frau Graukopf den gierigsten Verwandtschaftsteil heraus und äußert hämisch, es wäre das Beste, man würde nur Schulden hinterlassen. Absolut entbehrlich sind Gedankengänge um Möbel, Wäsche und Kleidung - kurz, was sich nicht zu Geld machen lässt. Das ist schwer zu akzeptieren, aber leider gängige Lebenspraxis. Die ganze Vererberei macht inzwischen keinen Spaß mehr.

 

Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die Graukopf ihr Vorhaben noch einmal verschieben. Eigentlich reiche ja das Erbe auf  Gegenseitigkeit. Soll sich doch der Partner damit herumschlagen, wem er was vererben will. Jemand, der es wirklich verdient hätte, war gegenwärtig ohnehin nicht auszumachen. Noch einmal wird die Sanduhr gedreht und Graukopfs hoffen insgeheim, dass es nicht der Kalk sein möge, der da so munter rieselt.

 

 

 

 

 

 

Legendenbildung als Gewissensbalsam

 

Im hohen Alter kommt es durchaus vor, dass man über Nacht den Lebenspartner verliert und mental gar nicht auf diese Möglichkeit vorbereitet ist. Weißköpfchen hatte sich seit vielen Jahren darauf eingestellt, einmal ganz kurz vor ihrem Lebenspartner zu sterben, um dann nicht allein zu sein. Dann käme sie selbst um die Trauer herum und könnte von höherer Warte miterleben, wie sich ihr Lebenspartner grämt und wie stark er und alle Verwandten und Bekannten um sie trauern würden. Die vielen Krankheiten versprachen ja auch einen gewissen Vorsprung, wenn er auch nur minimal ausfiel. Der sollte aber ausreichen, um die Lebensplanung wie gewünscht zu erfüllen. Doch es kam wie so oft im Leben ganz anders.

 

Durch einen tragischen Unfall verlor er zuerst sein Leben und sie blieb mit all ihren Problemen zurück, die sie zum Teil selbst geschaffen hatte. Was man in Firmen "Arbeitsteilung" nennt, war in ihrem Zusammenleben eine recht einseitige Verteilung der Lasten. Er war ja schließlich auch ein Mann und sollte sein ganzes Leben lang die Angebetete auf Händen tragen. Dafür wurde er bekocht und jeden Morgen legte sie ihm heraus, was er anziehen sollte. Die Kleidung war streng nach Sonntags- und Werktagskleidung getrennt, was bedeutete, dass Hosen, Anzüge, Jacken und Schuhe in den ersten drei Jahren nur an Sonn-, Feier- und Geburtstagen getragen werden durften. Nun hinterlässt er jede Menge Kleidung, die er nie tragen durfte. Das allein war von ihm doch schon äußerst unvernünftig, wo doch alles so viel Geld gekostet hatte!

 

Weißköpfchen bemerkte dagegen erst jetzt, dass ihre Schränke zwar voll, aber kaum schwarze Kleidungsstücke dabei waren, die noch passten. Wie bereits erwähnt - dieser Fall sollte ja auch nicht eintreten, wenn alles nach Plan gelaufen wäre. Auch jetzt macht er nur Probleme - der Unglückliche. Wie gut hätte dieser Vorwurf in die Kette der Sprüche gepasst, die er sein ganzes Leben lang ertragen musste. Als treu sorgender Mann stellte er sich natürlich generell als Sündenbock zur Verfügung, wenn etwas schief gelaufen war. Im Haushalt war es jetzt auf einmal so seltsam ruhig und viele Aktivitäten ruhten.

 

Nur die ureigenste Welt von Weißköpfchen läuft auf vollen Touren. Sohnemann - auch schon Graukopf - schließt die gröbsten Lücken in der gewohnten Befehlskette.

 

Für ihn war die Situation zunächst zwiespältig, denn er hatte seinem Vater versprochen, sich um Weißköpfchen zu kümmern. Allerdings gab er ihm den Rat mit auf den Weg: "Überlege dir aber gut, was du machst, denn was du einmal machst, das musst du immer für sie machen!" Hörte er da einen Leibeigenen oder gar Sklaven sprechen, der ihn warnen wollte? 

Gab es da eine Art Beziehungsgefangenschaft mit düsteren Ritualen der Willensdurchsetzung? Heularien, Wutausbrüche etc. ? Was würde nun kommen, wenn man versuchte, das durch seinen Wegfall entstandene Vakuum zu füllen? Sollte gar auch das tägliche Quantum an Streitlust befriedigt werden müssen? Das kann ja heiter werden!

 

Während die Anpassung auf allen Gebieten und mit allen Facetten anlief, wurde bereits eifrig an der Legende gestrickt, die ein perfektes Bild einer christlich abendländischen Ehefrau mit konservativer Erziehung festigen sollte, das von Güte und Aufopferung zeugt. Auch die passenden Trauerrituale mussten eingeübt werden, um all das eindrucksvoll und authentisch zu untermauern. Natürlich gab es auch die wirkliche und ehrliche Trauer, die man über einen Verlust empfindet und das leere Gefühl, jetzt wieder etwas mehr auf sich selbst gestellt zu sein. Die Vorzeige-Trauer überwog allerdings bei weitem.

 

Bis zur und während der Beerdigung bestand noch der Schutz, den man allen Trauernden zuteil werden lässt. Ein großer Personenkreis glich allerdings angesichts der kleinen Fehler der zukünftigen Legende das bisherige Beziehungsbild der Weißkopfs mit den neuen Wahrheiten ab. So wollen einige Facetten einfach nicht so ganz zusammen passen. Je nach Wahrheitsliebe sind hier und da bereits leichte Distanzierungen bei einzelnen Personen spürbar. Es wird Zeit, mit den echten Wahrheiten leben zu müssen, denn man kann das Rad nicht mehr zurück drehen und vieles auch nicht ungeschehen machen.

