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Impressum

 

 

Die Kapitel der Geschichte:

 

Wie alles begann

Offenbarung

Vermittlungsversuche

Annäherung

Der Brief

Gestörte Zweisamkeit

Unruhige Herzen

Lebenszeichen

 

Fortsetzung folgt

 

Die Geschichte, die ich hier erzähle,

hat sich vor vielen Jahren zugetragen.

Als Erzählform wählte ich die Ich-Form,

wohl wissend, dass es dadurch Irritationen geben könnte.

 

Die Personen waren damals recht jung und wussten nicht,

was das Leben noch  für sie bereit hielt.

 

Die Episode verfolgt die beiden Hauptakteure wahrscheinlich bis zum heutigen Tag.

 

Dem Leser bleibt es überlassen,

daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

 

Das Glück ist unbarmherzig, wenn man es mit Füßen tritt -

und es kommt oft nie mehr zurück...

 

 

In jedem Jahr nehmen rund tausend Jugendliche Abschied vom Leben und suchen den Freitod - eine erschreckende Bilanz unserer Zeit!

Man nimmt die Nachricht in der Frühstückspause zur Kenntnis, liest und blättert gleich weiter zum Sport oder anderen Rubriken.

 

 

Was geht es mich an?

Bei mir ist ja alles in Ordnung! - Oder nicht?

 

 

Wie alles begann

 

So dachte ich auch, freute mich schon auf den Feierabend und fragte meinen Arbeitskollegen, was wir heute Abend machen. Wir hatten beide Lust, mal wieder durch die Kneipen zu ziehen und wir verabredeten uns für den Abend in unserem Stammlokal.

Hier trafen sich allabendlich die Jugendlichen, um von hier aus den weiteren Abend zu planen. Man konnte hier erfahren, wo etwas los ist, wenn das überhaupt einmal der Fall war. 

An diesem Abend befanden sich außer uns lediglich zwei junge Teenies im Lokal, die sich offensichtlich verabredet hatten und warteten. Als alle Versuche, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, fehl schlugen, machten wir uns wieder auf den Weg.

 

Mir fiel ein, dass an diesem Tag eine meiner früheren "Flammen" Geburtstag hatte und wir entschlossen uns, einfach mal so auf der Party vorbeizuschauen.

Ich war reichlich perplex, dass wir dort recht freundlich empfangen wurden - hatte ich mich doch sehr lange nicht mehr sehen lassen. Zwischen einigen bekannten Gesichtern traf ich auch Harry in Begleitung. Harry kannte ich nur flüchtig und wusste, dass er jeden Tag in eine Andere unsterblich verliebt war. Das war mir zu affig und ich ließ die Beiden deshalb links liegen.

 

 

Im Laufe des Abends ertappte ich mich  mehrmals dabei, dass ich die beiden dennoch beobachtete. Sie war klein, zierlich, hatte fast rote Haare und einen Pagenkopf. Zu ihrem auffälligen Haar kamen ein paar leuchtende, helle Augen, die von einem dicken Lidstrich hervorgehoben wurden. Wenn nur dieser fiese lila Lidschatten nicht gewesen wäre, der ihr blasses, puppenhaftes Gesicht maskenähnlich wirken ließ!

Sie trug ein zart lilafarbenes kurzes Kleid aus einem hauchzarten Stoff, der ihren Körper noch elfenhafter erscheinen ließ, als er ohnehin schon wirkte. Sehr schöne Hände hatte sie - stimmt - ich achte immer zuerst auf die Hände.

 

Verdammt noch mal - dieser Harry!

 

Wenn ich sie jedem gegönnt hätte - 

nur nicht ihm!

 

In den kurzen Gesprächen, die ich so am Rand mitbekam und auch an ihrer Körpersprache merkte ich, dass sie sehr eigenwillig war. Nie hätte ich in dem Moment gedacht, dass sie jemals ein Rolle in meinem Leben spielen würde.

 

 

Der Abend verlief recht unterhaltsam und gegen Mitternacht ging ich nach Hause.

Samstags traf ich sie überraschenderweise im Schwimmbad wieder. Hier hätte ich sie nie vermutet, weil sie nicht unbedingt sehr sportlich schien.  Ich sah sie schon von weitem - sie bemerkte mich allerdings nicht - warum auch? 

Sie hatte sich für diesen Tag einer Clique angeschlossen und ich gesellte mich zu ihnen, weil ich Anschluss suchte. Es entwickelte sich ein Gespräch zwischen einem, der allgemein nur als "Axel" bekannt war, ihr und mir. 

Verdammt, war sie anmutig!

 

Kurz darauf kam - na wer schon? - Harry!

Aus ihrem Verhalten konnte ich aber schließen, dass ihr an ihm eigentlich gar nichts lag. 

Das machte sie nun schlagartig noch einen Tick  sympathischer.

 

 

Nun gab sie mir die Gelegenheit, sie näher kennen zu lernen und ich ergriff sie natürlich. Ihre ganze Art und ihr Aussehen gefielen mir ausgesprochen gut, aber ich bemerkte, dass sie trotz ihrer jungen Jahre - wie alt wird sie eigentlich sein? - kleine Risse und Fältchen in der Haut ihrer recht schön geformten Oberschenkel hatte. 

 

Sollte sie vielleicht schon eine junge Mutter sein?

 

Das machte mich nun doch neugierig und ich wollte unbedingt mehr über sie erfahren.

 

 

Der Nachmittag verging und die ganze Clique verabredete sich für den Abend zum gemütlichen Sommernachtstreffen am Lagerfeuer, das wir regelmäßig abhielten. 

Am Anfang nur gelegentlich, später dann regelmäßig genossen wir so die romantischen Stunden der langen Sommernächte und irgend jemand hatte immer eine Guitarre dabei.

 

Hierbei lebten generell die Erinnerungen an meine erst kürzlich beendete Bundeswehrzeit wieder auf. Als sie an diesem Abend kam, drehte sich allgemein alles nur noch um sie und ich schien zunächst in ihrem Umfeld abgemeldet zu sein. Dennoch gelang es mir, nach einigen unauffälligen Platzwechseln neben ihr zu sitzen. Anfangs unterhielt ich mich mit ihr über belanglose Sachen. Nach einer Weile stellte ich aber fest, dass sie in eine immer stärker werdende Traurigkeit verfiel. Sie verschlang das Lagerfeuer regelrecht mit den Augen und schien weit entrückt. Sanft sprach ich sie an, welche Gedanken jetzt durch ihren Kopf gehen würden. Sie schüttelte nur wortlos den Kopf und ihre Stimmung wurde bedenklich düster.