 

Graukopf wird nun mit der bisherigen Rolle seines Vaters vertraut gemacht und auch mit den psychologischen Druckmitteln, um die neue Rolle des Haussklaven anzunehmen. Graukopf ist jedoch ein anderer Charakter und hat auch ein anderes Temperament. Die Taktik funktioniert nicht und ein langer Anpassungsprozess mit Konsequenzen zeichnet sich ab. Auch sind es erste Reaktionen, die Graukopf zunehmend stören, denn es muss bereits Platz in den Schränken  für die neue schwarze Garderobe geschaffen werden, die man ja als christlich- abendländische Witwe mindestens ein Jahr lang tragen muss - schon wegen der Leute. Ein Vorteil ist, dass Schwarz schlank macht und so ein echter Mohair-Pullover ja auch eine tolle Sache ist. So hat alles auch sein Gutes.

 

Mit jedem Besuch aus ihrem Umfeld festigt sich die noch in Bearbeitung befindliche Legende vom perfekten Zusammenleben, das jetzt zerstört ist. Dabei scheint jetzt einiges sogar viel besser zu laufen. Der Appetit ist besser, manches reichhaltiger, einige Dinge werden viel schneller und besser gemacht. Auch ein Teil der Selbständigkeit kehrt allmählich wieder zurück. Darüber fällt jedoch kein Wort, weil es nicht zur Witwenklage passt.

 

Trauer ist ein langer Weg der Anpassung, an dessen Ende meist ein neues Lebensgefühl steht. Wenn auch heute noch die Beispiele aus dem tausendjährigen Reich bei jeder Gelegenheit herangezogen werden, bei denen viele Trauernde an ihrem Schicksal zerbrachen und das damals als Tugend galt, so scheint doch die Neugier auf das nun veränderte Leben zu überwiegen. Man lacht sogar schon wieder, aber nicht zu laut - wegen der Leute...!

 

 

 

 

Familien-Soap mit Laiendarsteller

 

Stimme, Gestik und Mimik sind wichtige Instrumente, um beim Gegenüber Eindrücke zu erzeugen. Diese können ganz unbewusst und menschlich echt aber auch gezielt und in bewusster Absicht zum Einsatz kommen. Letzteres ist eher mit  Täuschungsversuchen verbunden, weshalb wir sehr auf die Stimmigkeit der Signale achten müssen, um nicht hinters Licht geführt zu werden. Man findet diese heimtückischen Varianten meist im Zusammenhang mit Hypochondrie oder verdrängter Schuld aber auch manchmal nur einfach so aus einer Laune heraus, wenn sich der oder die Agierende den Gesprächspartnern überlegen fühlen. Ansonsten wäre ja auch die Gefahr viel zu groß, enttarnt zu werden. Überschätzt man sich selbst diesbezüglich, dann sind die Folgen mitunter gravierend.

 

Weißköpfchen ist am angenehmsten, wenn Ehrlichkeit aus ihr spricht. Dazu gibt es viele Gelegenheiten, bei denen es um rein gar nichts geht und wo sie es sich auch leisten kann. Dann wird sie freudig angenommen und kann den Kontakt genießen. Den Kontakt genießen zu wollen ist bereits die entscheidende Weichenstellung, die allerdings den nächsten Angehörigen selten zuteil wird.

 

Im trauten Familienkreis kann man sich ungeniert gehen lassen, denn da kennt jeder den IST- Zustand und man kann niemand mehr ein X für ein U vormachen. Hier werden nur  Machtpositionen ausgelotet, beleidigt, gedemütigt und denunziert, was das Zeug hält. Warum auch liebenswert sein, wenn man als Elternteil einen Anspruch auf grenzenloses Verständnis zu haben glaubt?!

 

Dennoch wird von Weißköpfchen je nach Situation, in die sie sich hinein- manövrierte, das komplette Register an Stimmlagen, Gestik und Mimik aufgeboten, um entweder Schonung nach dem Austeilen von Unverschämtheiten, Mitleid nach harter Konfrontation mit der Realität oder eine bessere Position durch Zelebrieren eines Handicaps zu erreichen. Da wird auch schon mal das Köpfchen hängen lassen und dabei nachlässig und unverständlich gesprochen, als sei eine Lähmung des Gesichts eingetreten, hilflos und geistesabwesend dabei dreingeschaut, währenddem die Ohren gespitzt werden, was im Raum gesprochen wird, um plötzlich putzmunter am Gespräch teilzunehmen und sich zu streiten, was das Zeug hält.

 

Der Knaller ist jedoch die Modulation der Stimme, wenn ein bestimmter zur Absicht passender Zustand simuliert wird. Die Stimme  schwingt irgendwo zwischen Vibrato und Tremolo , während scheinbar das Auge bricht. Besser kann man das nahe Ende nicht rüberbringen, das in Wirklichkeit meilenweit entfernt ist. Man braucht dann nur ein Reizthema anzuschlagen und die Stimme wird glasklar und fest und die Äuglein blitzen. Kurz darauf genügt ein spöttisches Lachen, damit Weißköpfchen sich ertappt fühlt und die Stimmung schwingt blitzschnell in ein Lamento mit Heularie um, weil die Sache so peinlich war. Und wieder ist ein Stück gegenseitige Achtung zum Teufel gegangen. Wenn man mal das ganze Täuschungs-Repertoire kennt, fällt es immer schwerer, auch echte Momente auszufiltern. Dann kann es wirklich passieren, dass man eine Situation falsch einschätzt. Ein viel zu hoher Preis für das miese Spiel!

 

Im Kontakt mit Nichtfamilienangehörigen breitet Weißköpfchen ihre ganz eigene Welt und Sicht der Dinge aus, in der die Bösen böser sind, als andere Böse, auch wenn sie die ganze Last tragen - nur nicht jede Marotte mitmachen. Weißköpfchen lässt sich dann bedauern und packt immer noch etwas auf ihren Wohltäterhügel drauf, um in Sphären vorzudringen, in denen angeblich  Heiligenscheine verteilt werden. Der Pfarrer muss es unbedingt wissen, wie herzensgut man und wie schwer dennoch das eigenen Schicksal ist. Und wieder wird das Ausdrucksregister nach allen Regeln der Kunst gezogen, damit auch alles richtig ankommt. Dafür muss es eigentlich Extrapunkte fürs Himmelreich geben. Doch Geistliche sind Menschen mit klarem Verstand und großer Menschenkenntnis. Sie durchschauen das Spiel und reagieren darauf so angemessen, wie sie es vertreten können.

 

So steckt in jedem Mensch ein mehr oder weniger großes Schauspieltalent, das eigentlich fernsehreif wäre, wenn man den Menschen diese Realsatiren zumuten könnte.

 

 

 

 

 

Verklärende Geschichtchen

 

Es muss schon ein tolles Gefühl sein, wenn man ein absolut und grenzenlos gütiger Mensch ist, der sich sein ganzes Leben lang für Andere aufopferte und niemals an sich selbst dachte, dessen Herz so rein ist, dass kein böser Gedanke darin Platz hatte. Wenn man das im Leben erreicht hat, dann kann man sich der uneingeschränkten Bewunderung nahezu aller Mitmenschen sicher sein.

 

Anders sieht es aus, wenn man so ganz und gar nicht in dieses Bild passt, aber so gern hinein passen möchte. Es würde ja auch langsam Zeit werden, denn man nähert sich langsam aber sicher dem Lebensende. Doch die ausgeprägten  Wesensveranlagungen verbauen permanent den Weg zum angestrebten Ziel. Also bleibt nur der Weg, einen großen Teil des Lebens so zurecht zu biegen, dass das so sehr anvisierte Ziel wenigstens ungefähr erreicht werden kann. Weißköpfchen ist gerade an so einem Punkt angelangt.

 

Ja, wie war man denn nun so als Mensch?

Allein diese Frage beinhaltet schon eine gehörige Portion Selbstzweifel.

 

Weißköpfchen sucht nach positiven Ansätzen. Ach ja, da war die eigene Kindheit, die so gar nicht harmonisch verlief aber dennoch in ein Happyend mündete, weil großherzige Großtanten das Erziehungswerk vollendeten. Sigmund Freud würde bereits hier ansetzen, wenn er an die Sache heran ginge. Konservativ erzogen zu sein, taugt aber noch nicht zum guten Menschen, denn das Gute vollbrachten ja Andere.

 

Dann war da der Krieg, als Weißköpfchen als Phonotypistin  in der Luftüberwachung tätig war. Schlimme Zeit, mit dem Fahrrad durch die zerbombte Stadt und zurück. Im Krieg geheiratet, der Mann in Ostpreußen, Kind bekommen, nach und nach die Großtanten verloren, den Bub tapfer herausgefüttert, der Mann noch Jahre in der Kriegsgefangenschaft.

 

Es war eine verdammt schwere Zeit, wie sie Millionen erlebten, die das Regime bis zum Schluss stützten und den Verlust von Angehörigen, von Hab und Gut, ja in unzähligen Fällen auch den Verlust der Heimat erlebten. Da ist man eigentlich noch verhältnismäßig glimpflich davon gekommen, denn Herr Weißkopf kam unversehrt aus der Kriegsgefangenschaft und der kleine Bub war besonders gut geraten. Man musste halt ganz von vorn anfangen, wie eben besagte Millionen auch. Dass man das geschafft hat, macht allein aber noch keinen guten Menschen aus.

Mit dem Wirtschaftswunder und dem Verkauf von Grundvermögen ging es dann aufwärts. Weißköpfchen nähte nebenher für die Leute und kümmerte sich um den damals noch bescheidenen Haushalt. Der damalige kleine Bub bereitete während des Heranwachsens kaum Probleme. Es waren eher Krankheiten von Weißköpfchen, die das Leben beeinträchtigten. Leiden sind aber auch keine Verdienste.

 

All die Leiden waren aber auch immer Grund genug, sich nicht beruflich betätigen zu müssen und den Haushalt zu pflegen. So wurde das Sparen und das Putzen zum allüberspannenden Lebenszelt, unter dem es sich recht spießig leben ließ. In der Zeit des Wirtschaftswunders war es schon etwas Besonderes, wenn der Mann allein verdiente. Damit konnte man sich hervorheben.

Sparsamkeit und Sauberkeit - endlich eine Tugend, die zur neuen Legende taugt.

 

Ein wesentliches Kapitel war das Sichern von Familienbesitztümern, die man sich erst mühsam erschleichen musste. Stets allgegenwärtig war dabei die Lebensabendstrategie, die bei Beiden recht unterschiedlich ausfiel. Knackpunkt war sicherlich, wer einmal zuerst sterben würde. Danach sollten bestimmte Strategien greifen, über die aber nie ehrlich miteinander gesprochen wurde. Beide Strategien hatten jedoch Gemeinsamkeiten. Da war zunächst das Anhäufen von Geld, das man später notfalls gemeinsam, vorzugsweise aber auch ganz für sich ausgeben konnte. Es entstand die visionäre Mär vom Seniorenstift, in das man sich einkaufen könne und wo man mit Hilfe des ersparten und geerbten Geldes all seine persönlichen Charaktereigenschaften im Pflegeumgang egalisieren könne. Der Konstruktionsfehler war aber, dass man sich vom gesamten sonstigen Hab und Gut hätte trennen müssen, was allerdings ihrem Wesen massiv widersprach.