 

 

Irgend etwas in mir zwang mich, ihr zu helfen. Dazu musste ich aber erst erfahren, was zu dieser Stimmungslage geführt hatte. 

Ich ermunterte sie, dass sie sich doch Luft machen solle und legte ihr nahe, ihr Herz einfach auszuschütten. 

Mir fielen nur die reichlich banalen Worte ein: 

"Zu mir kannst du doch Vertrauen haben. Warum redest du dir nicht einfach alles von der Seele? Misstraust du mir denn so?"

 

Nach einer langen Pause sah sie mich prüfend an und erwiderte: "Wenn ich dir den Grund meiner Gefühlslage sage, dann wirst du nichts mehr von mir wissen wollen und dann erfahren es irgendwann auch die Anderen...".

 

Was um alles in der Welt soll hier niemand erfahren?

 

Als ob sie meine Gedanken gelesen hätte, gab sie sich einen Ruck und packte endlich aus.

 

"Du hast mich im Schwimmbad genau beobachtet und hast längst gemerkt, dass ich..." - 

"Dass du ein Kind hast", ergänzte ich den Satz, den sie abgebrochen hatte.

 

 

Offenbarung

 

Sie ließ sich sanft nach hinten fallen, lag auf dem Rücken und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Im Halbdunkel merkte ich zunächst nicht, dass sie weinte. Als ich es merkte, strich ich ihr zart über den Kopf und versuchte, sie zu beruhigen.

Wie weich und duftig ihr Haar war... .

 

"Was ist denn, sag schon - ist etwas mit deinem Kind?", fragte ich und bekam die knappe Antwort:

"Es ist tot!"

 

Meine Kehle schnürte sich zu, als ich ihre Augen sah. Sie war doch sicher erst achtzehn oder neunzehn Jahre alt. 

Was musste sie nur erlebt haben! 

 

"Bist du verheiratet?", fragte ich sie und löste damit aus, dass nun die Dämme brachen.

"Ich habe irgendwie Vertrauen zu dir", sagte sie und bat darum, dass alles unter uns bleibt, was sie mir nun erzählen würde. "Ich habe keinen Menschen auf dieser Welt, mit dem ich darüber sprechen kann. Ich weiß zwar auch nicht, warum ich dir das alles erzähle, aber ich muss es einfach loswerden."

 

Halb neugierig, halb vom Vertrauen berührt nickte ich fast automatisch, ohne zu ahnen, was damit ausgelöst wurde.

 

 

"Mit siebzehn verließ ich die höhere Handelsschule. Meine Eltern leben getrennt und ich hatte nie ein richtiges Zuhause. Man schickte mich ins 60 Kilometer entfernte Frankfurt, und brachte mich im Postscheckamt unter. Ich wohnte im Wohnheim der Bundespost. Eine Verwandte meines Vaters war dort die Heimleiterin und ich war in strenger Obhut. 

 

Als Mädchen vom Land mit Pausbäckchen und langen blonden Haaren wurde ich immer wieder  ausgehänselt. Meine Zimmerkameradinnen nahmen mich dann mit auf einen Kosmetikkurs. Man redete mir dort ein, dass ich zu farblos und hausbacken aussehen würde und ich die Haare kastanienbraun färben solle. Dann bekam ich Lidschatten und Lidstriche verpasst. Nun war ich auf einmal sehr verändert, konnte mit meinen Freundinnen  mithalten und fand rundum mehr Beachtung. Die Verwandlung tat mir gut.

 

Mit der Zeit gewöhnte ich mich an die morgendliche Prozedur und ich gefiel mir so auch wesentlich besser. Mit den anderen Mädchen vom Wohnheim ging ich regelmäßig tanzen und lernte dabei meinen Mann kennen, der dort als Kellner arbeitete. 

Endlich hatte ich einen Menschen, mit dem ich ausgehen konnte und war nicht mehr allein auf meine Freundinnen angewiesen.

 

Bald darauf nahm er mich mit zu seinen Eltern, die mich auch sehr herzlich aufnahmen. Dort geschah es auch, dass ich ihm - naja, du weißt schon - nachgab, weil er alles Zukünftige davon abhängig machte. Ich war damals so dumm und habe nachgegeben. Als ich dann von meinem Arzt erfuhr, dass ich schwanger war, glaubte ich, dass jetzt die ganze Welt zusammenbrechen würde."

 

 

Nachdem sie eine lange Pause gemacht hatte, fuhr sie fort: 

 

"Ich nahm Tabletten, wurde jedoch in letzter Minute gerettet. Dann habe ich es aufgegeben, mich dagegen zu wehren. Meine Eltern wollten von alledem nichts wissen, weil sie das Gerede und die Schande den Nachbarn gegenüber nicht haben wollten. Sie richteten mir eine Wohnung ein und zwangen mich förmlich zur Heirat. Die Hochzeit fand in aller Stille statt und wir waren ganz auf uns gestellt. 

Mein Mann wechselte häufig die Arbeitsstellen und es gab einfach keine Ruhe und Geborgenheit. Als es dann soweit war, holte ich meine Mutter zu mir, da ich Angst hatte, mit meinem Mann allein zu sein. Ich hatte einfach Angst, dass etwas passieren würde. 

 

Einen Tag vor Heiligabend brachte mich mein Mann zur Entbindung ins Krankenhaus, ging sofort und kam erst am nächsten Tag wieder. 

Von unserem Kind nahm er überhaupt keine Notiz, was mir unglaublich weh tat. Auf meine Frage, wo er gewesen sei, konnte oder wollte er mir keine Auskunft geben. Ich war in dem Moment sehr sehr allein.

 

 

Drei Wochen lang war mein Kind völlig normal. Es trank seine hundert Gramm und es war die schönste Erfahrung meines Lebens. Plötzlich wollte mein Ulli nichts mehr zu sich nehmen und wir gingen zum Arzt. Das Kind wurde untersucht und der Arzt sagte - so beiläufig - dass das Kind einen Herzfehler habe, "das wissen Sie ja...!?"  

 

Mir wurde schwindlig und ich kam erst nach einer Weile wieder zum Bewusstsein. Ich fühlte mich wie in Trance. Wir brachten unser Kind ins Krankenhaus. Dort wurde es uns regelrecht abgenommen und man schickte uns nach Hause. Wir riefen praktisch jede Stunde an, um etwas zu erfahren. Jedes Mal hieß es, man könne noch nichts sagen. Dann hielt ich es nicht mehr aus.

Als wir wieder ins Krankenhaus kamen, lag unser Ulli unter dem Sauerstoffzelt und er wurde künstlich ernährt. Nach acht Tagen konnte er  das Sauerstoffzelt wieder verlassen und wir durften ihn mit nach Hause nehmen.

Nach kurzer Zeit verschlechterte sich aber sein Zustand zusehends wieder und nach weiteren drei Wochen war unser Ulli tot... .

 

 

Mein Leben hatte seinen Sinn verloren.

 

Meine Gefühle wurden von meinem Mann ignoriert und er war oft tagelang verschwunden. Manchmal nahmen wir einen Leihwagen und fuhren zu meinen Eltern, wenn mir die Decke auf den Kopf fiel. Eines Abends lag ein Autoschlüssel auf dem Küchentisch. Da ich nicht wusste, wem er war, fragte ich meinen Mann, der mir völlig unvorbereitet reinen Wein einschenkte.

Es war der Schlüssel eines Leihwagens, mit dem er zusammen mit einer Freundin, die er kennen gelernt hatte, Ausflüge machte. Er gab auch zu, dass er mich betrog und mich auch bereits während meiner Schwangerschaft betrogen hatte.

Was sollte ich machen? Ich habe ihm verziehen! Ich habe ihm immer wieder verziehen, denn ich hatte ja nur ihn!

 

Abends ging ich oft allein zum Spazieren an den Main  und wünschte, es wäre alles vorbei. Oft war ich kurz davor, ins Wasser zu gehen, weil ich das Leben nicht mehr ertrug. Hier traf ich eines abends diese Clique, als sie am Lagerfeuer saß. Sie nahmen mich auf und versuchten, meine Weltuntergangsstimmung zu vertreiben. Dort lernte ich Gaby kennen und ich glaube, wieder eine Freundin zu haben. Überhaupt habe ich das Gefühl, wieder Anschluss an meine Altersgenossen gefunden zu haben. 

Ich versuche, unter ihnen unbeschwert zu leben und wieder zu mir zu finden. Darum weiß auch niemand, dass ich verheiratet bin. Sie denken, dass ich allein lebe. Das hier ist eine Insel auf die ich flüchten kann, wenn ich völlig ratlos bin. Und hier treffe ich nun dich!

So - nun weißt du alles von mir!"

 

 

Vermittlungsversuche

 

Ich war irgendwie erschüttert und sie tat mir leid. Spontan bot ich ihr meine Nähe an, damit sie nicht so allein sei und sich jederzeit mit mir  aussprechen konnte. Bis spät in die Nacht hinein unterhielten wir uns über ihre Probleme und trennten uns zu später Stunde - sie etwas erleichert, ich dafür umso beladener.

 

Wir trafen uns am nächsten Abend im Eiscafe, um anschließend spaziern zu gehen. Unsere Gespräche endeten damit, dass sie mit tränen- erstickter Stimme die Auffassung vertrat, dass  ihr Leben jeden Sinn verloren habe. Obwohl ich genau wusste, dass es der falsche Rat war, riet ich ihr dazu, es wieder mit ihrem Mann zu versuchen. Vielleicht sei ja ein Neuanfang möglich. Auf unserem Rückweg kehrten wir in einer Gartenwirtschaft direkt am Main ein, wo wir auf die Clique trafen. Die waren inzwischen der festen Meinung, dass ich sie aus ihrer Mitte reißen wolle. Als sich ein heftiger Disput ergab, erschien plötzlich ihr Mann, um sie nach Hause zu holen. Ich wusste sofort, dass es nur ihr Mann sein konnte. Ihre Reaktionen waren überdeutlich. Außer mir merkte aber niemand, dass es ihr Mann war und alle dachten, es sei ihr Bruder.

 

 

Am nächsten Abend sah ich sie wieder und wir sprachen über den Vortag und über ihre Ehe. Sie hatte bei mir zunehmend ein Gefühl der Geborgenheit und sie betrachtete mich zunächst wie einen nahen Verwandten. 

Als wir unseren Spaziergang beendet hatten, brachte ich sie nach Hause, um anschließend selbst sofort den Heimweg anzutreten. Unterwegs traf ich ihren Mann, der Bärbel offensichtlich suchte. Ich sagte ihm, dass sie schon zuhause sei. Er hatte den Wunsch, mit mir zu sprechen, weil ich irgendwie in ihr Leben eingebrochen sei und er lud mich für den nächsten Abend ein.

 

 

Am darauf folgenden Abend ging ich zu ihnen und wir sprachen gemeinsam über ihre Probleme. Dabei kam auch immer deutlicher zum Ausdruck, dass er ein haltloser Mensch war. Er hatte seine Frau mehrmals betrogen, ein aufgenommenes Anschaffungsdarlehen der Bundespost durchgebracht und bei seinem letzten Arbeitgeber 1.500 DM unterschlagen. 

Momentan fuhr er einen Mietwagen in der Frankfurter Hauptbahnhofgegend und war irgendwie mit dem Milieu verstrickt. Der moralische Verfall war offensichtlich, er schlug sie oft und von Liebe war keine Spur mehr übrig geblieben.

Alle Versöhnungsbemühungen waren hoffnungslos. Am nächsten Morgen fuhr Bärbel zu ihren Eltern. Abends traf ich ihren Mann und wir erörterten die Situation nochmals - allerdings wieder ohne Ergebnis.

 

An diesem Samstag sollte wieder ein Lagerfeuer stattfinden und wir beschlossen, gemeinsam dort hin zu gehen. Es waren über zehn Personen anwesend und die Stimmung ähnlich romantisch, wie immer. Dort lernte ihr Mann Gaby kennen. Wir gingen später gemeinsam zurück ins Eiscafe, wo er Gaby erzählte, dass er mit Bärbel verheiratet sei.

 

 

Es war ihm wichtig, mitzuteilen, dass er Bärbel nicht mehr liebe und von ihr weg wolle. Mir war das offensichtliche Manöver zu flach und ich ging nach Hause. Danach müssen sie sich verabredet haben.

 

Am Montagmorgen rief mich Gaby im Geschäft an und sagte, dass sie sich verknallt hätte. Sie hätte mit Bärbels Mann fast das ganze Wochenende verbracht und sie wären im Taunus gewesen.

Da ich damals so etwas wie ein lebender Kummerkasten war, wollte sie mich am Abend sprechen. Kurz darauf rief mich Bärbels Mann an und erzählte mir die gleiche Story und bat mich ebenfalls um ein Gespräch, weil er nicht mehr wisse, was er jetzt machen solle. Ich verabredete mich mit ihm an der gleichen Stelle, an der ich auch mit Gaby verabredet war.

 

Danach kam der inzwischen tägliche Anruf von Bärbel, um mit mir zu sprechen. Die Neuigkeit schlug bei ihr wie eine Bombe ein und ich riet ihr, wieder nach Hause zu kommen.