 

Was ist eigentlich aus dem "Bub" geworden? Der ist heute Graukopf und hatte rechtzeitig die Konstruktionsfehler der Lebensendplanung seiner Eltern erkannt und mit viel Überzeugungsarbeit korrigiert. Die größten Hürden waren die unterschiedlichen Lebensabendvisionen, die es unter einen Hut zu bringen galt, weil sie unsichtbare Hindernisse waren. Körperliche Einschränkungen und Erkrankungen wiesen letztendlich den Weg zur gemeinsamen Bewältigung des Problems. Die zukünftige Hauptlast bürdete sich der "Bub" auf. Das machte ihn natürlich höchst verdächtig, denn es ist ja etwas zum Vererben da! Das muss der wahre Grund für die Großherzigkeit sein, der man partout - außer Geld - nicht viel entgegen zu setzen hat. Warum nur sind viele Eltern so penetrant misstrauisch? Vielleicht, weil man im Leben selbst immer dort war, wo etwas etwas zu erben gab?

 

Es will aber auch so gar nichts Wohl- und Mildtätiges ins neue Bild passen, was man dem stillen Pflichtbewusstsein, das einem nun täglich umgibt, entgegensetzen kann. Dummerweise kommen bei der Aufarbeitung der Vergangenheit immer mehr Indizien ans Tageslicht, die auf diese recht unterschiedliche Lebensabendstrategie der Weißkopfs schließen lassen. Das gemeinsame Testament, das Sohn Graukopf sehr wohl als letzten Willen der Eltern akzeptiert, entspricht in seiner Schlichtheit und Eindeutigkeit dem Berliner Testament, enthält jedoch bewusst nicht den Zusatz, wer später endgültiger Erbe ein soll. Das wurde bewusst weggelassen. Es hat unter bestimmten Voraussetzungen allerdings keine Auswirkung, doch - wem nutzt das? Eigentlich nur dem Teil, der später noch einmal heiraten wollte. Das regt doch sehr zum Nachdenken an.

 

Viel schwerer wiegt aber für Grauköpfchen, dass sie dieses Testament nach dessen Eröffnung rechtlich nun nicht mehr verändern kann. Der Partner wirkt also noch lang über seinen Tod hinaus. Man wird zudem ausgerechnet von dem gepflegt, den man zu Lebzeiten bewusst ausschloss, obwohl man immer lauthals erklärte, man spare nur für ihn. Das kratzt an der Glaubwürdigkeit und am gegenseitigen Vertrauen.

 

Besonders tragisch ist dabei, dass diese verbal korrigierten Sichten permanent an verschiedensten Bezugspersonen auf ihre Wirkung hin erprobt werden, damit bis zum nächsten Besuch des Pfarrers die neuen Wahrheiten stehen - wie steht man denn sonst da?

 

So wird die Geschichte auf der Suche nach dem edlen Mensch in sich selbst immer weiter gesponnen - bis zum seligen Ende.

 

 

 

 

 

 

Rollenspiel "Probesterben mit Wiederauferstehung"

 

Ein kleiner Schauspieler steckt in jedem von uns - so auch in Weißköpfchen. Es sind oft keine großen Rollen, die unsere Aufmerksam erregen, vielmehr groteske Komödien, die entweder zum Lachen reizen oder Kopfschütteln verursachen. Weißköpfchen ist darin ein wahrer Meister. Ihre Inszenierungen sind ausgefeilt und Zeitgenossen, die das Spiel nicht kennen, fallen reihenweise darauf herein. Dabei bedarf es einer guten Vorbereitung und eines intensiven Einlebens in die Rolle, damit sie zumindest eigenen Ansprüchen genügt.

 

Nun hat Weißköpfchen ja nicht allzu viel im Leben erlebt, was das Spielen ganz großer Rollen ermöglichen würde, doch eine Mindesterfahrung aus der Stummfilmzeit, des Kinos und der Fernsehunterhaltung lässt die eine oder andere Parodie zu. So auch in der letzten Nacht, als sie sich selbst die Gretchenfrage stellte und Sohn Graukopf zu erschrecken versuchte.

Nach vielen Kontakten mit Gratulanten anlässlich des 87. Geburtstages ging Weißköpfchen mit allen möglichen Gedanken im Kopf zu Bett. Vom Stress des Tages und der vielen Sitzerei stellten sich leichte Schmerzen im rechten Oberschenkel ein, die Grund genug waren, kurz vor Mitternacht die Notklingel zu bedienen, die sie mit ihrem Sohn in der Nachbarwohnung verbindet. Ein Kühlkissen musste her, das die Schmerzen lindern sollte. Danach wurde die Nachruhe von allen Beteiligten fortgesetzt. So gegen Halbdrei schrillte erneut die Notklingel. Sohn Graukopf streifte sich den Bademantel über und eilte zum Einsatzort.

 

Im Dämmerlicht der Nachttischlampe - schaurige Schatten an die Wand werfend - blickte er in einen offen stehenden Mund, der fast unverständlich formulierte: "Es geht zuende mit mir - ich kann mich nicht mehr bewegen, bleib bei mir, wenn es jetzt mit mir zuende geht...". Der Atem rasselt. Kein Wunder, wenn man auf dem Rücken liegend mit offenem Mund austrocknet. Graukopf schlägt das Deckbett zurück und sieht nach, was die Ursache der Schmerzen und der Steifheit sein könnte. Das Bein schmerzt von der Fußspitze bis in die Hüfte. Von der Kälte des Kühlkissens hat sich wahrscheinlich der Ischiasnerv entzündet.