 

Als ich Feierabend hatte, gin ich sofort zu ihr. Sie war gerade von ihrem Bruder gebracht worden. ich erklärte ihr, wie die Dinge liegen und gab ihr den Rat, ebenfalls zum besagten Treffpunkt zu kommen.

 

 

Nun beeilte ich mich, um den Termin mit den beiden anderen Akteueren wahrzunehmen. Sie erwarteten mich schon und versicherten mir, wie sehr sie sich ineinander verknallt hätten und fragten mich, was sie nun tun sollten. Ich riet zur Vorsicht und dazu, dass sie sich das gut überlegen sollten. Warum eigentlich - fragte ich mich insgeheim - gebe ich solche Ratschläge?

 

Nach einer halben Stunde kam Bärbel dazu. Die beiden Anderen waren sichtlich überrascht, weil sie annahmen, Bärbel sei noch bei ihren Eltern. Dann ging alles ganz schnell. Es war von Trennung die Rede und dass er Gaby heiraten wolle. Er würde ausziehen und wieder bei seinen Eltern einziehen, die Gaby ebenfalls aufnehmen würden. Das saß!

Bärbel war erschüttert und ging wortlos.

 

Aus Angst, sie würde sich etwas antun, ging  ich ihr nach und brachte sie nach Hause. Dort wartete ihr angereister Bruder mit seinem Sohn. Da sie in einer sehr schlechten Verfassung war, ließ ihr Bruder den Sohn bei Bärbel, ehe er nach Hause fuhr. So war sie nicht allein und hatte eine Aufgabe. Ich sprach ihr nochmals Trost zu und riet ihr, sich erneut mit ihren Eltern in Verbindung zu setzen. In was war ich da nur hineingeraten?

 

 

Annäherung

 

Von diesem Tag an ging ich jeden Abend zu ihr, um nach ihr zu sehen. Am Anfang war es nur große Fürsorge, aber mit jedem Streicheln und mit jedem in den Arm nehmen, dem Fühlen von Geborgenheit, veränderte sich unsere Beziehung. Zunehmend erwiderte sie meine Zärtlichkeiten und ich merkte, dass ich ihr viel mehr bedeutete - sie begann, mich zu lieben. 

Wir entdeckten unsere Liebe fast zur gleichen Zeit.

 

Am Samstagmorgen ging ich zu ihr und verbrachte mit ihr und ihrem kleinen Neffen den ganzen Tag und wir waren fast wie eine richtige Familie. Der Junge war elf Jahre alt und wir haben uns gut verstanden. Bei einem gemeinsamen Mittagessen hatten wir alle drei das Gefühl, richtig zusammen zu gehören.

Abends wurde der Junge wieder von seinen Eltern abgeholt. Danach waren wir beide allein.

 

Wir drückten unsere Gefühle deutlicher aus als es je zuvor der Fall gewesen war. Auf einer Wolke der Glückseligkeit erlebten wir das Höchste, was zwei Menschen miteinander verbinden kann - es hatte kräftig gefunkt!

 

 

Samstas holte ich sie morgens zu einer Bootstour ab, weil wir auf dem Wasser völlig ungestört sein konnten. Wir verbrachten den ganzen Tag auf dem Main und unsere Gedanken und Gespräche drehten sich um die Zukunft.  

 

Der Tag war unendlich schön und hätte eigentlich nie zuende gehen dürfen.

 

Am Montag rief mich Gaby im Geschäft an und erklärte mir, dass sie wieder mit Bärbels  Mann zusammengewesen sei. Er hätte ihr aber plötzlich gesagt, dass er sie doch nicht liebe, weil  er nur Bärbel lieben würde. Er wolle auf jeden Fall wieder zu ihr zurück. 

Welcher Sinneswandel!

 

Sie wollte abends unbedingt mit mir darüber sprechen, weil sie sich so ausgenutzt fühlte. 

Während unseres Gespräches weinte sie pausenlos und schien mit den Nerven völlig fertig zu sein. Wenn ich es so richtig bedenke, ließ mich das völlig kalt, den sie hatte sich mit einem Halunken eingelassen.

 

Mit so einer bestimmten Ahnung fuhr ich zu Bärbel und traf tatsächlich ihren Mann dort an, der eine gewaltige Schau abzog und wieder zu ihr zurück wollte. Er versuchte, ihre Haltung mit dem Satz zu erweichen, dass er ohne sie nicht leben könne. Was für eine Phrase! 

Dann schob er nach, er sei bei einem Arzt gewesen, der festgestellt habe, dass er Krebs im fortgeschrittenen Stadium habe und er nur noch zwei Jahre leben würde.

Das nahm sie ihm aber nun doch nicht ab.

Wegen seiner fortgesetzten Lügengeschichten bat sie sich einen Tag Bedenkzeit aus, um Zeit zu gewinnen.

Mit gemischten Gefühlen beschwor ich sie, über die Entscheidung gut nachzudenken.

 

 

Am nächsten Abend hatte ich das Bedürfnis, mit meinem Vater darüber zu sprechen. Ich war mir wirklich nicht darüber klar, was ich in dieser Situation machen sollte.

Auf der einen Seite stand ich als Vermittler zwischen den Beiden, war aber bereits selbst schon so sehr Partei, weil ich sie nicht aufgeben wollte. Mein Vater riet mir, alles zu versuchen, um beide wieder zusammen zu bringen. Hier war wohl ein anderer Gedankengang die Triebfeder des Rates... .

 

Dennoch war ich fest entschlossen, es zu versuchen. Doch - ich wollte erst Gewissheit haben, dass es gut gehen würde. Als ich zu ihr kam, war sie allein. Sofort erzählte sie mir, dass sie den Arzt angerufen habe, den ihr Mann genannt hatte. Es sei ein Arzt für Orthopädie gewesen, der ihren Mann überhaupt nicht kannte!

 

Kurz darauf erschien ihr Mann und sie eröffnete ihm, dass es nun endgültig aus sei und er sich keine Mühe mehr geben soll. In seiner Begleitung war überraschenderweise Gaby, in deren Gegenwart er nicht gerade den sichersten Eindruck machte. Um beiden doch noch eine Möglichkeit der Versöhnung zu geben, bleib ich das ganze Wochenende von ihnen fern.

 

 

Wie ich später erfuhr, versuchte er es garnicht mehr, sie für sich zu gewinnen. 

Er war sofort  gegangen und blieb dann tagelang verschwunden.