 

Nun hilft nur Wärme - also wieder zudecken. Einen Notarzt benötigt Weißköpfchen nicht, bittet aber darum, dass Graukopf die Nachbarin X und die Bekannte Y anrufen soll, weil sie sie noch einmal sehen will. Mit brechenden Augen wie zu Clara Zylinders  bester Stummfilmzeit kommen die letzten Wünsche über die Lippen. Graukopf riecht den hypochondrischen Braten und fragt überspitzt, ob er denn auch den Pfarrer verständigen solle, wie sich das für eine so gläubige Frau ziemen würde. Das lehnte Weißköpfchen ab, denn mit so etwas spaßt man nun doch nicht. Was wäre, wenn es doch nicht das Ende ist?

 

Wenn man das nahe Ende vor sich sieht, muss man noch mal Wasser lassen. Wie von magischer Kraft bewegt, bewegt sie sich nun doch, denn die Blase drückt. Beinchen aus dem Bett, von helfender Hand auf die Beine gestellt, herumdrehen und in den Rollstuhl gesetzt. So geht es ins Bad. Wasserlassen funktioniert erfreulicherweise dann auch und wieder zurück ins Bett. Der Kreislauf wühlt plötzlich ganz stark am Herz - vielleicht hätte man so spät keinen Bohnenkaffee mehr trinken dürfen. Und wieder steht - auf dem Rücken liegend - der Mund offen und die Augen haben etwas vom Blick eines Schellfisches. Nach einigen beruhigenden Worten Graukopfs kehrt wieder die Nachtruhe ein. Eine Stunde vergeht, dann geht das Ganze wieder von vorn los und wiederholt sich noch zweimal bis zum frühen Morgen. Dann wird es hell - der Doktor muss unbedingt kommen und entscheiden, ob es wirklich zuende geht oder nicht.

 

Inzwischen ist auch der tägliche kommende mobile Pflegedienst da und es muss sich entscheiden, ob sich Weißköpfchen nach dem Waschen wieder ins Bett legt oder ob sie angekleidet wird, damit sie die Tagespflegeeinrichtung besuchen kann. Dort ist nämlich heute eine Kaffeetafel anlässlich ihres Geburtstages geplant und Graukopf hat schon große Mengen Kuchen geordert und bezahlt. Was ist nun wichtiger? Der Hausarzt trifft ein und untersucht Weißköpfchen, ohne irgend etwas festzustellen, was zur Besorgnis Anlass gäbe. Zur Sicherheit erfolgt noch eine Blutprobe, die schnell ausgewertet werden soll, damit auch ein leichter Herzinfarkt ausgeschlossen werden kann.

Banges Warten bis das Ergebnis vorliegt: absolute Fehlanzeige.

Dann ist ja alles in Ordnung!

 

Nun ist der Schmuck das größte Problem. Ketten, Ringe, eine Brosche und natürlich die Ohrringe, die für die große Feier benötigt werden, müssen drapiert werden. Das hebt das Gesamtbefinden. Mit Schmuck kompensieren ja viele Frauen ihre schwindende Schönheit. Bereits auf dem Weg zum Auto sind die Schmerzen fast verflogen und die letzten Schritte lassen nahezu keine Beschwerden mehr erkennen.

 

In der Tagespflege angekommen ist der Empfang herzlich und Weißköpfchen absolut im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Das Leben hat sie wieder! Und wie!

 

Betrüblich ist allerdings, dass es für diese kleinen und großen selbstdarstellerischen Verhaltensweisen keinen Oscar gibt.

Aber - die Reise nach Amerika wäre ja auch zu beschwerlich.

 

 

 

 

 

"The winner is..."

 

  

Klatsch und Tratsch

 

Wieso kombiniere ich jetzt wieder dieses Thema mit Frauen ? 

Das ist doch schon fast diskriminierend !

Oder vielleicht doch nicht !?

 

Wäre ich eine Frau, so käme ich womöglich gar nicht auf dieses Thema und schon gar nicht darauf, dass Frauen zu so etwas fähig wären. Es soll aber auch durchaus selbstkritische Frauen geben, die bei sich oder anderen Frauen so einen ähnlichen Wesenszug entdeckt haben, ohne den Klatsch und Tratsch nicht möglich wäre. 

 

Was ist das für ein Wesenszug, der bewirkt, dass man sich über andere Menschen verbal auslässt und den Gedankenaustausch mit persönlichen Wertungen garniert? Es ist womöglich das Bewusstsein der eigenen Unfehlbarkeit, der eine gewisse Überlegenheit fördert und die Kompetenz suggeriert, über andere Menschen zu urteilen.

 

Klatsch und Tratsch ist zunächst erst einmal der Austausch von Neuigkeiten, die man - wenn irgendwie möglich - in seinem Umfeld zuerst verbreitet. In manchen Orten werden diese Lauffeuerchen von mehreren Ecken aus angezündet und man ist immer wieder erstaunt, wie schnell sie sich verbreiten. Das ist nicht verwerflich, solange es sich um Fakten handelt und diese nicht verändert werden. Doch - welche Neuigkeiten kamen am Ende schon unverfälscht an? Auf ihrem Weg werden sie vielfältig garniert und modifiziert, bis sie manchmal nur noch wenig mit den Tatsachen zu tun haben.

 

Haben Sie schon mal die Redewendung gehört: "Das muss die gerade sagen! Die soll ganz ruhig sein! Weißt Du, die hat nämlich damals, als...". Und wieder wird eine Neuigkeit in die Welt gesetzt, die eigentlich schon uralt ist. Sie muss nur zur Person passen, dann wird sie als richtig empfunden. Drei Stationen weiter werden die beiden "Neuigkeiten" bereits direkt miteinander verbunden und prompt als Ungeheuerlichkeit empfunden. Mit persönlichen Wertungen garniert vermitteln sie die ethische und moralische Überposition des kreativen Informanten und ermöglichen ein gemeinsames moralisches Schwelgen. 