 

Montags saß ich zuhause vor dem Fernseher. Meinen Eltern war inzwischen zu Ohren gekommen, dass ich zu Bärbel gehe. Es kam zu einem handfesten Krach, bei dem ich immer wieder versicherte, sie zusammenbringen zu wollen.

Ich solle die Finger von diesem Weibsstück lassen, weil mich die Sache nichts anginge. Plötzlich schellte es. Ich ging zur Tür, da ich verlangt wurde. Da stand nun Harry und sagte mir, ich solle mitkommen - wegen Bärbel.

Nachdem ich die unerschütterliche Meinung meiner Eltern kannte und sehr aufgebracht war, blieb ich zuhause.

 

Die nächsten Tage ging ich dafür jeden Abend unter einem anderen Vorwand weg und direkt zu ihr, nur um meine Eltern vom eigentlichen  Problem fernzuhalten.

Mittwochs las ich dann einen Zeitungsartikel, der von einem Mord handelte. Eine junge Ehe war so gescheitert, dass der Mann seine Frau im Affekt  erschlagen hatte. Es kam dabei deutlich zum Vorschein, dass beide vor ihren Problemen kapituliert hatten. Das gleiche befürchtete ich nun bei Bärbel und ihrem Mann. Ich schnitt den Zeitungsartikel aus und schrieb Bärbels Vater einen Brief.

 

 

Der Brief

 

"Sehr geehrter Herr Martin,

 

zunächst werden Sie sich wundern, dass Ihnen jemand schreibt, den Sie gar nicht kennen. Dann werden Sie sich fragen, warum sich ein Außenstehender in die Privatangelegenheiten Ihrer Tochter einmischt.

 

Wenn Sie aber beiliegenden Zeitungsausschnitt lesen, dann werden Sie sich fragen, ob es soweit kommen muss. Sie wissen genau, in welcher Situation sich Ihre Tochter befindet. Es ist unverantwortlich, nur wegen dem Gerede der Leute eine Scheidung abzulehnen. 

 

Sind Sie sich darüber im Klaren, dass Ihre Tochter mit einem Gelegenheitsarbeiter verheiratet ist, der nicht mit seinen Problemen  fertig wird?

Hinzukommt noch, dass er sie schlägt, hohe Schulden hat und im Rotlicht-Milieu arbeitet.

 

Kommen Sie endlich Ihren Pflichten nach und kümmern Sie sich um sie. Holen Sie sie nach Hause und sehen Sie zu, dass sie so schnell wie möglich geschieden wird.

 

Mit freundlichem Gruss"

 

 

Am nächsten Abend holte ich sie vom Geschäft ab und wir gingen in eine Weinstube, wo wir alles besprechen konnten. "Riads Bodega" war genau der richtige Ort, um über Liebe und Schmerz zu sprechen.

Der Abend verlief sehr harmonisch und irgendwie waren wir auf einmal trotz aller Probleme seltsam unbeschwert. Am Wein lag es allerdings nicht! Auf dem Nachhauseweg warf ich den Brief ein.

 

Es folgten Tage harmonischer Zweisamkeit, denn ihr Mann war irgendwo - vielleicht bei seinen Eltern - abgetaucht und mied die Wohnung. So langsam wichen die Probleme und wir waren mit uns und der Zukunft beschäftigt. Zwischen uns hatte es kräftig gefunkt und wir konnten einfach nicht von einander lassen. Dabei verließ ich mich voll und ganz darauf, dass sie verhütete. Mit der Pille war das ja eigentlich auch recht problemlos.

 

Während unserer Spaziergänge in  menschenleerer Natur waren wir nie davor sicher, dass uns unsere Gefühle übermannten. 

Laue Sommernächte und volle Herzen führten zu endlosen Tagträumen, die nie hätten enden dürfen.

 

 

Die Realität holte uns schneller ein, als es uns lieb war, denn ihr Vater reagierte prompt auf den Brief. In Bärbels Wohnung wartete er auf uns und wir konnten die Situation endlich ausführlich besprechen. Natürlich hatte auch er gemerkt, was zwischen uns beiden passiert war. Dennoch ließ er sich nichts anmerken und stand der Scheidung seiner Tochter positiv gegenüber.

 

Dass ihr Mann inzwischen Teil des Frankfurter Kaiserstraßen-Milieus geworden war, gab den letzten Ausschlag und er sagte zu, sie bei der Einreichung der Scheidung zu unterstützen.

 

Es war interessant, zu sehen, wie sehr er sich plötzlich um sie sorgte, nachdem er das ganze Ausmaß kannte. Irgendwie war er mir dankbar, dass ich mich um sie kümmerte. Er verließ uns und wir hatten das Gefühl, dass nun alles gut werden könnte.

 

 

 

 

Gestörte Zweisamkeit

 

Weil wir beide tagsüber arbeiten mussten, beschränkte sich unsere Zweisamkeit auf die Abendstunden und die Wochenenden. Die kleine Dachwohnung wurde unser kleines Liebesnest und es kam mir überhaupt nicht in den Sinn, dass hier eigentlich ja auch ihr Noch-Ehemann zuhause war. Seit zwei Wochen hatte er sich nicht mehr sehen lassen.

 

Wir verdrängten ihn einfach aus unserem Kopf und lebten drauf los, wie es unseren Empfindungen entsprach. Es war die wildeste Zeit meines Lebens, weil wir unglaublich gut miteinander harmonierten. Geist, Witz, Liebe und Sex sind eine himmliche Droge.

 

Im tiefen gegenseitigen Empfinden begleitete ich sie aber auch regelmäßig ans Grab ihres Kindes, auf das sie ständig frische Blumen legte. Im stillen Verharren am Grab mit dem kleinen weißen Stein verging die Zeit, in der sie total in sich gekehrt zu sein schien. Ich hatte dann immer das dringende Bedürfnis, ihr das geben zu wollen, was sie so schmerzlich verloren hatte. Sie spürte das und ich glaube, dass sie damals fest mit mir die Zukunft plante.

 

 

Eines morgens rief mich ihr Mann im Geschäft an und wollte mich dringend sprechen. Wir verabredeten uns in Frankfurt auf einer schwimmenden Gartenwirtschaft am Sachensenhäuser Mainufer.

 

Was war geschehen?

 

Er hatte die Scheidungsunterlagen bekommen und er spürte, dass ich tiefer in die Sache verwickelt war. Ich sagte ihm, dass aus der Beziehung mehr geworden war und wir uns sehr gut verstehen würden. Für ein Zurück gab ich ihm keine Chance und er spürte auch, dass es hoffnungslos war. Sein Problem waren die Kosten der Scheidung und die Schulden, die er inzwischen hatte.