(Ei - was sind wir ja so gut!)

 

Irgendwann kommt die Neuigkeit bei der Person an, um die sie sich dreht und sie kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Maßlos Verärgerte kommen sogar auf die Idee, den Weg der Fehlinformationen nachzuvollziehen. Irgendwo stoßen sie auf die Aussage: "Was soll ich gesagt haben? - Das habe ich nie behauptet!" Wird dabei der Informant preisgegeben, so kann es zum Ausspruch kommen: "Die? - Die muss ganz ruhig sein, denn ich habe gehört, dass...". Nun beginnt ein neuer Kreislauf mit möglicherweise ähnlichem Ausgang.

 

Wenn Klatsch und Tratsch so gefährlich ist, warum wird er überhaupt praktiziert? Weil unsere Welt ohne Neuigkeiten eintönig wäre und man immer wieder die Bestätigung braucht, dass Normen sinnvoll sind. Verhält sich ein Mitmensch oder eine ganze Gruppe nicht "normal", dann müssen das möglichst viele Mitmenschen wissen. Wer weiß, welche Gefahr sich aus dem Unnormalen entwickeln kann, wenn nicht jeder rechtzeitig gewarnt wird!? - Eile ist angesagt!

 

Klatsch und Tratsch ist auch ein Zeichen dafür, dass man selbst nicht isoliert ist und aktiv am Geschehen teilnimmt. Er ersetzt manchmal die Zeitung und ist sogar ergiebiger als Zeitungsartikel. Dort liest man nämlich nur, was der Redakteur von Berufs wegen auch vertreten kann. In der Anonymität des Klatsches und Tratsches kann man weitaus mehr Informationen weitergeben, weshalb man auch immer wieder hört: "Ich habe Dir das aber nicht erzählt! - Das behältst Du bitte für Dich!"

 

Das wird aber eher als Beschleunigungsfloskel für den Umlauf verstanden.

Übrigens: Klatsch und Tratsch wäre dieser Artikel, wenn ich Namen genannt hätte. Ich bin jedoch sicher, dass Sie beim Lesen eine ganze Reihe von Personen vor Augen hatten. Das behalten Sie aber bitte für sich...!

 

Und was hat das nun mit Grauköpfen zu tun?

Klatsch und Tratsch werden mit zunehmendem Alter immer glaubhafter, weil man erfahrenen Menschen mehr glaubt. Klatsch und Tratsch von Weißköpfen ist dagegen besonders dreist, denn die Weißköpfe müssen nichts fürchten - sie haben keine Angst mehr vor der Zukunft. 

 

 

 

 

 

 

Dehydrieren kontra Harndrang

 

Weißköpfchen hat ein Problem. Wenn sie viel trinkt, muss sie oft Wasser lassen. Trinkt sie wenig, leidet sie unter Krämpfen in den Beinen, Schwindelgefühlen und Harndrang, ohne jedoch Müssen zu müssen. Nun ist es ja heutzutage angeblich gut, nicht mehr so oft Müssen zu müssen, wie uns die Fernsehwerbung suggeriert. Mit den Folgen ist jedoch nicht zu spaßen.

 

So hat sich Weißköpfchen am Wochenende mal wieder in eigensinniger Weise in einen Zustand gebracht, der dringend nach Flüssigkeit rief. Bei Weißköpfchen ist aber nur das relevant, was sein darf. Viel Flüssigkeit trinken - kommt nicht infrage. Kurz nach Mitternacht kommen alle Beschwerden auf einmal zusammen und die Notklingel zum Graukopf von nebenan wird betätigt, der davon aus dem ersten Schlaf gerissen wird. Wie kann er auch schlafen, wenn es Weißköpfchen schlecht geht!? Noch recht verschlafen eilt er zum nahen Einsatzort und erfährt, was Weißköpfchen plagt. Der Blutdruck ist schnell gemessen - 75:140, Puls 73 - damit kann man Hundert Jahre alt werden. Dennoch läuft die Dauerreportage über jede noch so kleine Besonderheit des momentanen Zustands weiter.

 

Sohn Graukopf denkt mit Grauen daran, dass der ganze Sonntag noch vor ihm liegt und der Zustand des Selbstmitleids wahrscheinlich permanent so weiter geht. Zunächst wird Grauköpfchen erst einmal mit einem Getränk versorgt. Immer wieder geht Weißköpfchens Blick zum DRK-Notruf-Knopf, der für eine noch dramatischere Situation sorgen könnte. Auch wenn es bereits etwas besser geht, möchte Weißköpfchen nicht wieder ins Bett, denn die Nacht ist noch jung und die Möglichkeiten sind noch nicht voll ausgeschöpft.

 

Mit "Ruf doch mal die Notrufzentrale an und frage, was ich habe!" wird die nächste Stufe der nächtlichen Inszenierung gezündet. Graukopfs berechtigte Zweifel an der Effizienz dieser Maßnahme werden mit einer Heularie quittiert, die nicht enden wollte. Also rief er doch die Notrufnummer an. "Was denn los sei", wurde er gefragt und er begann die Symptome aufzuzählen. Währenddessen stand Weißköpfchens Mäulchen nicht still. "Sage ihnen, dass ich Parkinson habe und einen Parkausweis, weil ich 100% behindert bin", klang die Aufforderung, der noch weitere hanebüchene Aufzählungen folgten. 

 

Am anderen Ende der Leitung war Ratlosigkeit zu spüren, ehe die verschiedenen Optionen genannt wurden, die sich anbieten. Ein Krankenwagen könne kommen und Weißköpfchen zur Untersuchung ins Krankenhaus bringen. Bei Lebensgefahr könnte auch ein Notarztwagen in Marsch gesetzt werden. Es könne aber auch der kassenärztliche Bereitschaftsdienst verständigt werden, damit ein Arzt eine Einschätzung vornehmen könne. Graukopf entschied sich für letztere Variante.