Er machte gegenwärtig einfach alles zu Geld, was sich vermarkten ließ und kündigte an, dass er sich das aus der Wohnung holen wolle, was ihm zustehe. Das Problem war nur, dass ihre Eltern alles eingerichtet hatten.

Das Groteske an der Situation war, dass er mir eigentlich gar nicht böse war. Er schien erleichtert, dass Bärbel nicht mehr von Depressionen geplagt Suizidgedanken nachging und wieder einen Halt gefunden hatte.

Seine Situation schien nicht rosig und seine Eltern schienen ebenfalls mit ihm gebrochen zu haben.

Irgendwie tat er mir leid.

 

 

Unser Gespräch endete ergebnislos, bis auf die Ankündigung, dass er in den nächsten Tagen die Wohnung aufsuchen würde, um persönliche Dinge abzuholen.

 

Eines Abends war es dann soweit. Völlig unangemeldet stand er in der Tür und ich war froh, dass wir nicht gerade in einer eindeutigen Situation angetroffen wurden.

In Gegenwart von Bärbel verhielt er sich ganz anders, als einige Tage zuvor, als wir uns getroffen hatten. Er machte den "wilden Mann", der alles mitnehmen wollte, was er für richtig hielt. Dabei kam es ihm vorrangig darauf an, zu verletzen. Es waren alles Dinge, an denen Bärbel hing, wie zum Beispiel das Spielzeug ihres Kindes.

 

Dann suchte er Geld. Er bemächtigte sich ihres Geldbeutels, fand aber darin keine Scheine. Die bewahrte Bärbel seit einiger Zeit wohlweislich woanders auf. Er wurde immer wütender, weil er nichts brauchbares fand, das er hätte zu Geld machen können.

Mit einem Ruck riss er ihr die dünne Goldkette mit einem Anhänger vom Hals, den er ihr geschenkt hatte. Das war dann zu viel. Obwohl ich absolut kein Hausrecht hatte, forderte ich ihn auf, die Wohnung zu verlassen. Mit kernigen Worten trat er den Rückzug an, denn meine Haltung war massiv und ich war zu allem entschlossen.

Letztendlich waren es dann doch wieder Worte, die ihn zur Besinnung brachten und er zog mit seiner bescheidenen "Beute" ab.

 

Das war das letzte Mal, dass ich ihn sah.

 

 

Bärbel war es gewohnt, unbeschwert mit allen Menschen Kontakt zu haben, mit denen es sich gut reden ließ. So hatten es gelegentlich auch Schwätzer mit ganz anderen Absichten nicht allzu schwer, mit ihr in Kontakt zu kommen. Eine Clique ist da natürlich gut geeignet und der lockere Zusammenhalt führte dazu, sich ihr Vertrauen leicht zu erschleichen. Außerdem lebte sie irgendwie freier ohne jedoch ihre moralischen Grundsätze zu verlieren.

 

So hatten wir in unserer Clique einen Typen, der es auf sie abgesehen hatte. Als ich einige Tage nicht in ihrer Nähe war, machte er sich an sie heran. Auch wenn ich absolut sicher war, dass sie mit ihm nichts angefangen hatte, war ich pikiert, dass sie die Nähe eines so dämlichen Vogels duldete und seine Absichten nicht erahnte.

Wenn ihr so einer recht ist.... ?!

 

Da sich all das innerhalb weniger Wochen abspielte und ich nicht gerade ein beziehungsarmer Mensch war, ließ ich mich selbst jedoch im Gegensatz zu ihr von Gelegenheiten verführen, die mehr dem männlichen Jagdtrieb entsprachen. Liebe und Sex kann man trennen - man sollte es offiziell allerdings nicht, weil man sonst als windiger Hund eingestuft wird. Wer weiß schon, was in den Lenden eines gut Zwanzigjährigen vorgeht. Das geht bis in den Kopf - hinterher plagen dann die Gewissensbisse.

 

 

 

Auf meiner Arbeitsstelle gab es eine Betriebsnudel, die einen gewissen Reiz auf mich ausübte, weil auch der Juniorchef etwas mit ihr hatte. Aus lauter Verärgerung über Bärbels Kontakt mit dem Schwätzer schritt ich zur vermeintlichen Vergeltung. Es gelang mir beinahe mühelos, sie herum zu kriegen und an einem Sonntagnachmittag war die Sache in jeder Beziehung gelaufen. Etwas, was so mühelos geht, ist langweilig und noch am gleichen Tag vergessen. Abgebucht unter "Jagdtrophäen".

 

Als ich merkte, dass mich mein schlechtes Gewissen davon abhielt, Bärbel aufzusuchen, wusste ich zunächst nicht, wie es weiter gehen soll. Erst als ich sah, dass sie mit dem Schwätzer im Eiscafé saß, riss ich mich zusammen und machte der Lachnummer mit dem Schwätzer ein Ende. Das war eigentlich das letzte Mal, dass ich im Leben Eifersucht empfand - dafür aber umso heftiger.

Mit wenigen Sätzen  hatte ich ihn vertrieben und genoss wieder uneingeschränkt ihre Nähe.

Würde irgendwann wieder jemand unsere

Beziehung stören?

 

Ich war mir sicher, es würde von ihrer Reaktion abhängen, ob dann alles zwischen uns aus sein würde.

 

Doch - es kam ganz anders.

 

 

Unruhige Herzen

 

Wenn mir die Probleme über den Kopf wuchsen oder ich absolut meine Ruhe haben wollte, dann nahm ich mein Boot und war verschwunden. Auf dem Main konnte man trotz der vielen Staustufen gewaltige Strecken bewältigen. Das Boot, von dem ich spreche, war ein zweisitziges Faltboot, für das ich auch eine Besegelung hatte. Diese hatte ich zusammen mit einer Zusatzeinrichtung so modifiziert, dass ich damit recht flott unterwegs war. Wenn ich aber in einem Zustand war, in dem ich mir über verschiedenes klar werden  wollte, war ich grundsätzlich mit dem Paddel unterwegs. Mit kräftigen Schubbewegungen konnte ich mich körperlich stark ausarbeiten und meinen Gedanken nachhängen. Dabei verlor ich manchmal das Gefühl für Zeit und Raum.

 

In den Tagen der größten Sommerhitze, in denen ich generell Urlab machte, stand mir der Kopf tagsüber nicht nach Zweisamkeit - auch nicht nach Schwimmbad oder anderen Massenaufläufen. Die Ruhe war es, die ich suchte.