 

Diesen orderte Graukopf und es wurde zugesagt, dass er in einer halben Stunde vor Ort sei. Weißköpfchen trank inzwischen das zweite Glas Wasser und redete während des Telefonats munter dazwischen als gälte es, die Zutaten einer Pizza festzulegen. Graukopf begab sich zur Hofeinfahrt, um dem Bereitschaftsarzt den Weg zu weisen. Nach einer Viertelstunde hielt er es jedoch für angebracht, doch noch mal nach Weißköpfchen zu sehen, die er im Sessel sitzend zurück gelassen hatte. Nun lag sie auf dem Boden vor dem Wohnzimmerschrank inmitten einer Menge Kleingeld, das auf dem Boden verstreut war. Wer weiß, welche Gedanken sie wieder geritten hatten. Nachdem feststand, dass sie sich nicht verletzt hatte, hob Graukopf sie wieder in den Sessel und sammelte das Kleingeld auf. 

 

Nach einer weiteren Viertelstunde kam der Bereitschaftsarzt und Weißköpfchen lag erneut vor dem Wohnzimmerschrank. Mit herrlich böhmischem Akzent begann folgender Dialog:

 

"Gnädige Frau liegen am Boden! Was haben gemacht?"

 

"Der da hat mich alleine hier sitzen lassen, da bin ich hingefalle..."

 

"Einfach so? - Komische Sache!"

 

Nach einer kurzen Untersuchung und dem Studium des Medikamentenplans fuhr er fort:

 

"Gnädige Frau, sind Sie dehydriert und haben Sie Parkinson - ich säähe, muss ich Sie einweisen in Kraankenhaus!"

"Ach bitte, Herr Dokter, net ins Krankehaus, da will ich net hin!"

"In Wohnung bleiben - zuu gefährrlich, missen uunbedingt in Kraankenhaus!"

"Awwer - so schlimm isses doch garnet, ich fühl mich schon viel besser un morje krie ich Besuch..."

"Gnädige Frau! Sind wir hier nicht auf türrkische Basar!  Ich Arzt - ich entscheiden: Krankenhaus!"

"Lasse se mich doch deheim, ich leech mich auch ins Bett und bleib ganz ruhich liche..."

"Gnädige Frau, Sie häären nicht auf Ihre Sohn und fallen deshalb - sind unverfnienftig..."

"Ich bin jetzt sofort ganz vernünftich, Herr Dokter..."

"Wenn ich lasse Sie zuhause, gehe fort und Sie stähen auf, fallen hiiin, jäderr sagt:  Was hat Arzt getaan?"

"Also - auch wenn Sie mich einweise, ich geh net ins Krankehaus!"

"Gnädige Frau! Schreibe ich jetzt Einweisung und Transportschein.  Wenn nicht mitfahren, missen selbst bäzahlen Krankentransport - am Wochenende seeehr teuer!"

"Es geht mir doch schon viel besser..."

"Guuut, gnädige Frau, stehen jetzt auf, gähen ohne Hilfe zur Tiere und wieder suriick.  Wenn aalles gut, dann suhause bleiben..."

"Wenn ich aufsteh, dann fall ich doch sofort hin!"

"Deshalb gehen in Kraankenhaus!"

"Gut! Ich will awwer e Zweibettzimmer!"

"Missen mit Krankenhaus besprechen, ist nicht meine Saache..."

Die Grundsatzdebatte war gelaufen und eine kleine Tasche wurde gepackt. Der Arzt verabschiedete sich mit einem Augenzwinkern und er meinte: "Haben wir doch guut gemacht!?" Und ob er das gut gemacht hatte! Er hatte im Sinne der Patientin und der Angehörigen entschieden.

 

Nach einigen Tagen und einem Dutzend Infusionen Kochsalzlösung war die alte Vitalität wieder hergestellt. Was lernen wir daraus?

 

Nicht alle Mittel gegen Harndrang sind gut!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

One Night Stand mit Jingle Bells

 

Ein "One Night Stand" ist im ursprünglichen Sinn ein persönliches besonderes Erlebnis für eine Nacht. Diesen Begriff für den Weihnachtsabend zu verwenden, ist deshalb etwas gewagt. Auf Weißköpfchens diesjährige Weihnachten trifft die ursprüngliche Auslegung des Begriffes jedoch zu, wenn man alle heutigen Deutungen mal vernachlässigt.

 

An jenem Abend sollen die Verhaltensweisen eines ganzen Jahres vergessen sein, bei der sich Weißköpfchen stets fernab von einer christlichen Lebensweise befand. Streit, Missgunst und Demütigungen waren an der Tagesordnung. Es ist jetzt jedoch Weihnachten - da soll alles verziehen und vergessen sein.

 

Weißköpfchen träumt erneut von einem Fest, bei dem sie gleich nach Jesus Christus die Hauptrolle spielen könne. Im Kreis dankbarer, dienstbereiter und aufopferungsvoller Menschen die wohlhabende, spendable Seniorin spielen - das ist es, was ihr gefallen würde. Es müsste allerdings alles so sein, wie sie es sich wünscht. Und später müsste sie auch immer wieder über ihre Großzügigkeit berichten dürfen. Das wäre Weihnachten nach ihrem Geschmack!

 

Ein ganzes Leben lang hielt sie nämlich jeden Pfennig zusammen, um sich ihren Lebensabend äußerst angenehm zu gestalten und so soll es jetzt auch sein. Seit dem Tod ihres Mannes ist sie infolge einer vorher gemeinsam getroffenen Entscheidung Alleinherrscherin über das gesamte angehäufte Vermögen. Und das kann sich durchaus sehen lassen. Verwaltet wird es von ihrem Sohn. Der zeigt aber zu ihrem Leidwesen daran kein vorzeitiges Interesse. Das empfindet Weißköpfchen als sehr ärgerlich, denn vorauseilende Dankbarkeit, das ist es, was sie sich doch so sehnlich wünscht. Graukopfs provokante Selbstlosigkeit ist richtig ärgerlich.

 

Ihren Ärger über das achtlose Linksliegenlassen des zukünftigen Erbes lässt sie tagtäglich an Sohn und Schwiegertochter aus. Die Folgen sind inzwischen so heftig, dass man die Mahlzeiten getrennt einnimmt und es auch keine gemeinsam gefeierten Feste mehr gibt - auch nicht an Weihnachten. Das Fest des Friedens soll bei Graukopfs schließlich ein solches bleiben.

 

"Irgendwo auf dieser Welt muss es doch Menschen geben, die ich in eine Situation der Dankbarkeit versetzen kann", denkt Weißköpfchen und überlegt bereits, wem sie was schenken könne, um diese Dankbarkeit zu erzeugen. Das hätte allerdings den Nachteil, dass sie sich von etwas trennen müsste. Nein - das will sie auch nicht. Vielleicht kann man ja Personen finden, denen man die Möglichkeit eines späteren Vermächtnisses suggerieren könnte und damit ein übermächtiges Verlangen nach dieser Vision entstünde, das es zu nutzen gälte. Viele Angehörige sind auf diese Taktik bereits reihenweise hereingefallen und gingen anschließend leer aus. Menschen mit niederen Instinkten will Weißköpfen aber auch nicht um sich haben, es sei denn, sie ließen sich deswegen auch wie Dienstboten behandeln.

 

Dienstboten - das ist es, was Weißköpfen eigentlich sucht. Sie zu knechten wäre ihr höchster Genuss. Das umso mehr, wenn sie dabei auch noch die Verachtung vor deren Gier nach Almosen hemmungslos abreagieren könne. Auch wenn man es nicht glaubt, diese Menschen gibt es wirklich. Sehr oft werden sie durch ärgste Not so geformt. Jedoch - wie findet man solche Menschen?

 

Weißköpfchen entscheidet sich für eine spezielle Anzeige in der Tageszeitung. Eine Person ihres Vertrauens hilft ihr bei der Formulierung, wofür sie eine Tafel Schokolade erhält. Das ist durchaus angemessen und man braucht sich nicht zu bedanken. Der Text lockt förmlich die richtigen Bewerber in die Falle. Er lautet:

 

Wohlhabende, großzügige und gepflegte Beamtenwitwe mit attraktiven Versorgungsbezügen wünscht sich ein harmonisches Weihnachtsfest mit lieben Menschen. Garderobe, gesellschaftlicher Rahmen und Speisefolge nach vorheriger Absprache. Persönliche selbstlose Pflege während des Aufenthalts ist Grundvoraussetzung. Eventuell anwesende Kinder verhalten sich wunschgemäß. Saisonal übliche Geschenke oder spätere Dankbarkeit nicht ausgeschlossen. Adäquater Transfer hin und zurück werden vorausgesetzt. Gönnen Sie sich einen Abend der Chancen im Beisein einer respektablen Gönnerin! Vorausschauend dankbar verfasste Bewerbungen senden Sie an Chiffre "Halleluja auswärts".

 

Daraufhin meldete sich

  • eine übergewichtige alleinerziehende Langzeitarbeitslose mit vier Kindern,

  • zwei osteuropäische Touristinnen, die allerdings in Weißköpfchens Wohnung feiern wollen,

  • ein pensionierter Briefträger, der sie ins Seniorenwohnheim einlud,

  • ein neureicher Familienvater, der seiner Familie und den Kindern mal eine echte Oma zu Weihnachten schenken möchte, weil sie schon ein Haus, ein Boot und einen Hund haben,

  • eine Schwangere, allein lebende Studentin der Sozialwissenschaften, die unter Anderem Stoff für ihre spätere Magisterarbeit sammeln möchte, war auch dabei.

Bekannte und Verwandte waren nicht darunter - aus gutem Grund.

 

Die übergewichtige alleinerziehende Langzeitarbeitslose mit den vier Kindern schied aus, weil sie nicht ins Lebensraster Weißköpfchens passte.

Mit den osteuropäischen Touristinnen hätte sie es ja gern probiert, weil sie bekanntlich so herrlich unterwürfig dienen können. Auch der gebrochene Gebrauch der Deutschen Sprache hat so etwas von Zwangsarbeit oder aupair. Das könnte ihr schon gefallen.

Der pensionierte Briefträger ließe sich ja auch ganz gut abrichten. Doch - im Seniorenheim feiern? Das wollte sie nicht.

 

Wen sie auch in Erwägung zog, es war einfach nicht das Gelbe vom Ei. So entschloss sie sich, allein zu bleiben und wenigstens den eigenen Angehörigen das Fest so gut zu vermiesen, wie nur irgendwie möglich.

 

Wenn sie begriffen hätte, wie sehr sich Sohn und Schwiegertochter ganzjährig eine friedfertige, liebevolle Seniorin als Mutter gewünscht haben, mit der sie auch Weihnachten harmonisch verbringen könnten, wären ihr die Folgen ihres Verhaltens erspart geblieben. So aber wurde die Weihnacht zu einem einsamen One Night Stand mit Jingle Bells vom Plattenspieler, der um 20 Uhr mit der frühzeitigen Bettruhe endete.

 

Eine schöne Bescherung!

Und eine ganze Menge an Geschenken gespart...!

Mal sehen, wie es im nächsten Jahr wird!?