 

Mit meinen Eltern wurde es von Tag zu Tag schwieriger, denn sie hörten von allen möglichen Leuten, dass ich es mit einer verheirateten Frau treiben würde. Über den wahren Sachverhalt konnte ich nicht mit ihnen sprechen. Sie legten mir ständig Schwierigkeiten in den Weg und warfen mir vor, dass ich den Blick für den richtigen Umgang verloren hätte. Sie hatten ständig passende Beispiele parat, wer denn zu mir passen würde - wer ihre besondere Gnade hätte.

 

 

Mir wurde immer klarer, dass es zwischen der Ablehnung meiner Eltern und meiner Versteifung auf die Beziehung zu Bärbel ein direkter Zusammenhang bestand. Umso stärker sie sie ablehnten, um so stärker fühlte ich mich zu ihr hingezogen. Gleichzeitig lehnte ich alle Personen, die ihrem Wunschbild entsprachen, entschieden ab. Selbst wenn ich sie sympathisch gefunden hätte, hätte ich diese Personen nicht in Betracht gezogen. Eine Ausnahme bildete eine recht quirlige Angestellte in unserer Nachbarschaft, die ich schon jahrelang vom Sehen her kannte. Unsere Wege hatten sich aber bisher noch nie gekreuzt. Irgendwie ergab sich die Gelegenheit, mit ihr Kontakt aufzunehmen, als sie ihren Chef und ihre Chefin zu einem Kaffekränzchen begleitete, der in unserem Garten stattfand. Da sie einen Hund dabei hatten, der keine Ruhe hielt, gingen wir mit dem Hund spazieren. Unterwegs sprach sie mich auf meine Beziehung zu Bärbel an, weil sie sie flüchtig kannte. Ich blockte schnell ab, weil ich nicht darüber reden wollte.

 

Da sie ein eigenes Auto hatte, schlug sie vor, mit mir in den nächsten Tagen einen Ausflug zu machen. Warum eigentlich nicht?

Wir verbrachten einen ganzen Tag in der Natur und kehrten unterwegs ein. Hier erfuhr ich etwas mehr über sie. Vor allen Dingen litt sie noch sehr unter dem kürzlichen Tod ihrer Mutter, dem eine lange Leidenszeit vorausgegangen war.

Da war es wieder - das Gefühl, helfen zu wollen!

 

 

Dazu fehlte aber noch die besondere Zuneigung, die sich einfach nicht einstellen wollte. Sie wiederum hielt eine Beziehung nur dann für sinnvoll, wenn es Liebe auf den ersten Blick sei. Sie wartete auf einen Prinzen, der auf einem großen weißen Pferd daherkommt und der sie glücklich macht. 

Es müsse deutlich "knistern" - meinte sie.

 

Der Tag endete mit meinem Vorschlag, sie solle sich melden, wenn es bei ihr "knistern" würde.

Im gleichen Moment hatte ich allerdings die Sache schon abgehakt. Das war nun ganz und gar nicht meine Kragenweite!

 

 

 

Es zog mich wieder zu Bärbel hin. Ihr hatte aber meine Mutter schriftlich gedroht, sie anzuzeigen, wenn sie mir weiterhin nachstellen würde. So ein Blödsinn und was für eine Unverschämtheit mir gegenüber!

Unsere Abende wurden immer mehr zu endlosen Gesprächsrunden mit einem Finale, das sich schon fast zwangsläufig ergab. Einfach alles war an- und aufregend, weil es so unkonventionell ablief und eine ganz neue Erfahrung für mich war. Die Beziehung ergriff immer mehr Besitz von mir.

Um die richtige Konsequenz zu ziehen, bedurfte es nun einer offensiven Entscheidung, die ich von Tag zu Tag vor mir her schob. Schließlich hatte ich ja einen guten Grund: Sie waren ja noch nicht geschieden!

Der konsequente Schritt bedeutete aber auch, dass ich mich verselbständigen musste und nicht weiter zuhause wohnen konnte. Wegen der absolut harten Haltung meiner Eltern wäre ein Bruch mit dem Elternhaus vorprogrammiert gewesen.

Eines hatten Bärbel und ich gemeinsam:

Unsere Herzen lagen in Ketten.

Ketten, die jede für sich danach schrieen, gesprengt zu werden.

 

 

Lebenszeichen

 

Die Wintermonate waren lang und die Tage kurz. Deshalb spielte sich die Freizeit vorwiegend in der Dunkelheit ab. Da mich im Ort jeder kannte und sich einige Klatschtanten bereits auf das Thema eingeschossen hatten, brauchte ich nur in der Nähe von Bärbels Wohnung gesehen worden zu sein und meine Eltern erfuhren es prompt.

Der Winter und die Dunkelheit brachten es mit sich, dass man mich nicht mehr so schnell sah oder erkannte.

Bei den kurzen Aufenthalten in der elterlichen Wohnung stellten sich trotzdem immer mehr  Streitsituationen ein, denen ich natürlich aus dem Weg zu gehen versuchte.

Irgendwann bekam ich eine starke Grippe mit hohem Fieber und war ans Bett gefesselt. Weit und breit kein Telefon, keine Möglichkeit, Bärbel zu benachrichtigen. Was würde sie jetzt davon halten, dass ich plötzlich nicht mehr kam?

Und die übertriebene Fürsorge meiner Mutter - sie ging mir so auf die Nerven. Auf der einen Seite war es nicht möglich, über sie den Menschen, den ich liebte, zu benachrichtigen und auf der anderen Seite diese überzogene Bemutterung! 

 

Es war nicht auszuhalten!

 

 

Mit hohen Fieber und dem Schüttelfrost schlug ich mich bereits schon vier Tage herum und ich konnte keinen Schritt vor die Tür. Von meinen Kumpels ließ sich auch keiner sehen!

Mein Vater warf mir immer vor, ich hätte keine richtigen Freunde. Recht hat er! Wo sind denn diese Affen jetzt, wenn man sie bräuchte?

 

Meine Mutter merkte natürlich, dass und wie ich litt. Dennoch ließ sie mich spüren, dass sie sich über die Zwangspause in unserer Beziehung diebisch freute. Dafür hasste ich sie von Herzen.

Fast jedes Wort, das wir wechselten, war spannungsgeladen, ohne den Grund dabei in den Mund zu nehmen. Fürsorge pur und gleichzeitig dieses psychische Quälen - was doch ein Mutterherz aus Eifersucht und Sorge so fertig bringt! 

Ich hätte sie auf den Mond schießen können!

 

Irgendwann platzte es dann aus mir heraus und wir gerieten heftig in Streit. Zum ersten Mal warf ich meienr Mutter Dinge an den Kopf, die ich noch nie meinen Eltern gegenüber gesagt hatte. Ich erschrak selbst dabei, wie heftig es zur Sache ging. Die Reaktion war Schreinen, Toben  und natürlich dieses mütterliche Flennen, weil ihr die Worte fehlten. 

 

 

Dann kamen wieder und wieder die Litaneien vom Krieg, den Bomben, wie schwer sie es hatte, mich gesund durch zu bekommen in all den schweren Jahren. Mit welchen Entbehrungen sie die Zeit bis zur Rückkehr meines Vaters damals aus der Kriegsgefangenschaft durchstand und nun diese Schande! Welche Schande bloß?

 

Da war er wieder - der Punkt, an dem wir uns nicht mehr verstanden. Was um alles in der Welt ist daran eine Schande, wenn man  eine Frau liebt, die in Trennung lebt, aber noch nicht geschieden ist?

 

Zugegeben - Bärbel zog sich nicht so an, wie die konventionellen Tussies in meinem Umfeld und war auch auffälliger geschminkt, sie wirkte oft recht aufreizend und verführerisch und konnte auch die Männer um den Finger wickeln, wenn es ihr Spaß machte - aber ich liebte sie nun mal!

 

Irgendwann kam der Punkt, da wollte ich nicht mehr streiten und beschloss, kein Wort mehr zu reden. Umso beharrlicher ich kein Wort mehr redete, umso zorniger wurde meine Mutter in ihrem Wahn. Es war die Hölle und absolut keine Besserung in Sicht.

 

 

Dann kam doch tatsächlich Harry und wollte mich sehen - sagte er zu meiner Mutter. Er kam in mein Zimmer und steckte mir unbemerkt einen Brief zu. Unser Gespräch war vielsagend nichtssagend und die Zeit zog sich wie Gummi, bis er ging. Er häte ja allzu gern gewusst, was im Brief stand, aber es gab keine Möglichkeit, ihn in seinem Beisein zu öffnen. 

 

Als er fort war, wollte ich meine absolute Ruhe haben. Da meine Mutter Besorgungen zu erledigen hatte, fand ich dann auch endlich Zeit, den Brief zu öffnen.

 

 

Lieber Spatz!

 

Wie konnte das nur passieren? 

Was ist denn los? 

Was hast Du? 

1000 Fragen und keiner kann mir eine Antwort geben. 

Spatz, was hast du denn? 

Bist Du sehr krank?

 

Ich weiß, nun bräuchtest Du mich am meisten und ich kann nur abwarten und untätig zusehen, was mit meinem Häschen gechieht.

 

Euer Nachbar war bei mir zuhause - von Deiner Mutter geschickt. Er sollte mich zurück zu meinen Eltern schicken. Aber nun bringt mich niemand - auch nicht deine Eltern - fort von hier.

Denk immer daran, ich bleibe in Deiner Nähe.

 

Deine Mutter hat mir ein paar "nette" Worte gechrieben, in dem stand: "In den nächsten Tagen werden Sie von Ihren Eltern abgeholt, damit dem schamlosen Treiben ein Ende gesetzt wird. Anderenfalls werde ich eine Anzeige machen."

 

Spatz, Du weißt, wie sehr ich Dich mag, aber Deine Eltern werden mich nie akzeptieren.

Deine Mutter war hier und hat herumgeschrien, wie eine Wahnsinnige. 

Aber sie tut mir leid. 

Ich überlege, ob es richtig ist, dass ich Dich aus Deinem Elternhaus vertreibe.

Spatzi, hilf mir, indem Du ganz schnell wieder gesund wirst. 

Ich mag Dich sehr!

Komm bald wieder zu mir, denn ich werde verrückt ohne Dich. 

Ich brauche Dich.

 

Nun schreibe ich aber lauter dummes Zeug, weil ich ratlos bin. Was soll aus uns werden?

Ich weiß noch nicht einmal, ob du diesen Brief bekommst!

 

Ich hoffe, jetzt, wo Du krank bist, macht Dir Deine Mutter nicht den ganzen Tag Vorwürfe meinetwegen.

 

Spatzi - ich warte auf Dich!

 

Barbara

 

Excusez moi, s'il vousplait, pour mon amour!

 

 

Endlich der langersehnte Kontakt!

Was musste ich aber lesen?

Welchen Höllenritt hatte meine Mutter da gewagt? Kann Mutterliebe so weit gehen, dass sie alles zerstört?

Offensichtlich ja, denn sonst hätte sie nicht zu solchen Mitteln gegriffen.

 

Nun musste ich ganz schnell gesund werden, denn Bärbel brauchte mich!

 

Den Brief hätte ich pausenlos lesen können, denn er war momentan das Einzige, was ich von ihr hatte - und er roch ganz leicht nach ihrem Parfum...

 

Bärbel - ich liebe dich!

 

 

So langsam besserte sich meine Grippe und ich brannte schon darauf, wieder das Haus zu verlassen.  Zunächst musste ich natürlich erst mal wieder arbeiten gehen, ehe ich an Freizeit denken konnte. Am Arbeitsplatz bestand natürlich sofort, die Möglichkeit telefonisch mit Bärbel in Kontakt zu treten.

Ich glabe, ich habe damals stundenlang telefoniert und machte mir über mögliche Folgen überhaupt  keine Gedanken. Glücklicherweise nahm mir das keiner übel, weil jeder auf irgend eine andere Art die Firma schröpfte. Das war so eine Art Ausgleich für die mieserable Bezahlung im Handel.

 

Nun begannen auch wieder die Abende in Zweisamkeit und ich fieberte natürlich auch dem Wochenende zu. Wir hatten viel nachzuholen und wir schwebten auf Wolke sieben.

Trotzdem gab es Dinge, die mich einfach nervten. Dazu gehörte, dass sie so offen und unbeschwert mit anderen Männern umging, ohne sich etwas dabei zu denken. Oder dachte sie sich doch etwas dabei? War sie mir eigentlich treu? Hatte ich ein Anrecht darauf, dass sie mir treu war?

Am liebsten hätte ich alle Kontakte verhindert, um sie ganz für mich allein zu haben. Doch sie brauchte einfach ihre Freiheit. Eifersucht war für unsere Beziehung einfach Gift.

 

 

Dabei war es noch nicht einmal die Gefahr der Untreue, die mich ärgerte, sondern, mit welcher Gesellschaft sie sich vergleichsweise begnügte. Ich verglich jeden Anderen mit mir und war automatisch gekränkt. Dagegen fand ich einfach  kein Mittel.

 

In solchen Situationen machte man inmmer das Falsche. In meinem Fall waren es heftige Flirts, die ich begann - nur um ihr zu zeigen, wie weh das tut. Sie fand das aber ganz normal und lachte darüber.

 

Fortsetzung folgt